Remstal und Stuttgart-Rot erhalten IBA’27-Projekte
Die Internationale Bauausstellung 2027 hat weitere Vorhaben offiziell ernannt. Unterdessen wurde auch der europaweite Realisierungswettbewerb für ein Gemeinschaftshaus entschieden, das künftig ein IBAʼ27-Quartiersprojekt mit dem Ortskern verbindet. Die Wahl fiel auf einen mutigen Entwurf, der ein bis zu 12 Meter hohes Gebäude als Lärmschutzriegel vorsieht.
Neu im Programm bei der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) sind zwei große Quartiersprojekte:
- In Kernen im Remstal entsteht auf dem Areal Hangweide ein inklusives Modellquartier als „urbanes Dorf“ für mehr als 1.000 Menschen.
- Und im Stuttgarter Stadtteil Rot entwickeln zwei Baugenossenschaften ein dichtes und sozial durchmischtes Quartier mit verschiedensten Wohnformen.
Für beide Vorhaben haben die Projektträger in intensiver Zusammenarbeit mit dem Team der IBA’27 die Qualitäten nun so weit geschärft, dass sie großes Potenzial als wegweisende Ausstellungsorte für das IBA-Präsentationsjahr 2027 haben. Dies bestätigten das international besetzte Kuratorium sowie der Aufsichtsrat der IBA’27 GmbH, der die Aufnahme als Projekte besiegelte. Damit gibt es nun insgesamt 16 offizielle IBA’27-Projekte.
„Das Quartier in Rot und die Hangweide bereichern mit ihren sehr spezifischen Qualitäten unser Projektportfolio, mit dem wir bis 2027 eine Ausstellung entwickeln, die international beachtet werden soll“, so IBA’27-Intendant Andreas Hofer. „Im Kern geht es um die Frage: Wie wollen wir als urbane Gesellschaft im 21. Jahrhundert zusammenleben?“
Ein urbanes Dorf für Kernen im Remstal
Auf der Hangweide, einem etwa acht Hektar großen Areal einer ehemaligen Einrichtung der Diakonie Stetten in Kernen im Remstal, entwickelt eine Projektgemeinschaft ein neues Quartier für mehr als 1.000 Menschen. Nach einer umfassenden Bürgerbeteiligung hat die Projektgemeinschaft zusammen mit der IBA’27 einen Städtebauwettbewerb durchgeführt, den im Herbst 2020 das Stuttgarter Büro UTA Architekten und Stadtplaner zusammen mit Sima | Breer Landschaftsarchitektur aus Winterthur für sich entschieden haben.
Das Konzept sieht als Leitbild ein dicht bebautes „urbanes Dorf“ vor: eine Kombination aus städtischem und dörflichem Leben mit unterschiedlichen Wohnformen und Eigentumsverhältnissen. Das Leitbild selbst baut auf zwei Säulen auf: dem Städtebau mit klassischen Elementen eines Dorfes, verknüpft mit einer modernen Quartiers-Organisationsstruktur.
Ziel ist es, ein Modell für ein neues solidarisches und gemeinschaftliches Zusammenleben im urbanen Raum zu entwickeln. Hinzu kommen Flächen für Nahversorgung, Gewerbe und Gemeinschaftseinrichtungen, eingebettet in großzügige öffentliche Freibereiche. Das Thema Inklusion aus der Geschichte der Hangweide soll verbunden werden mit der aktiven Förderung von Gemeinschaft.
Eine als Genossenschaft organisierte „Quartiersmeisterei“ soll sich um die Organisation und den Betrieb der neuen Dorfgemeinschaft kümmern. Hinzu kommt ein ambitioniertes Konzept für das Energie-, Mobilitäts- und Wassermanagement.
