Glasbau-Statik als Künstler-Hommage
Ein 12 Meter hoher Glaswürfel für ein internationales Kunstmuseum mit einer aus Glasscheiben zusammengesetzten, filigranen Glasskulptur im Inneren waren eine konstruktive Herausforderungen, der sich ein deutscher Glasbau-Spezialist stellte.
Wenn das künstlerische Werk eines Bildhauers unter Tage gezeigt wird, braucht es einen umso stärkeren oberirdischen Ankerpunkt. Mit dieser Idee entstand der zwölf Meter hohe Kubus über dem neuen „Brâncusi-Museum“ in Craiova, das sich dem Werk des Constantin Brâncusi widmet. Der rumänische Bildhauer lebte ab 1904 in Paris und zählt zu den prägenden Avantgardisten der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts.
Gebäudehohe Gläser, filigraner Innenbau
Der imposante Ganzglas-Bau ist die weit sichtbare Hommage an den Künstler. Mit den gebäudehohen Gläsern ist die Hülle dabei genauso beeindruckend, wie der filigrane, ebenfalls aus Glas geschaffene und skulptural wirkende Innenbau, der einem typischen Brâncusi-Werk nachempfunden ist – dem mythischen Vogel Măiastra.
Craiova, sechstgrößte Stadt Rumäniens (rund 260.000 Einwohner), ehrt einen ihrer berühmtesten Künstler, mit dem „Constantin Brâncusi International Art Center“ im städtischen Kunstmuseum. Um die Ausstellungsfläche dafür angemessen zu erweitern, ohne den Altbau als Solitär zu verändern, wuchs das Museum nach unten und erhielt einen unterirdischen Flügel.
Oberirdisch kommt ein Kunstwerk hinzu: Ein Glaspavillon als Werk zwischen Architektur und Bildhauerei, eine „Op-Art“ wie eine optische Täuschung verschiedener Formen, wie sie typisch ist für das Werk von Brâncusi, ein Glaskubus, in dem ein ovales, fusiformes Volumen scheint und schimmert. So wird das Bau-Kunst-Werk zur Referenz für ein Projekt, das Brâncusi nicht mehr realisierte: den Tempel von Indore.
Glaslamellen schaffen eiförmigen Raum
Beeindruckend sind die Glasscheiben, zwölf mal drei Meter groß, die das Volumen mit quadratischem Grundriss bilden. Innen schaffen horizontal angeordnete Glaslamellen den eiförmigen Raum, der die Skulptur als Silhouette andeutet, eine Skulptur im Sinne des Schaffens von Brâncusi.
Hier wartet ein völlig eigenständiges Raumerlebnis: Aus dem Untergeschoss fährt ein gläserner Aufzug – mit nur einer einzelnen Person – in die Mitte des Pavillons. Diese Person kann nun in den wenigen Sekunden der Auffahrt in die Welt von Brâncusi eintauchen und erfahren, was der Künstler durch sein Werk vermitteln wollte: Erhabenheit, Frieden und Licht des Geistes.
Glas und Gestaltung als größte Herausforderungen
Die größten Herausforderungen bei diesem Projekt lagen im Glas und seiner Gestaltung. „Als ich mit dem Projekt begann, gab es noch keine Gläser über neun Meter“, erinnert sich Architekt Dorin Stefan. Er plante also mit zwei Scheiben, um auf zwölf Meter Höhe zu kommen. Eine Verzögerung bei der Ausführung brachte den Vorteil, dass sich schließlich über 12,5 Meter lange Gläser aus einem Stück einsetzen ließen, die das Unternehmen Sedak in Gersthofen gefertigt hat.
Weitere Herausforderung sei es gewesen, einen Spezialisten für die statische Gestaltung eines solchen Glasobjekts zu finden, betont der Architekt. Wolfgang Kahlert, Sachverständiger für Glasbau (öffentlich bestellt und vereidigt durch die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen) und Geschäftsführer der GSK – Glas Statik Konstruktion in Dülmen, hat diese Aufgabe schließlich übernommen und berichtet zusammen mit Kollegen in der Ausgabe 04|2022 des Bauingenieur über seine Arbeit.
Eine Besonderheit an dem Projekt ist auch der Aufzug, der Besucher von unten in das Innere des Glas-Eies befördert. Der rumänischen Hersteller Elmas wurde für den Aufzug international ausgezeichnet. Die Verbindung mit dem Untergeschoss wirft allerdings auch bauphysikalische Herausforderungen für den Glaskubus auf, über die in der Ausgabe 04|2022 des Bauingenieur berichtet wird.
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