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Dresden 11.09.2024, 09:00 Uhr

Carolabrücke eingestürzt

Heute Nacht gegen drei Uhr ist die Carolabrücke in Dresden auf einer Länge von circa 100 Metern in die Elbe gestürzt.

Heute Nacht ist Brückenzug C der Carolabrücke in die Elbe gestürzt. Foto: Stadt Dresden

Heute Nacht ist Brückenzug C der Carolabrücke in die Elbe gestürzt.

Foto: Stadt Dresden

In der Nacht ist eine Fahrbahn der Carolabrücke auf einer Länge von 100 Metern in die Elbe gestürzt. Betroffen ist der Fußgänger- und Radweg sowie die Straßenbahngleise. Verletzte gab es nicht, nur wenige Minuten zuvor soll allerdings die letzte Straßenbahn die Brücke passiert haben. Insgesamt besteht die Spannbetonhohlkastenbrücke aus drei Brückenzügen. Stehengeblieben sind die Spuren für den Auto- und den Lkw-Verkehr. Weitere Teile der Brücke könnten jedoch noch einstürzen, mit einer baldigen Freigabe der noch stehenden Brückenzüge sei nicht zu rechnen, der Verkehr wurde weiträumig gesperrt.

am Brückenkopf brach der Beton:

Foto: Stadt Dresden

Durch den Einsturz wurden außerdem zwei Fernwärmeleitungen beschädigt. Heißes Wasser soll ausgeströmt sein und zu großen Wasserverlusten in der Leitung geführt haben. Zurzeit ist die gesamte Fernwärmeversorgung in Dresden unterbrochen. Auch Schiffsverkehr ist aufgrund der herabgestürzten Brücke zurzeit nicht möglich.

Die Brücke ist eine wichtige Verkehrsader in der Landeshauptstadt und verbindet dort die Altstadt mit der Neustadt. Sie wurde zwischen 1967 und 1971 errichtet. Betroffen ist der südliche Teil der Brücke in Richtung Altstadt. Hier hat sich am Brückenkopf ein etwa ein Meter breiter Spalt im Beton gebildet. Die Ursache ist noch unklar. Ein möglicher Auslöser könnte Korrosion gewesen sein, so soll es laut dem Abteilungsleiter Brücken- und Ingenieurbauwerke der Stadt Dresden Holger Kalbe zu DDR-Zeiten massive Chlorid-Einträge gegeben haben. Diese hätten prinzipiell im Inneren der Spannbetonbrücke eine Korrosion der Bewehrung bewirken können.

Drei Brückenzüge bilden die Carolabrücke. Die Fahrbahnen für den Lkw- und Pkw-Verkehr stehen noch.

Foto: Stadt Dresden

Wie die Stadt Dresden mitteilt, wurde die Carolabrücke vorschriftsmäßig regelmäßig überprüft. Die letzte Hauptprüfung von Zug C, der teilweise einstürzte, habe im Jahr 2023 mit dem Ergebnis der Zustandsnote 3,0 stattgefunden. Eine Zustandsnote von 3,0 bis 3,4 (nicht ausreichender Bauwerkszustand) bedeute nicht zwangsläufig eine Nutzungseinschränkung des Bauwerkes, sondern sei vielmehr ein Indikator dafür, dass in näherer Zukunft eine Instandsetzungsmaßnahme zu planen ist. Wenn bei der Bauwerksprüfung eine Beeinträchtigung der Standsicherheit oder Verkehrssicherheit festgestellt wird, so werden selbstverständlich sofort entsprechende Maßnahmen getroffen, um die erforderliche Sicherheit weiterhin zu gewährleisten. Dies sei aber bei der Carolabrücke nicht der Fall gewesen.

Von November 2019 bis Ende 2023 wurden die Brückenzüge A und B der Carolabrücke saniert. Dabei wurde ein besserer Bauwerkzustand erreicht. Bei den Sanierungsarbeiten kam erstmals Carbonbeton bei einer Großbrücke zum Einsatz (wir berichteten). Nach Angaben der Stadt Dresden habe sich die Sanierung des Brückenzuges C gerade in der Ausschreibung befunden. Der Baubeginn sollte im Januar 2025 sein. Die letzte grundhafte Instandsetzung aller Brückenzüge sei in den Jahren von 1992 bis 1996 erfolgt. Einen Chloridentzug habe man im Jahr 2000 durchgeführt. 2006/2007 seien sämtliche Brückenlager ausgetauscht worden.

Die Ursachen für den Einsturz werden derzeit untersucht. Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert wird eine unabhängige Fachprüfung anordnen, teilte die Stadt mit.

VDI mahnt regelmäßige Bauwerksprüfungen an

Der VDI betont aus aktuellem Anlass die Bedeutung regelmäßiger Bauwerksüberprüfungen nach den Anerkannten Regeln der Technik. So weist Frank Jansen, Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, darauf hin, dass regelmäßige Überprüfungen von Bauwerken gemäß DIN 1076 für Ingenieurbauten und VDI 6200 für andere Bauwerke eine entscheidende Rolle dabei spielen können, gravierende Schäden frühzeitig zu erkennen. Der Experte unterstreicht die Wichtigkeit solcher Inspektionen, um gefährliche Vorfälle zu verhindern. Dabei gibt die VDI-Richtlinie 6200 Beurteilungs- und Bewertungskriterien, bewährte Checklisten, Handlungsanleitungen und Empfehlungen zur Beurteilung der Standsicherheit baulicher Anlagen und zu ihrer Instandhaltung sowohl für Bestands- als auch für Neubauten. Die Richtlinie stuft die Bauwerke in eine Schadensfolgeklasse und in eine Robustheitsklasse ein. Abhängig von Schadensfolgeklasse, statisch-konstruktiven Merkmalen, Baustoffeigenschaften und Einwirkungen gibt sie Überprüfungsmethoden und -verfahren an und empfiehlt Überprüfungsintervalle.

Marode Brückeninfrastruktur

Die insgesamt 130 000 Brücken in Deutschland, 40 000 davon im deutschen Fernstraßennetz, werden regelmäßig geprüft. Vielerorts ist aufgrund des steigenden Schwerlastverkehrs vorzeitige Materialermüdung festzustellen. So sind mehr als 4 000 Brücken allein auf deutschen Autobahnen und Fernstraßen in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Der Bauingenieur hat sich dem brandaktuellen Thema angenommen und ein WebPanel sowie eine Brückenexkursion zur Rheinbrücke Krefeld-Ürdingen durchgeführt. Außerdem berichten und publizieren wir wissenschaftliche Aufsätze rund um das Thema Brückenbau und -sanierung.

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Von Von Stadt Dresden / Tagesspiegel / Süddeutsche Zeitung / VDI-Fachbereich Bautechnik / Melanie Schulz