Schleuse ist Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst
Die Nordschleuse Bremerhaven wurde als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst ausgezeichnet. Dabei ist sie nicht nur eine innovative und nachhaltige Ingenieurleistung, sondern war auch eine wegweisende Entscheidung für die Hafenstadt.
Eine silberne Maurerkelle nahm die Senatorin für Wissenschaft und Häfen Dr. Claudia Schilling nicht in die Hand, als sie die offizielle Auszeichnungstafel als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst an der Nordschleuse in Bremerhaven enthüllt. Ganz anders wie vor rund 90 Jahren der amtierende Bürgermeister Martin Donandt, der die Kelle für die Grundsteinlegung nutzte. Doch Schilling weiß genau, was die Anlage für die Häfen der Seestadt bedeutet: „Es geht darum, die innovative und nachhaltige Ingenieurleistung hinter dem Bauwerk zu würdigen. Historisch betrachtet steht der Schleusenbau in einer langen Tradition wegweisender Entscheidungen, mit denen bis heute die Wettbewerbsfähigkeit des Hafenstandorts Bremerhaven stetig verbessert wurden“.
Ein Schleusenbau mit baulichen Herausforderungen
„Wir sind sehr stolz darauf, dass das Land Bremen ab heute kein weißer Fleck mehr auf der Karte der Historischen Bauwerke der Ingenieurbaukunst ist. Mit der Nordschleuse und dem zugehörigen Ensemble haben die verantwortlichen Ingenieure sowohl ein Stück Zukunft gestaltet als auch ein Paradebeispiel für die Genialität vergangener Ingenieur-Generationen abgeliefert. Hinsichtlich Funktion und Zuverlässigkeit sowie der Einhaltung von Kosten und Terminen war es ein mustergültiges Vorhaben“, sagt der Präsident der Ingenieurkammer Bremen, der Beratende Ingenieur Torsten Sasse. Mit einem Blick auf die baulichen, logistischen und technischen Herausforderungen des Großprojekts wird deutlich, was Sasse meint. Unter der Leitung des Bremer Wasserbaubeamten Arnold Agatz (1891–1980) entstand von 1927 bis 1931 die Nordschleuse. Ihr Konzept war auf die damaligen großen Schnelldampfer ausgelegt und galt zur Zeit ihrer Erbauung als eine der größten Schleusenanlagen der Welt. Für das Bauprojekt wurden 30 Millionen Reichsmark Baukosten eingesetzt. Heute müssten die Baukosten mit dem Faktor 3,6 multipliziert werden. 2,3 Kilometer Kajenmauern umfasste das Projekt. Die Kajenmauern hatten eine Höhe von 15 bis 19,5 Metern. Zudem gehörten zu dem Bauprojekt massive Schleusenhäuser, zwei Schleusentore und Ersatztor, eine Drehbrücke, Eisenbahn- und Straßenanlagen sowie im Hochbau drei Maschinenhäuser. Heute stehen die Maschinenhäuser unter Denkmalschutz. Für Erkenntnisse über den Baugrund wurden in der Vorbereitungsphase 400 Bohrungen mit einer Tiefe bis zu 50 Metern durchgeführt. Beim Bau wurden dann 26.000 Pfähle, 74.000 Tonnen Zement, 34.000 Tonnen Eisen, zumeist in Form von Spundbohlen in verschiedenen Varianten, 300.000 Kubikmeter Kies und Sand sowie 245.000 Kubikmeter Beton eingesetzt. Daneben waren über drei Millionen Kubikmetern Bodenbewegungen notwendig.
Schleuse mit Zukunft
Von diesen Zahlen ist auch der Präsident der Bundesingenieurkammer Dr. Heinrich Bökamp, beeindruckt: „Es freut mich, dass wir mit der Nordschleuse in Bremerhaven zum 26. Mal ein ‚Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland‘ auszeichnen. Damit schauen wir zum einen zurück, auf die beeindruckenden Ingenieurleistungen von vor über 90 Jahren. Gleichzeitig blicken wir aber auch nach vorn. Denn mit dieser Auszeichnung möchten wir für unseren großartigen Beruf werben und junge Menschen dafür begeistern“. Doch nicht immer sind gute Planung und Durchführung eine Garantie für die Haltbarkeit von Bauwerken. Das hat sich erst am 1. April 2021 wieder gezeigt. An dem Tag riss der Obergurt der Steubenbrücke, die zum Nordschleusen-Ensemble gehörte. Zuverlässig öffnete sich die größte Eisenbahndrehbrücke Deutschlands bis 1.000 im Jahr, doch der Riss verursachte einen Totalschaden. Schon jetzt ist die Brücke demontiert und abtransportiert. Doch für die Schleuse sieht der Geschäftsführer von bremenports noch kein Ende: „Die Nordschleuse hat über die vielen Jahrzehnte ihre beeindruckende Zuverlässigkeit immer wieder unter Beweis gestellt. Ihre historische Baukunst zeigt sich gerade in der nimmermüden Funktionalität, die einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag zu der erfolgreichen Hafenentwicklung leistet.“
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