Wie sich der Gasometer auf dem Euref-Campus in einen Büroturm verwandelt
Ein Bauprojekt als sichtbares Symbol der Energiewende: Der historische Gasometer im Berliner Ortsteil Schöneberg verwandelt sich in einen modernen Büroturm und wird zum neuen Wahrzeichen des Stadtquartiers.
Rund um den stillgelegten Niederdruckgasbehälter auf dem Gelände der ehemaligen städtischen Gaswerke ist seit 2008 ein Büro- und Wissenschaftscampus mit 150 ansässigen Firmen entstanden. Entwickelt wird das Modellquartier für die klimaneutrale Stadt von morgen von der Euref AG (Euref steht für Europäisches Energieforum). Für die Umwidmung wird das denkmalgeschützte Bauwerk innerhalb seines Stahlgerüsts entkernt und neu errichtet.
Zahlreiche denkmalgeschützte Klinker- und Backsteinbauten wurden bereits energieeffizient saniert und durch architektonisch und energetisch modernere Neubauten ergänzt. Mittlerweile arbeiten, forschen und lernen an dem Berliner Zukunftsstandort mehr als 5.000 Menschen zu Energiewirtschaft, Mobilitätswende und Klimaschutz.
Gasometer wird zum neuen Wahrzeichen des Euref-Campus
Als letztes Gebäude wird der Gasometer instandgesetzt. Zwischenzeitlich diente die 78 Meter hohe Stahlkonstruktion des Industriedenkmals als imposante Location für die Talkshows von TV-Moderator Günther Jauch. Jetzt folgt der Ausbau zu einem Büro- und Konferenzzentrum.
Mit einem Respektabstand von einem Meter übernimmt das graue Stahlgerüst dabei die Rolle eines Rahmens für den runden Neubau im Inneren. So bleibt das historische Denkmal erhalten und wird gleichzeitig mit neuem Leben gefüllt. Die Neugestaltung erinnert dabei an den ehemals auf- und abfahrenden Teleskopbehälter innerhalb des Stahlskeletts.
Auf 15 Stockwerken entstehen rund 28.000 Quadratmeter Bürofläche, mit einer Sky-Lounge und öffentlich zugänglicher Dachterrasse in 66 Meter Höhe als Abschluss. Große Glasflächen in der Fassade sorgen für viel Transparenz und Tageslicht im Gebäude. Künftig werden etwa 2.000 Beschäftigte der Deutschen Bahn von hier aus die Digitalisierung der Schiene vorantreiben.
Rohbau und Sanierung gleichzeitig – eine Herausforderung
Der schlüsselfertige Umbau wird vom Bauunternehmen Woff & Müller realisiert, wie bereits zahlreiche andere Gebäude auf dem Euref-Campus. Für Schalung und Gerüst wurden auch beim Gasometer die Ingenieure der Peri-Niederlassung Berlin einbezogen. Eine besondere Herausforderung ergab sich dadurch, dass der Rohbau des Hochhauses und die Instandsetzung der umgebenden historischen Stahlkonstruktion parallel ausgeführt werden sollten – auf engem Raum und weitgehend ohne Beeinträchtigung des Umfelds.
Bereits nach einer Planungszeit von nur drei Monaten begannen im August 2021 die Rohbauarbeiten. Gleichzeitig startete das Bauteam die Sanierung des historischen Stahlgerüsts. Gerade einmal 1,50 Meter betrug der Abstand zwischen der Rohbaukante und der umgebenden Stahlkonstruktion – doch mit dem UP-Gerüstbaukasten von Peri ließ sich ein Gerüst konstruieren, das sich über die gesamte Höhe eng an die Form der runden Stahlkonstruktion anschmiegte.
Gerüst wanderte rund um den Gasometer
Zum Schutz der Umgebung innen und außen vollständig eingehaust, wanderte das Gerüst während der Sanierungsphase im Uhrzeigersinn abschnittsweise rund um den Gasometer. Stahlsegment um Stahlsegment konnte dadurch mithilfe der Sandstrahltechnik entschichtet und mit einem neuen Korrosionsschutz versehen werden, während gleichzeitig die Rohbauarbeiten stattfanden. So blieb das Umfeld bis zum Abschluss der Sanierung weitgehend vor übermäßigem Baulärm und Schmutz verschont.
Nahezu unmerklich – da innerhalb des unteren Stahlrings und teils hinter dem Arbeits- und Schutzgerüst – wuchs parallel der Neubau Stockwerk für Stockwerk in die Höhe. Alle zwei Wochen wurde ein komplettes Regelgeschoss fertiggestellt. Mit dem Wandschalungssystem Maximo und der Deckenschalung Skydeck ließen sich auch die zahlreichen Sichtbetonflächen an Wänden und Decken nach Angaben des Herstellers schnell und professionell realisieren.
Um den Mehrbedarf an Schalungselementen abzudecken, nutzte das Bauunternehmen die Möglichkeit, Kauf- und Mietelemente miteinander zu kombinieren. Im Schutz der umgebenden RCS-Kletterschutzwand konnte so in jeder Höhe am Rohbau laut Hersteller witterungsgeschützt, sicher und zügig gearbeitet werden. Dabei halfen die einseitige Ankertechnik der Maximo-Wandschalung und das Skydeck-Deckenschalungssystem.
Früher fertig als geplant
Im Ergebnis wurde der Rohbau im November 2022 sogar zwei Monate eher abgeschlossen als geplant. Das brachte gleich mehrere Vorteile: Rohbau und Ausbau sind nun zeitlich entzerrt, was die Logistik auf der engen Baustelle deutlich vereinfacht. Und durch die frühere Fertigstellung verkürzte sich auch die Mietdauer der Schalungselemente, was die Einhaltung des Budgets für den Rohbau erleichterte.
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