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Bauprojekte ohne bundesweite Aufmerksamkeit 17.06.2020, 10:11 Uhr

Großbauprojekte wie Stuttgart21, BER – diese Großbaustellen sind noch spannender

Die Bauarbeiten und Kostenexplosionen am BER und Stuttgart21 sorgen für viel Kritik und Spott. Doch neben diesen Großbaustellen gibt es zahlreiche Bauprojekte, die ohne bundesweite Aufmerksamkeit entstehen. Wir stellen fünf spannende Projekte vor, an denen derzeit noch gebaut wird.

Die Schleuse in Brunsbüttel wird um eine fünfte Kammer erweitert. Foto: panthermedia.net/Sabine Reimann

Die Schleuse in Brunsbüttel wird um eine fünfte Kammer erweitert.

Foto: panthermedia.net/Sabine Reimann

In Deutschland wird viel gebaut und saniert. Und einige Baustellen sind dabei größer als andere. Als Straßenbauprojekte, Bahnprojekte oder Flughafenausbau sorgen sie dafür, dass der Verkehr in Deutschland nicht ins Stocken gerät. Bauprojekte rund um Kraftwerke und Co. helfen, das die Energieversorgung aufrecht bleibt. Und damit die Lehre und Forschung mit dem Ausland mithalten kann, werden die Universitäten und Forschungseinrichtungen erweitert und modernisiert. Fünf Projekte bekommen von uns hier Aufmerksamkeit geschenkt. Diese fünf Projekte stehen mit ihrem Investitionsvolumen gleich hinter dem Frankfurter Flughafen, Stuttgart 21, dem BER und Datteln IV.

Erweiterung der Schleusenkammer Brunsbüttel

Auf dem Nord-Ostsee-Kanal transportieren riesige Containerschiffe die Güter von der Nordsee in die Ostsee – und anders herum. Damit die Schiffe von der Elbe in den Kanal einfahren und ausfahren können, werden sie in der Schleuse Brunsbüttel gehoben und gesenkt. Um die Kapazitäten der Schleuse zu steigern, wird derzeit eine fünfte Schleusenkammer gebaut. Sie entsteht auf der sogenannten Schleuseninsel zwischen den beiden bestehenden Schleusen. Bevor hier jedoch der Bau beginnen konnte, musste das Baufeld vorbereitet werden. Auf der Schleuseninsel lag die gesamte Steuerungstechnik und Energieversorgung der Schleuse. Sämtliche Leitungen mussten in ein neues Betriebsgebäude verlegt werden. Dazu kam ein neuer Versorgungstunnel quer unter der Schleusenanlage. Der Vorhafen musste durch die Verlängerung der Mole 2 angepasst werden. 1,6 Millionen Kubikmeter Bodenaushub mussten für die Kammer und die Neugestaltung des Vorhafens ausgehoben werden und wurden auf das neue Bodenlager im Dyhrssenmoor gebracht.

Erst nach den Vorarbeiten wurde mit dem Bau der Schleusenkammer begonnen. Diese wird in Spundbauweise errichtet. Hierzu wurde ein Stahlbetonüberbau auf Bohrpfählen gegründet. Aus Stahlbeton entstehen dann die beiden Schleusenhäupter. Der Boden der Schleuse, die Kammersohle, als mit Pfählen rückverankerte Unterwasserbetonsohle ausgebildet. Damit die Schleusenkammer gegen Erddruck und Auftrieb gesichert ist, werden etwa 2.000 Düsenstrahlpfähle eingesetzt. Zur Schleuse gehören auch Tore. Diese werden in Sektionsbauweise in Deutschland gefertigt. Ist die Endmontage der Schleusentore abgeschlossen, gelangen sie per Schiff nach Brunsbüttel. Das Ende der Bauarbeiten ist für 2026 geplant und soll 862 Millionen Euro kosten. Wenn die Schiffe die 5. Schleusenkammer nutzen, werden die bestehenden großen Schleusenkammern saniert.