„Das Motiv des urbanen Dorfes versöhnt die ländlichen Wurzeln des Remstals mit den städtischen Qualitäten des Großraums Stuttgart“, sagt Hofer. „Die Projektträger haben zudem erkannt, dass ein Quartier dieser Größe ein gutes Betriebssystem braucht und die Idee der Quartiersgenossenschaft entwickelt. Das alles macht die Hangweide zu einem Pionierprojekt, das zum Vorbild für viele Kommunen in Baden-Württemberg und drüber hinaus werden kann.“
Erneuerung von Wohngenossenschaften in Stuttgart-Rot
Im Norden Stuttgarts sollen von 2024 an auf einem rund zwei Hektar großen Areal innerhalb einer bestehenden Siedlung aus den 1950er-Jahren bis zu 280 Wohneinheiten entstehen. Die zwei Projektträgerinnen Neues Heim – Die Baugenossenschaft eG und Baugenossenschaft Zuffenhausen eG (BGZ) haben dazu in Kooperation mit der IBA’27 einen städtebaulichen Realisierungswettbewerb ausgeschrieben, der international auf große Resonanz gestoßen war: Mehr als 100 Büros aus aller Welt hatten sich für eine Teilnahme beworben.
Der erstplatzierte Entwurf des Architekturbüros ISSS Research Architecture Urbanism aus Berlin zusammen mit topo*grafik aus Marseille sieht zehn große Gebäude vor, die sich um ein Netz von kleinen Plätzen und eine zentrale „Gemeinschaftswiese“ gruppieren. Die Erdgeschosse bieten Raum für Gewerbe und gemeinschaftliche Einrichtungen, darüber sind unterschiedlichste Wohnungstypen vorgesehen. Das Konzept sieht außerdem vor, die Häuser in Holzhybrid-Bauweise zu bauen und das Quartier lokal und nachhaltig mit Energie zu versorgen.
Mit der Neubebauung im Stuttgarter Stadtteil Rot soll eine Quartiersentwicklung vorangetrieben werden, die generationengerechtes Wohnen auch für Menschen mit Einschränkungen und Pflegebedarf ermöglicht. Um die dort lebenden Menschen in die weiteren Planungen einzubinden, wurde mit Förderung des Landes Baden-Württemberg mitten im Quartier schon jetzt eine „Laborbühne“ errichtet. Hier soll es Veranstaltungen und Aktionen zu Themen wie bezahlbarer Wohnraum, Zusammenleben in Gemeinschaft sowie Beteiligung und Teilhabe geben.
Bernd Heinl, Technischer Leiter der BGZ, sagt: „Die Auszeichnung als IBA’27-Projekt bedeutet für uns Anerkennung für unsere ambitionierten Ziele, ein bestehendes Nachkriegsquartier aus den 1950er-Jahren nicht nur einfach zu erneuern, sondern mit hoher architektonischer Qualität und Vielfalt, unterschiedlichen Wohnformen, Einbindung sozialer Einrichtungen, dem hohen Aufenthaltscharakter der Freiflächen, einem zukunftsweisenden Energie- und Mobilitätskonzept und vielem mehr neu zu erfinden.“
„Das Projekt in Rot zeigt exemplarisch, wie mit vorbildlichen Prozessen Wohnungsbestände aus den 1950er- und 1960er-Jahren sozial verantwortungsbewusst und mit Blick auf den Klimawandel ergänzt und erneuert werden können“, so Hofer. „Große Bestandshalter haben den Vorteil, dass sie ganzheitliche Strategien entwickeln können, die Erneuerung zulassen und gleichzeitig günstigen Wohnraum schützen. Der Entscheid für einen Teilabriss wurde dabei sorgfältig abgewogen. Mittelfristig entsteht mehr und vielfältigerer Wohnraum.“
Städtebau-Wettbewerb: Gemeinschaftshaus für Salach
Der europaweite Realisierungswettbewerb für ein Gemeinschaftshaus in Salach im Landkreis Göppingen ist entschieden. Der mutige und selbstbewusste Entwurf von Studio LEK (München) zusammen mit ah Landschaftsarchitekten (Stuttgart) hat die Jury überzeugt. Das Haus verbindet künftig das IBAʼ27-Projekt „Quartier am Mühlkanal“ mit dem Ortskern.
