Auf aktuellem Stand: Digitaler Zwilling für Ottendorfer Viadukt
Der Ersatzneubau des Ottendorfer Viadukts ist ein Ingenieurbauwerk, das seit 2015 den über 160-jährigen Vorgänger ersetzt. Zum Teil wurde bei dem Bauwerk schon mit 3D-Modellen gearbeitet, doch BIM und ein digitaler Zwilling waren nicht vorgesehen. Jetzt wurde der Digitale Zwilling nachgeliefert.
Über 160 Jahre stand das Ottendorfer Viadukt auf der Bahnstrecke Riesa-Chemnitz. Doch 2015 war es nicht mehr zu retten und musste ersetzt werden. Der damals errichtete Ersatzneubau stellte für die Deutsche Bahn ein Novum dar: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte baute sie eine Brücke mit rahmenversteiftem Bogentragwerk. Bei der Planung des Bauwerks wurde zwar teilweise mit 3D-Modellen gearbeitet, jedoch nicht unter Anwendung der BIM-Methode, sodass kein digitaler Zwilling der Brücke für künftige (Wartungs-)Arbeiten zur Verfügung steht. Ein Student der HTW Dresden hat hier nun im Rahmen einer Semesterarbeit – im Lehrgebiet Bauinformatik – Abhilfe geschaffen und den imposanten Überweg mit Allplan Bridge nachmodelliert.
Erstes rahmenversteiftes Bogentragwerk der Deutschen Bahn
Um den gestalterischen und funktionalen Vorgaben gerecht zu werden, wurde der Ersatzneubau für die alte Gewölbebrücke seinerzeit als rahmenversteiftes Bogentragwerk konzipiert. Die Gesamtlänge beträgt 90,95 Meter bei einer Bogenstützweite von 74,95 Metern. Das zentrale Element bildet dabei der Stabbogen mit einer an Flachstahlträgern aufgehängten Fahrbahn. Ein besonderes konstruktives Merkmal macht die Brücke zu einem außergewöhnlichen Ingenieurbauwerk: Die Versteifungsträger werden vom Bogen durchdrungen und bilden mit diesem sowie zusammen mit den nach unten verlängerten Bogenstielen ein zusätzlich tragendes Rahmensystem. Mithilfe einer seitlichen Vorfertigung des neuen Brückentragwerks und eines anschließenden Querverschubs konnte die Brücke in einer Kernbauzeit von nur vier Monaten errichtet werden.
Noch weitgehend 2D-Planung
Für die Ausführungsplanung zeigten sich damals die Dittmann+Ingenieure Bauplanung GmbH & Co. KG sowie das Büro Curbach Bösche Ingenieurpartner aus Dresden verantwortlich. Die Ingenieure setzten dabei noch weitgehend auf eine 2D-Planung. Für die Statik wurden auch 3D-Modelle erstellt. Von einem digitalen Zwilling, der sich über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks als fortlaufende Datengrundlage für Wartungsarbeiten und Prüfungen eignet, ist das vorhandene Planungsmaterial jedoch unzureichend. Da allerdings das BIM-basierte Arbeiten auch im Bestand immer mehr zunimmt und insbesondere das Interesse an As-built-Modellen bestehender Infrastruktur wächst, nahm sich der Master-Student Alexander Peter von der HTW Dresden 2020 der Brücke in einer Semesterarbeit an.
Digitaler Zwilling nachgereicht
Auf Grundlage der vorliegenden 2D- und 3D-Daten modellierte der Jungingenieur das Bauwerk und schuf damit einen digitalen Zwilling, der nun künftigen Arbeiten an der Brücke zugutekommen kann. Dieser liefert nicht nur über intelligente Bauteile wichtige Informationen zu sämtlichen Bestandteilen. Gleichzeitig lassen sich auch aus diesem wieder sämtliche (2D-)Ansichten auslesen. Einer der größten Vorteile liegt darüber hinaus in der automatischen Ableitung des statischen Modells aus dem geometrischen Modell. Jede Änderung an einem dieser Modelle wirkt sich auf jede Phase im Lebenszyklus der Brücke aus. Dabei bleiben alle erforderlichen Informationen erhalten – unabhängig davon, welches Teammitglied auf das Modell zugreift. Es entfällt die Notwendigkeit, mehrere Modelle für verschiedene Anwendungen und Phasen zu erstellen und zu aktualisieren. So wird das Risiko von Inkonsistenzen, Fehlern und Informationsverlusten eliminiert. Komplexe Arbeitsabläufe mit verschiedenen Projektbeteiligten und Auftragnehmern können zeitnah für alle Bauphasen zusammengeführt werden, um einen vollständig kollaborativen und koordinierten Bau zu ermöglichen. Durch den digitalen Zwillinge kann somit den Ingenieuren in Zukunft die Arbeit deutlich erleichtert werden.
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