Ein Abwasserkanal für das Ruhrgebiet

Für die Industrie im Ruhrgebiet war die Emscher der ideale Fluss, um die Abwässer zur entsorgen. Zechen, Kokereien und Stahlwerke sind in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen und der Fluss wird nach dem Masterplan von 2006 renaturiert. Damit der Fluss wieder ein natürliches Erscheinungsbild erhält, muss das Abwasser aus dem Einzugsgebiet geregelt abgeführt werden. Hierfür entsteht der Abwasserkanal Emscher. Parallel zur Emscher wird aus Stahlbeton-Rohrsegmenten der neue Abwasserkanal errichtet. Auf einer Gesamtlänge von 51 Kilometern verbinden die Rohre die Kläranlage Dortmund-Deusen und die Emschermündung bei Dinslaken. Verlegt werden die Rohre mit einem Innendurchmesser von 1,4 bis 2,8 Metern in einer Tiefe von 8 bis 40 Metern unter der Erdoberfläche. Zum Teil wird der Abwasserkanal als Zweirohrstrecke ausgeführt.

Damit das Wasser fließen kann, wird das natürliche Gefälle ausgenutzt. Dieses beträgt im Durchschnitt 1,5 Meter pro Kilometer. Damit soll das Abwasser eine Fließgeschwindigkeit von 4 km/h aufnehmen können. An manchen Stellen reicht das natürliche Gefälle aber nicht aus. Hier unterstützen Pumpwerke die Anhebung des Wassers, damit es weiter fließen kann. Um den unterirdischen Rohrvortrieb ausführen zu können, werden circa alle 800 Meter ein Schachtbauwerk errichtet. Über die gesamte Länge sind das über 100 Schachtbauwerke. Ist der Rohrvortrieb abgeschlossen werden über diese Schachtbauwerke Wartungsroboter eingesetzt. 2021 soll das gesamte System in Betrieb genommen werden. Die Kosten für das Projekt rund um die Emscher sind mit 906 Millionen Euro geplant.

Das Hauptgebäude der Universität Bielefeld wird saniert.

Foto: BLB NRW

Neues Lernen und Forschen an der Uni Bielefeld

Das Hauptgebäude der Universität Bielefeld ist das größte zusammenhängende Universitätsgebäude in Deutschland. Seit 1969 sind hier viele Funktionen auf einer Nutzungsfläche von 154.000 Quadratmetern zusammengebracht. Doch in vielen Bereichen ist das Gebäude nicht mehr zeitgemäß, vor allem beim Brandschutz und der Energieeffizienz. Zudem kommt eine Schadstoffbelastung, die entfernt werden musste. Aus diesem Grund entschied sich der Eigentümer, der BLB NRW, das Gebäude zu sanieren und zu modernisieren. Gerechnet wird mit einer Investition von 800 Millionen Euro. Damit der Unibetrieb nicht zum Stillstand kommt, wird die Sanierung des Gebäudes in sechs Bauabschnitte aufgeteilt. Im ersten Bauabschnitt wurden Gebäudeteile mit Lärm- und Staubschutzwänden vom übrigen Gebäude getrennt. Dann konnte die Entkernung und Schadstoffsanierung des Audimax beginnen. Damit die Uni einen neuen Eingangsbereich mit einem großen Vorplatz erhält, begannen die Abbruchabrieten der ehemaligen Mensa. Sind die Arbeiten im vollem Gang und schon fast ausgeführt werden XXL-Kräne montiert, um die Fassadenplatten am Gebäude zu demontieren. Erst dann können die Bauarbeiten für den neuen Eingang der Uni beginnen. Der 1. Bauabschnitt soll bis 2023 fertiggestellt werden.