Die Gemeinde Salach plant gemeinsam mit der IBA’27 auf dem Areal der ehemaligen Textilfabrik Schachenmayr ein sozialgerecht durchmischtes und identitätsstiftendes Quartier für rund 800 Bewohnerinnen und Bewohner. Nun wurde der Wettbewerb für ein Gemeinschaftshaus entschieden. Das Haus bildet künftig den Eingang zum Quartier am Mühlkanal. Es bindet das neue Stadtviertel über die Bahnlinie Stuttgart-Ulm an den bestehenden Ortskern an: als integratives Element zwischen Alt und Neu.
28 Büros aus der Schweiz, Deutschland und Österreich nahmen am Wettbewerb teil. Das Preisgericht unter Vorsitz der Architektin Ina Laux kürte die Arbeit von Maximilian Heidecker, Ferdinand Albrecht, Marion Montiel und Johannes Sack (Studio LEK, München) in Zusammenarbeit mit Kerstin Anderson und Fabian Hinterkopf (ah Landschaftsarchitekten, Stuttgart) zum Sieger.
Die Verfasserinnen und Verfasser des Entwurfs sehen auf der ehemaligen Kleingartenanlage „Krautländer“ einen großzügigen Bürgergarten mit einem großen, nach Osten terrassierten Gebäude in Holz-Hybrid-Bauweise vor. Dieses „Terrassenhaus“ beheimatet eine Kindertageseinrichtung sowie Bildungs- und Begegnungsräume. Der öffentliche Bürgergarten bietet der Bevölkerung von Salach künftig eine weitläufige Grünfläche mit einer Pergola, Freiluftbühne und Plätzen zum Picknicken. Beete mit Gemüse, Blumen und Obstgehölzen bilden den Abschluss des Parks und erinnern an die ehemalige Nutzung als Kleingartenanlage.
Salachs Bürgermeister Julian Stipp zeigt sich begeistert von der hohen Qualität der eingereichten Arbeiten. „Der Siegerentwurf besticht mit einer kreativen Gebäudeanordnung, die genug Raum für einen großzügigen offenen Garten lässt und zugleich einen gelungenen Abschluss des Geländes zur Bahnlinie hin herstellt.“
Zwölf Meter hohes Gebäude als Lärmschutz
Als Lärmschutz schlägt das Entwurfsteam entlang der Bahnlinie in Salach ein schmales, bis zu zwölf Meter hohes Gebäude vor. Hier können beispielsweise Proberäume, eine Bürgerküche und Fahrradwerkstätten einziehen. Als multifunktionaler Raum kann das Gebäude nicht nur die Geräusche des Bahnverkehrs abschirmen, sondern auch eine Antwort auf die Nachfrage nach temporären sowie dauerhaften Nutzungen liefern.
„Der Gebäuderiegel zur Bahnlinie ist ein Alleinstellungsmerkmal, das diese Arbeit besonders auszeichnet“ so Hofer. „Den Lärmschutz nicht über eine Mauer zu lösen, sondern über ein Gebäude, das Platz für innovative Nutzungen bietet: Diese kreative und mutige Lösung hat uns in der Jury besonders gut gefallen. Damit kann der Park belebt werden und es entsteht eine wirkliche Verbindung mit dem künftigen Quartier am Mühlkanal.“
Das Preisgericht mit Vertreterinnen und Vertretern aus Fachwelt, Verwaltung, Lokalpolitik sowie von der IBA’27 vergab zudem Preise für die Plätze zwei bis vier. Diese gingen an das Büro Schürmann + Witry Architekten (Zürich) mit Mettler Landschaftsarchitektur (Berlin), larob.studio für architektur Partnerschaft von Architekten mbB (Stuttgart) mit bbz landschaftsarchitekten (Freiburg) sowie Simon Freie Architekten BDA (Stuttgart) mit Blank LandschaftsArchitekten (Stuttgart).
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