Die BIMification des Holzbaus
Mit Sensoren und WLAN-Technik lässt sich eine Datendurchgängigkeit von der Planung über die Errichtung bis zum Betrieb erreichen, die mithilfe von Software-Erweiterungen nun auch im Holzbau zur Verfügung steht. Österreich sieht sich da gut aufgestellt.
Holz als Baustoff liegt im Trend, weil es der einzige Werkstoff ist, der Kohlendioxid in relevanten Mengen aufnimmt. Doch leider wird das heimische Qualitätsholz oft mit nicht nachhaltig geerntetem Holz aus Billigländern vermischt.
Eine einfache Herkunftsbezeichnung mit transparenter, leicht verständlicher Datenbezeichnung würde Transparenz schaffen, meint Ing. Mag. Alfred Waschl, Vorstandvorsitzender der BuildingSmart Austria. Er sieht die Produktnachverfolgung als einen Schritt von vielen, um sein Land zu einem „Wissens-Weltmarktführer im Bereich Holz“ zu machen. Die Digitalisierung biete eine enorme Exportchance für die gesamte Holzwirtschaft.
Holz-Tracing für den Qualitätsnachweis
Schon bei der Ernte des Holzes im Wald könnte ein Baumstamm mit Hilfe eines Chips identifizierbar gemacht werden. Dank eindeutiger Koordinaten aus dem GPS oder GIS wäre so auch klar, von welchem Standort das Holz genau stammt und der Transport wird in Echtzeit nachvollziehbar.
Im Sägewerk wird die Chip-Information schließlich zum Beispiel durch QR-Codes auf die Bretter gebracht, sodass sich jedes Brett eindeutig seinem Ursprungsort zuordnen lässt. Ähnlich wie beim Wein könnten Premiumlagen zu besonderen Qualitätsmerkmalen werden, und Regionalität und Nachhaltigkeit würden erstmals wirklich nachvollziehbar sein. Dass so ein System funktionieren kann, haben Tischler im Mölltal bereits im Kleinen erprobt.
Datendurchgängigkeit in Planung, Errichtung und Betrieb
Doch die Nutzung der Daten im Holzbau kann noch viel weiter gehen. Ein Beispiel für eine konsequente Datennutzung vom digitalen Planungsprozess bis zur Sensorik ist schon das 2019 in Wien gebaute Ilse Wallentin Haus der Universität für Bodenkultur (Boku). Das Bibliotheks- und Seminarzentrum wurde von der österreichischen Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) errichtet und beim österreichischen Gebäudestandard Klimaaktiv aufgrund der erreichten 965 von 1000 Punkten mit dem Gold-Standard bewertet. Nach Angaben von Boku-Rektor Hubert Hasenauer sind in dem Niedrigstenergiegebäude insgesamt rund 1000 Kubikmeter Holz verbaut worden.
Der Holzanteil für die oberen Geschoße liegt bei stattlichen 78 Prozent, was auf das komplett sichtbare Holztragwerk zurückzuführen ist. Für die beteiligten Holzlieferanten sei digitales Arbeiten selbstverständlich gewesen. Darüber hinaus lieferten Sensoren während des Transportes des Holzes von Ybbs an der Donau nach Wien permanent Daten über die aktuellen Umgebungstemperaturen, die Feuchtigkeitswerte oder möglicherweise schädigende Erschütterungen.
Solche Daten seien zwar eher für den Überseetransport interessant, aber zeigen, wohin der Weg gehen könnte. Beispielsweise könnte man mit einer Track&Trace-Funktion auch darstellen, wo sich die Ladung gerade befindet oder wie lange sie noch zur Baustelle braucht.
Das finnisch-schwedische Unternehmen Stora Enso hat eine App entwickelt, die über einen weiteren QR-Code den genauen Einbauort als 3D-Modell zeigt und damit Informationen wie Gewicht, Größe exakt darstellt. Damit lassen sich Fehlerquellen reduzieren.
Mit Sensoren kann man auch nach dem Einbau wichtige Daten aufnehmen wie etwa die Temperatur. Das gilt dann auch für den Betrieb, wo Sensoren die Oberflächenveränderung beispielsweise durch Luftfeuchtigkeit darstellen. Geplant wurde das wegweisende Gebäude von einer Arbeitsgemeinschaft aus Delta und SWAP Architekten ZT GmbH, gebaut hat es die Lieb Bau Weiz GmbH & Co KG.
Holz soll Standardmaterial werden
Das von der EU finanzierte „Horizon 2020“-Projekt Build-in-Wood will nicht nur Holz als Standardmaterial in mehrgeschossigen Gebäude etablieren, sondern auch eine eine „BIMification“ erreichen, also eine Datendurchgängigkeit in Planung, Errichtung und Betrieb mithilfe von BIM. Das betrifft die gesamte Wertschöpfungskette, u. a.
- Holzindustrie
- Holzbau
- Architektur
- Planungssoftware
- BIM-Experten
- Forschungsinstitute
Für eine moderne BIM-Planung bieten sich die verschiedenen Add-ons (zum Design for Manufacturing and Assembly) der großen Softwarehersteller an. Von den mittlerweile 21 Partnern des Build-in-Wood-Projekts, die in den verschiedenen Schwerpunktbereichen zusammenarbeiten, haben sich vor allem hsbcad (Belgien/Deutschland) und Rothoblaas (Italien) um die Anreicherung der ursprünglichen Revit-Families mit speziellen Holzbauelementen gekümmert. So nutzen Rothoblaas-Produkte nun Funktionen der neuen Coded Family Extension (CFE) von hsbcad (hsbFlex) wie
- erweiterte Revit-Zeitpläne (z. B. Schraubenanzahl, Gewicht, Werkzeugmenge usw.),
- Markierungslinien während der CNC-Erstellung,
- die Fähigkeit, sich automatisch an die im Modell vorgenommenen Änderungen anzupassen,
- korrekte Platzierung und Ausrichtung der Bauteile auf den jeweiligen Holzelementen,
- automatische, CNC-fähige Erzeugung der notwendigen Holzbearbeitung (Schlitze, Schnitte oder Bohrer).
Dadurch seien Families mit hsbFlex flexibler und lassen sich einfacher auf CNC-Maschinen exportieren.
Holz zwingt zu integraler Planung
Derzeit sind die wirtschaftlichen Perspektiven für die gesamte Holzbaubranche ausgezeichnet, seien es Fertigteilhausindustrie, Ingenieurholzbauunternehmen oder Brettsperrholzspezialisten. Durch die hohe Vorfertigung der Holz-Bauteile muss aber auch effizienter geplant werden als bislang üblich, Entscheidungen müssen schon viel früher getroffen werden und alle Beteiligten müssen involviert sein. Holz zwingt die Beteiligten sozusagen zu einer integralen Planung – ein moderner Ansatz der noch nicht breit angewandt wird, den die Organisation BuildingSmart (siehe Kasten) jedoch unterstützen will.
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