Roboterhund digitalisiert Baustellen
Er bellt nicht, beißt nicht, hat sechs Augen und einen Elektromotor im Bauch: Spot ist ein hundeähnlicher Roboter mit vielen Talenten, braucht aber noch etwas Nachhilfe.
Für die New Yorker Polizei durchkämmt er gefährliche Umgebungen, die Feuerwehr setzt ihn für Such- und Rettungsmissionen ein und auf den abgelegenen Weiden Neuseelands hütet er Schafe. In Zukunft wird Spot, der vom US-amerikanischen Robotikunternehmen Boston Dynamics entwickelt wurde, auch hierzulande auf Baustellen Wache halten. Das auf Bau und Immobilien spezialisierte Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE erforscht an seinem Hauptsitz in Stuttgart dazu verschiedene Einsatzmöglichkeiten für Neubau und Bestand.
Baustellendokumentation auf höherem Niveau
Spot kann die Baustellendokumentation auf ein völlig neues Level heben, weil er regelmäßig und sicher alle baulichen Veränderungen aufzeichnen und speichern kann. Das bringt erhebliche Vorteile mit sich. Denn Baupläne sind geduldig, aber in der Realität sind Verzögerungen und Abweichungen von der ursprünglichen Planung eher die Regel als die Ausnahme.
Ganz gleich, ob Probleme bei der Materialbeschaffung, Störungen in den Lieferketten oder Ausfall von Gewerken – fast immer wird anders gebaut als ursprünglich geplant. „Bisher lag es im Zuständigkeitsbereich des Baumanagements, den Baufortschritt und eventuelle Verzögerungen zu prüfen, zu dokumentieren und etwaige Änderungen im digitalen Zwilling zu aktualisieren“ erklärt Wolfgang Kroll, der als Teamleiter bei Drees & Sommer die Digitalisierung des Baumanagements vorantreibt.
„Nun gibt es für diese zeitaufwendigen Aufgaben einen stabilen vierbeinigen Helfer. Unser langfristiges Ziel ist es, den gesamten Baufortschritt eines Projekts in einem einzigen konsistenten Modell darzustellen und den Soll-Zustand aus der Planung mit dem Ist-Zustand auf der Baustelle abzugleichen.“
Mobiler Helfer sammelt Daten
Die Route, auf der der Roboterhund die Baustelle inspizieren soll, kann zwar vorab programmiert werden. Derzeit wird er noch – da die gesetzlichen Rahmenbedingungen autonome Laufwege verbieten – via Tablet in alle Winkel der Baustelle gesteuert. Dabei beweist der 73 Kilogramm schwere Spot nicht nur auf Treppen und Brettern Trittfestigkeit , sondern kann auch Menschen oder Zementsäcken ausweichen kann.
Seine Umwelt nimmt er mittels Laserscanner (Hersteller: Faro) wahr, die ihm von seinem Rücken aus ein 360-Grad-Blickfeld verschaffen. Laserstrahlen tasten alle Oberflächen ab und erzeugen bei der Informationsverarbeitung ein Netz aus Millionen einzelner Punkte. Die so entstehende „Punktwolke“ – eine millimetergenaue, geometrisch exakte Abbildung der Umgebung – dient als Grundlage einer digitalen Repräsentation (digitaler Zwilling), die den Soll-Ist-Abgleich aus Planung und tatsächlichem Baufortschritt erleichtert soll.
Digitaler Zwilling für Neu- und Bestandsbauten
Erste Erfahrungen mit dem Soll-Ist-Abgleich hat Spot letztes Jahr beim Neubau des Drees & Sommer-Headquarters OWP 12 in Stuttgart gesammelt. Neben Neubauprojekten ist aber auch denkbar, Spot für den Scan von Bestandsgebäuden einzusetzen. Hier liegt großes Potenzial, denn immerhin wurde ein Großteil aller Gebäude gebaut, bevor es den digitalen Zwilling gab.
Für die Bauplanung birgt es Herausforderungen, wenn es an Umbau oder Umnutzung geht. Existiert allerdings ein vollständiger Scan des Objekts, lässt sich in der Planung aus den einzelnen Datenpunkten ein realitätsgetreues, virtuelles Modell erstellen und anhand dessen Bauprozess und -logistik besser koordinieren.
Für Bauherrn und die Menschen, die das Gebäude nutzen, hat das einen weiteren Vorteil: Sie können sich in dem digitalen Modell virtuell bewegen und sehen anhand einer 3D-Umgebung alle geplanten Strukturen. Damit können sie sich das Gebäude viel leichter vorstellen als auf einem zweidimensional gezeichneten Bauplan. Im Innovation Center von Drees & Sommer in Stuttgart wird aktuell getestet, wie gut Spot sich in Bestandsgebäuden zurecht findet.
Forschungsprojekt soll Einsatzmöglichkeiten verbessern
Bevor der RoboDog zur Serienreife gelangt und über heimische Baustellen wachen kann, muss er noch einiges lernen. Bisher erkennt der Hund beispielsweise sogenannte Scanschatten nicht. Stehen etwa Baumaterialien herum, werden diese ebenfalls erfasst und in die Punktwolke als Gebäudedaten übertragen. Was Spot einmal können soll, stellt sich Kroll so vor: „Der Roboter soll selbst entscheiden können, wann ein Scanschatten vorliegt und wann nicht. Er muss lernen, wichtige von unwichtigen Änderungen automatisiert zu erkennen.“
Wie das gelingen kann, untersuchen die Laserscan-Spezialisten von Faro in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit den Baumanagement- und Digitalisierungsexperten von Drees & Sommer. Vielversprechend seien Ansätze, die Künstlichen Intelligenz und klassische Mustererkennung verbinden. So soll der Roboterhund unterscheiden lernen, welche Datenpunkte zum Gebäude gehören und welche er löschen kann.
Noch nicht autonom unterwegs
Doch eine solche Hundeschule braucht Zeit: Bis Spot autonom über die Baustelle spazieren und dort den Baufortschritt dokumentieren kann, wird es noch eine Weile dauern. Bis dahin macht er seine Gänge zusammen mit der Baumanagerin oder dem Baumanager. Zuverlässig und ganz ohne Leine.
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