Mikro-Tunnelvortrieb im Frostkörper
Eine Baugrundvereisung bildete die Lösung zur Herstellung einer Verbindung zwischen der vorhandenen Schachtanlage und dem neu errichteten Pumpspeicherwerk in Bottrop im Rahmen der Renaturierung der Emscher.
Im Rahmen der Renaturierung der Emscher sollte auf dem Gelände der Kläranlage Bottrop auf einer Tiefe von circa 17 Meter mit Rohrvortrieb DN 1800 eine Verbindung zwischen der vorhandenen Schachtanlage und dem neu errichteten Pumpspeicherwerk hergestellt werden. Das Problem: Aufgrund ungeklärter Kampfmittel-Lage, schwieriger Geologie und kontaminierter Klärschlämme schied das klassische Soilcrete-Düsenstrahlverfahren aus. Deshalb entwickelte Keller Grundbau hier eine geeignete Lösung: eine Baugrundvereisung – also ein geschlossener Frostkörper mit abdichtender und statischer Funktion.
Um die Schlitzwand der vorhandenen Schachtanlage in circa 17 Metern Tiefe mit der Tunnelvortriebsmaschine (TVM) durchfahren zu können, ist ein außen an der Schlitzwand anliegender Dichtblock erforderlich. Er dichtet zum einen die Schlitzwand gegen den Wasserdruck des anstehenden Grundwassers ab, trägt zum anderen die Lasten des anstehenden Erddrucks ab.
Der Dichtblock mit Baugrundvereisung funktioniert folgendermaßen: Tiefkalter Stickstoff von minus 196 Grad Celsius wird über Gefrierrohre aus Kupfer in den Boden gepumpt, dem Boden wird so die Wärme entzogen. Durch ein Leitungssystem wird der flüssige Stickstoff aus einem Vorratstank bis zum Bohrlochtiefsten eingeleitet. Die Temperatur des austretenden Stickstoffgases wird gemessen und so die gesamte Einspeisung und damit der Gefriervorgang gesteuert. Im Bereich der TVM muss die Temperatur bei 9 – 20 °C liegen, damit der Bentonit-Spülkreislauf nicht gefriert und der Vortrieb gewährleistet ist. Zu hoch darf die Temperatur nicht sein, damit die Festigkeit garantiert werden kann.
Enges Raster – hohe Präzision der Vereisung
Um einen homogenen Frostkörper von circa 5 m x 10 m auf einer Tiefe von circa 27 Metern bis 29 Meter unter GOK zu erreichen, war ein enges Raster von 54 vertikal in den Baugrund eingebrachten Gefrierrohren erforderlich. Zudem wurden zur Echtzeit-Überwachung der Frostkörpertemperatur drei vertikale Temperaturmesslangen mit einer Länge bis zu 29 Metern und fünf horizontale Temperaturmesslanzen in die Schlitzwand im Vortriebsbereich eingebaut. Die erhobenen Daten standen allen Beteiligten per Online-Übertrag zur Verfügung.
Eine besondere Herausforderung stellte die fehlende Kampfmittel-Freigabe dar. Deshalb erfolgten zunächst Tastbohrungen bis zur Unterkante Gefährdungsband mit geringen Bordurchmesser und unter messtechnischer Begleitung. Nach erfolgtem Abtasten wurde dann die Folgebohrung bis auf die Endteufe ausgeführt. Aufgrund des engen Bohrrasters und des notwendigen dichten Anschlusses an die Schlitzwand war höchste Präzision erforderlich: Nur 8 1 % durfte die Abweichungen bei den Bohrungen betragen. In die Bohrungen wurden dann die Gefrierrohe eingebaut und durch einen adaptierten Verpressmantel fixiert.
Herausforderungen im Bereich der TVM
Im Durchfahrtsbereich der TVM mussten die Gefrierrohre aus Kupfer rückbaubar sein. Deshalb mussten zunächst Kunststoff-Hüllrohre eingebaut werden. Kurz vor der Durchfahrt der TVM wurden die Gefrierrohre dann aus den Kunststoff-Hüllrohren gezogen, die Hohlrohre selbst wurde von der TVM problemlos zerspant.
Nachdem dann alle Gefrierrohre eingebracht waren, erfolgte die Dichtigkeits- und Funktionsprüfung des gesamten Systems. Erst danach konnte mit den weiteren Arbeiten begonnen werden. Das Aufgefrieren des Frostkörpers ging durch den hohen Energieeintrag des tiefkalten Stickstoffs relativ rasch, danach konnte auf Haltebetrieb umgestellt und mit dem Öffnen der Schlitzwand begonnen werden.
Bodenarten reagierten unterschiedlich auf Gefrierung
Bei den Vortriebsarbeiten stellte sich dann – wie erwartet und vorberechnet– heraus, dass die verschiedenen Bodenschichten wie Sand, Klärschlamm und Mergel unterschiedlich auf die Gefrierung reagiert hatten. Deshalb waren Feinjustierungen an den Frostkörper-Temperaturen je Bodenschicht erforderlich, um einen reibungslosen Vortrieb zu ermöglichen.
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