Fortschritt der Digitalisierung im Bauwesen
Durch digitale Möglichkeiten wird nicht nur der Bauprozess vereinfacht, sie werten auch Bauwerke auf. Dabei hilft die Digitalisierung im Bauwesen, die zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen aufzunehmen. Voraussetzung ist dabei die Abstimmung der Beteiligten.
Die Corona-Pandemie hat es gezeigt: Die Digitalisierung kann unseren Alltag massiv beeinflussen. Das Homeoffice ist innerhalb kürzester Zeit zu einem nicht mehr wegzudenkenden Teil des Arbeitsalltags geworden. In vielen Bereichen konnten die Geschäftstätigkeiten trotz der Lockdowns mithilfe digitaler Formate aufrecht erhalten werden. Für Bauschaffende ist das mobile Arbeiten nicht neu, schließlich werden Bauwerke immer an verschiedenen Standorten erzeugt. Auch im privaten Bereich hat das Internet mehr an Bedeutung für alltägliche Dinge gewonnen (Homeschooling, Online-Bestellungen, sozialer Austausch etc.), wenngleich hier auch die Grenzen der digitalen Formate deutlich wurden. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Digitalisierung dazu beigetragen hat, Informationen zur Ausbreitung von Corona sammeln und auswerten zu können, sicherlich ein wesentlicher Faktor bei der Überwindung der Pandemie.
Digitalisierung ist im Bauwesen kein neues Thema
Digitalisierung ist ja auch kein neues Thema – auch im Bauwesen sind digitale Formate schon lange Standard. E-Mails sind seit über 20 Jahren Standard, Smartphones seit über zehn Jahren, CAD – Anwendungen gibt es sogar bereits seit Ende der 1950er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Selbst BIM ist keine Erfindung der letzten Jahre. Die ersten BIM-Konzepte wurden bereits Mitte der 1970er-Jahre veröffentlicht. Auch im VDI haben sich Experten bereits seit Jahrzehnten intensiv mit der Digitalisierung von und für den Bauprozess benötigte Informationen beschäftigt. So wird beispielsweise die Richtlinienreihe VDI 3805 „Produktdatenaustausch in der Technischen Gebäudeausrüstung“ seit 1990 stetig fortgeschrieben und weiterentwickelt.
Abstimmen der Beteiligten ist wichtig für den Fortschritt
Heute stehen neben theoretischen Konzepten auch die entsprechende Hard- und Softwarelösungen zur Verfügung, um schon länger bestehende Ideen umzusetzen. Die Digitalisierung wird zukünftig in allen Bereichen des Planen, Bauen und Betreibens noch intensiver genutzt werden. Sie ist allerdings kein Allheilmittel, denn schlechte, nicht digitale Prozesse werden durch Digitalisierung nicht besser. Hier gilt es, dass sich die unterschiedlichen Disziplinen (Softwareentwickler, Planer, Ausführende, Betreiber etc.) zukünftig noch enger vernetzen. Nur, wenn sich die Beteiligten abstimmen, können sinnvolle und praktikable digitale Lösungen entstehen. Die Endnutzer sollten bei den Entwicklungen im Fokus bleiben. So dieser keinen Vorteil durch die digitalen Werkzeuge hat – wird er diese auch nicht einsetzen.
Nicht nur der Bauprozess wird digitaler auch die Bauwerke
Nicht nur Prozesse und Methoden ändern sich. Neue Produkte und Geschäftsmodelle werden entstehen. Bauwerke werden durch Digitalisierung und Automatisierung geänderte und neue Funktionen haben. Bereits 2020 waren Schätzungen zufolge ungefähr 50 Milliarden Geräte und 212 Milliarden Sensoren mit dem Internet verbunden. Ein Großteil davon dürfte sich in Gebäuden befinden, entweder fest mit diesen verbunden oder zumindest temporär in diesen befindlich und mit den stationären Komponenten kommunizierend. Diese Zahlen werden zukünftig noch stark steigen. Die Möglichkeiten der neuen Technologien werden hierbei auch neue Geschäftsmodelle rund um Bauwerke möglich machen. Strukturen der Wertschöpfungsketten werden sich ändern und es wird mehr Teilhaber am „Geschäftsmodell Gebäude“ geben. Auch hier wird Interdisziplinarität im hohen Maße erforderlich sein. Es werden Bauwerke entstehen, die neben den originären Funktionen diverse Services für den Nutzer und den Betreiber bieten können. Die durch die Bauwerke zukünftig gegebenen Möglichkeiten können auch dazu führen, dass sich Arbeitsprozesse und Unternehmensstrukturen ändern. Dynamik, Richtung und Wechselwirkung einzelner Technologien sind zwar nur schwer hervorsehbar, aber auch im Bauwesen werden disruptive digitale Produkte (in Form von Gebäuden oder Dienstleistungen) entstehen, die bestehende Geschäftsmodelle rund um Gebäude ergänzen oder gar ersetzen werden. Die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der Digitalisierung erfordern hierbei aber auch klare Spielregeln. Es wird Algorithmen geben, die menschliches Verhalten analysieren, um individuelle Produkte und Dienstleistungen anzubieten und autonome Systeme kommen in immer mehr Bereichen zum Einsatz. Dies stellt wirtschaftspolitisch eine große Herausforderung dar und bedingt auch einen ordnungsrechtlichen und normativen Rahmen. Letztendlich werden uns durch digitale Möglichkeiten aufgewertete Bauwerke helfen, den zukünftigen Herausforderungen seien es zum Beispiel die Bekämpfung von Pandemien oder die Auswirkungen der Klimaänderungen zu bewältigen.
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Dipl.-Ing. (FH) Frank Jansen, Geschäftsführer VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik Foto: VDI