Neue Bahnstrecke Nürnberg-Berlin durch Ostdeutschland

Nicht nur im Süden von Deutschland wird mit Stuttgart 21 an einer wichtigen Bahnstrecke gebaut. Auch im Osten ist die Deutsche Bahn tätig. Die Strecke Nürnberg – Berlin zählt zum Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8 (VDE 8). Die Züge fahren auf dieser Hochgeschwindigkeitsstrecke bereits. Doch noch sind nicht alle Modernisierungen abgeschlossen. Hierzu zählt auch das Verkehrskreuz Halle an der Saale. Das Ziel ist es dieses Kreuz an das VDE 8 anzubinden. Hier wurden 50 Kilometer Gleise, 200 Weichen und neun Brücken gebaut. Zu dem Projekt hört auch der Umbau der Zugbildungsanlage Halle Nord. Hierzu wurden die Gleise und die technischen Anlagen erneuert. Seit die Anlage 2018 in Betrieb genommen wurde, zählt sie zu den modernsten Anlagen in Europa. Damit die Züge auch in Halle an der Saale halten können, wurden am Hauptbahnhof die Bahnsteige modernisiert: Die Gleis- und Oberleitungsarbeiten mussten ausgeführt werden, damit die neuen Gleise mit den Alten Verbunden wurden. Bis 2021 wird hier noch am Bahnhof gearbeitet. Bis 2021 wird zudem die Südwesteinfahrt Halle-Rosengarten modernisiert. In diesem Abschnitt findet der Neubau der Rosengarten- und der Argentinierbrücke über die Merseburger Straße statt. Zudem wird eine Fuß- und Radwegbrücke gebaut. Für die Modernisierung des Bahnhofs und die Arbeiten zur Einbindung in das Gesamtprojekt Nürnberg-Berlin sind Kosten in Höhe von 750 Millionen Euro geplant.

Nicht überall in Karlsruhe konnten die Bauarbeiten für die unterirdische Straßenbahn so gut beobachtet werden.

Foto: panthermedia.net/Helmut Knab

Kombinierte Straßenbahnlösung für Karlsruhe

55,55 Prozent der Karlsruher Bevölkerung war 2002 für die Kombilösung in der Stadt. Diese Lösung sieht die Verlegung der Stadtbahn in ein Tunnelsystem vor. Seitdem wird geplant und gebaut und an einigen Stellen in Karlsruhe kann man das Treiben auf den Baustellen beobachten. Doch viele Abschnitte der Kombilösung werden mit modernster Tunnelbohrtechnik ausführt, sodass nur an manchen Bereichen die Baustellen den oberirdischen Verkehr beeinträchtigen und die Arbeiten ansonsten unbemerkt stattfinden. Es entstehen zwei Tunnelröhren. Eine in Ost-West Richtung und eine in Nord-Süd-Richtung. Unterirdisch werden sieben Haltestellen gebaut, ein Gleisdreieck und drei Rampen. Die Haltestellen sind schmal und niedrig eingeplant, da sie unter dem Straßenköper und nicht unter den meist historischen Häusern liegen. Das Gesamtprojekt ist in einzelne Bauabschnitte eingeteilt. Und mit der Wahl des Bauvorhabens hat die Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft versucht, die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. An der Kaiserstraße kam der Schildvortrieb zum Einsatz. Ein rotierendes Schneidrad mit einem Durchmesser von 9,30 Metern wurde dabei unterirdisch durch das Erdreich geschoben. Hinter dem Bohrkopf wurden die Tunnelringsegmente aus Stahlbeton gesetzt. Für die Rampen und Haltestellen kam die Deckelbauweise zum Einsatz. Dabei wurden Bohrpfahlwände von oben im Boden versenkt.

Für den Betondeckel, der auf den Wänden ruht, wurde die Straße teilweise geöffnet. Unter dem Deckel erfolgte der weitere Aushub. Der Südabzweig des Stadtbahntunnels ist recht kurz. Aus diesem Grund haben sich die Planer bei diesem Abschnitt für das klassische bergmännische Verfahren entschieden. Für den Tunnelbau mussten hier aufwendigen Bodenvorbereitungen stattfinden. Diese Arbeiten und die Bagger- und Bohrarbeiten führten zwischen Marktplatz und Ettlinger Tor zu größeren Beeinträchtigungen. Der Rest des Stadtbahntunnels wurde mithilfe von offenen Baugruben fertiggestellt. Die geringe Tiefe in diesem Bereich ließ keine andere Bauweise zu. Die Verlegung der Straßenbahn beutet für Karlsruhe aber nicht nur Baustellen. Seit 2020 sollen stückweise die 900 Millionen Euro teuren Strecken in Betrieb gehen. Sie werden dann mehr Fahrgäste von A nach B bringen können und die Fußgängerzone ist frei vom Bahnverkehr.

Von Heike van Ooyen