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Küstrin-Kietz 16.08.2024, 00:00 Uhr

Oderbrücke freigegeben

In der Nähe von Küstrin-Kietz wurde jetzt eine neue Eisenbahnbrücke – die weltweit erste Bahnbrücke mit Carbon-Hängern – eröffnet.

Die Verwendung von Carbonfasern in der tragenden Struktur ist nach Angaben der ausführenden Ingenieure schlaich bergermann partner eine Weltneuheit Foto: Wilfried Dechau

Die Verwendung von Carbonfasern in der tragenden Struktur ist nach Angaben der ausführenden Ingenieure schlaich bergermann partner eine Weltneuheit

Foto: Wilfried Dechau

Die neue Oderbrücke bei Küstrin-Kietz wurde in einer feierlichen Zeremonie offiziell eröffnet. Unter den geladenen Gästen waren Michael Theurer, Bundesbeauftragter für den Schienenverkehr, Piotr Malepszak, Staatssekretär im polnischen Infrastrukturministerium und Dr. Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Sie alle feierten gemeinsam das Bauwerk als ein Symbol für das Zusammenwachsen Europas und den Brückenschlag zwischen den beiden Ländern. Die innovative Netzwerkbogenbrücke beeindruckt durch die vom Büro schlaich bergermann partner erarbeitete Konstruktion: ein leichtes und materialsparendes Hängernetz aus Carbonzugelementen.

Eine filigrane Netzwerkbogenbrücke überspannt den Grenzfluss

Das Gestaltungskonzept für den Ersatzneubau geht aus einem zweistufigen Realisierungswettbewerb hervor, den Schüßler-Plan und Knight Architects mit ihrem Siegerentwurf für zwei schlanke, elegante Brückenbauwerke für sich entscheiden konnten. Die 266 Meter lange Hauptbrücke mit 130 Meter langem strahlenden Netzwerkbogen über die Oder ersetzt eine baufällige, eingleisige Fachwerkträgerbrücke aus dem Jahr 1926. Der Bogenscheitel oberhalb der Landesgrenze fungiert als Landmarke und unterstreicht die Bedeutung des Ortes. Das Ergebnis ist eine filigrane Netzwerkbogenbrücke, die den Grenzfluss als gestalterische Einheit überspannt und sich durch ausgeformte Querschnittsübergänge an den Bogenfußpunkten in den Brückenzug einfügt. Auf der polnischen Seite schließt sich durchlaufend eine dreifeldrige Vorlandbrücke an. Zum Projekt gehört auch der Ersatzneubau der 176 Meter langen Brücke über die Odervorflut und die Erneuerung der Gleisanlage auf dem Streckenabschnitt mit einer Länge von 1250 Metern.

Ein Tragwerk aus Carbonseilen ermöglicht leichtere Konstruktion

Die Generalplanungsleistungen für das komplexe Projekt wurden durch Schüßler-Plan erbracht, während das gestalterische Konzept bis zur Genehmigungsplanung von Knight Architects weiterentwickelt wurde. Das zur Ausführung kommende Tragwerk der Strombrücke wurde von sbp geplant und orientiert sich eng am Gestaltungskonzept des Wettbewerbsgewinners. Statt der ursprünglich vorgesehenen Flachstahlhänger wurden jedoch Carbonseile mit einem Durchmesser von 50 Millimetern eingesetzt. Dadurch konnte das Gewicht der Konstruktion deutlich reduziert und Stahl und Beton im Deck eingespart werden. Das Bauwerk gilt als weltweit erste und bislang einzige Eisenbahnbrücke, bei der für maßgebliche Tragelemente der Hochleistungswerkstoff Carbon zum Einsatz kommt. Dass diese Lösung nach eingehender technischer Prüfung im Rahmen eines Gutachterverfahrens mit Zustimmung im Einzelfall (ZiE) umgesetzt wurde, ist ein Bekenntnis zu technischer Innovation.

Ein beeindruckendes Beispiel innovativer Ingenieurskunst

Andreas Keil, Board Member der sbp SE, betont: „Wir sind stolz darauf, dass wir den Bauherrn von unserer technischen Alternativlösung eines Netzwerkbogens mit Carbonhängern überzeugen konnten. Damit symbolisiert die Oderbrücke ein beeindruckendes Beispiel für innovative Ingenieurskunst und schlägt ein neues Kapitel im Brückenbau auf.“ Es ist bereits das zweite Brückenbauwerk von sbp, bei dem Carbonhänger für den Überbau eingesetzt werden. Schon bei der mit dem Deutschen Ingenieurbaupreis ausgezeichneten Stadtbahnbrücke in Stuttgart kamen Hängerseile aus Carbon zur Anwendung.

Teil in einem komplexen Gesamtprojekt

André Hörmeyer, Geschäftsführer der Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft in Berlin, kommentiert: „Die Inbetriebnahme der Eisenbahnüberführungen über die Oder und die Odervorflut markiert den Abschluss eines technisch herausragenden und komplexen Gesamtprojektes. Dank der beeindruckenden Teamleistung aller Beteiligten und der ausgezeichneten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit konnte dieses anspruchsvolle Vorhaben realisiert werden. Es erfüllt uns mit Stolz dieses imposante Projekt über die gesamte Laufzeit vom Wettbewerb bis hin zum erfolgreichen Abschluss begleitet zu haben.“

Ermöglicht durch eine wertschätzende Zusammenarbeit

„Es war ein Stück Weg von einer guten Idee über eine mutige Entscheidung bis hin zu einer neuartigen Tragwerkslösung, über die nun Züge fahren. Besonders freut mich, dass sich im Laufe unserer gemeinsamen Bemühungen die anfängliche Skepsis in eine wertschätzende Zusammenarbeit mit vielen Beteiligten gewandelt hat“, fasst Lorenz Haspel, Director für Forschung und Entwicklung bei sbp rückblickend zusammen.

Eine Eisenbahnbrücke mit strahlendem Netzwerkbogen überspannt die Oder, das Hängenetz selbst besesteht aus Carbonzugelementen.

Foto: Wilfried Dechau

Das Ergebnis: Wunderschöne Strukturen

Bart Halaczek, Direktor bei Knight Architects und Entwurfsverfasser (Architektur), sagt: „Der Bahnübergang Küstrin-Kietz wird eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Verkehrsverbindungen zwischen Polen und Deutschland spielen. Unser Konzept lieferte eine einfache, klare und elegante Designlösung, die die Komplexität eines großen Eisenbahnentwicklungsprojekts auf ein einziges Objekt mit leistungsstarker, symbolischer Bedeutung und wir begrüßen die Beharrlichkeit, mit der der Kunde und die Ingenieure die ursprüngliche Designabsicht beibehalten haben. Die Verwendung von Carbonfasern in der tragenden Struktur ist eine Weltneuheit und zeigt, wie großartiges Design und Innovation Hand in Hand gehen können, um wunderschöne Strukturen zu schaffen Menschen verbinden und Gemeinschaften bereichern.“

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Von Von schlaich bergermann partner / Melanie Schulz