Beton-Muschel mit europäischer Strahlkraft
Die Sendehalle von Radio Europe 1 in Berus, auch „Kathedrale der Wellen“ genannt, erhält den Titel „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“.
Mehr als 2.500 Quadratmeter ohne jede Stütze, nur gefasst von gläsernen Wänden, darüber schwebend, über 80 Meter weit gespannt, eine geschwungene Schale, deren Beton gerade einmal fünf, sechs Zentimeter dick ist – die Sendehalle von Radio Europe 1 in Berus im Saarland war und ist ein ganz besonderes Bauwerk. Daher haben die Bundesingenieurkammer und die Ingenieurkammer des Saarlandes in Anwesenheit von Bundesministerin Annegret Kramp-Karrenbauer den muschelförmigen Glasbau am 24. September 2021 mit dem Titel „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ geehrt.
Ein Projekt, das mehrmals kurz vor dem Aus stand
Geplant auf der grünen Wiese inmitten der Hochebene am Sauberg war der Name des Senders Programm: Das „Centre émetteur de radio-télévision Europe no 1“ sollte nichts weniger als die Nummer Eins und eine der größten Rundfunkanstalten werden. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen und der Weg dorthin sehr lang. Mehr als einmal stand das Projekt kurz vor dem Aus. Denn die Besonderheit der verglasten Halle war, dass der 86,5 x 46 Meter große freitragende Bau aus Beton gebaut werden sollte.
Die Herausforderung des Projekts zeigt sich auch daran, dass gleich drei namhafte Ingenieure mit der Errichtung der Sendehalle betraut werden mussten, um allen Ansprüchen zu genügen – Bernhard Laffaille und Eugène Freyssinet, zwei Pioniere des Schalenbaus, sowie Pierre Xercavins, einer der bekanntesten französischen Ingenieure seiner Zeit.
Dramatische Baugeschichte
Dr.-Ing. Frank Rogmann, Ehrenpräsident der Ingenieurkammer des Saarlandes, sagte in seiner Begrüßungsrede vor den circa 90 geladenen Gästen, dass er hoch erfreut sei, dass die „Kathedrale der Wellen“, wie die Sendehalle auch genannt wird, heute ausgezeichnet wird. „Gerade wegen ihrer dramatischen Baugeschichte ist sie nicht nur ein faszinierendes, sondern auch facettenreiches Wahrzeichen modernen Konstruierens in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie steht aber auch für die Verführungskraft des Leitbilds absoluter Leichtigkeit und die verstörende Hybris, sich allzu sicher und frei von Fehlern zu wähnen.“
„Ingenieurbauwerke gibt es in der Regel nicht von der Stange. Das sind Unikate, an denen Ingenieurinnen und Ingenieure oftmals sehr lange tüfteln, um die bestmögliche Lösung zu finden“, betonte der Vize-Präsident der Bundesingenieurkammer, Dipl.-Ing. Ingolf Kluge. „Das macht unseren Beruf auch so besonders und so spannend.“
„Aufgeklappte Jakobsmuschel“ mit Besonderheiten
Heute ist es still geworden in dem einstigen Sendezentrum, aber die große herzmuschelförmige Halle hat nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt. Die 1954 auf dem Gebiet der Gemeinde Überherrn erbaute Sendehalle weist die Form einer aufgeklappten Jakobsmuschel auf, ähnlich wie die aus der „Zeltbau-Tradition“ stammende Sportarena von Raleigh in Nord Carolina (USA, 1953) und die in dieser Zeit errichtete Schwarzwaldhalle in Karlsruhe sowie die „Schwangere Auster“ in Berlin. Die Website der Gemeinde Überherrn legt jedoch Wert auf die Feststellung, dass „ihre“ Sendehalle das einzige Gebäude dieser Art mit nur einer Symmetrieachse ist.
Das könnte Sie auch interessieren: