Brückenbau: Traggerüste und Synchronhubanlage im Einsatz
Das bayerische Vilshofen wird eine neue Ortsumgehung erhalten. Für diese wurde der Überbau vom größten Brückenprojekt des Vorhabens Zentimeter um Zentimeter auf Widerlager und Brückenpfeiler abgesenkt. Eine computergesteuerte hydraulische Synchronhubanlage hat dabei die Arbeiten gesteuert.
Die neue Ortsumgehung Vilshofen soll den innerörtlichen Verkehr entlasten. Über die 3,3 Kilometer lange Strecke sollen dann täglich 20.000 Fahrzeuge rollen. Einer der wichtigsten Bauabschnitte auf der Strecke konnte nun bei dessen größtem Brückenprojekt abgeschlossen werden. Zentimeter um Zentimeter wurde der fertige Überbau um 1,90 Meter erfolgreich auf beide Widerlager und die drei Brückenpfeiler abgesenkt. Die aus Ortbeton hergestellte 82 Meter lange Vier-Feld-Brücke konnte durch die computergesteuerte hydraulische Synchronhubanlage von thyssenkrupp Infrastructure sowie deren Traggerüste abgesenkt und hergestellt werden.
Brücke führt in den Kreisverkehr
Aufgrund ihrer Geometrie und Lage ist die Spannbetonbrücke bei Vilshofen eine Herausforderung für die Baubeteiligten. Nachdem sie die zweigleisige Bahnverbindung Vilshofen-Passau überquert hat, passiert sie auch die Bundesstraße 8. Dann bindet sie an den Kreisverkehr an, der den Verkehr auf die B8 führt. Dabei nimmt sie einen engen Radius ein, der über 130 Meter eine konstante sechsprozentige Längsneigung verläuft. „Der ungewöhnlich enge Radius liegt daran, dass wir an den Kreisverkehr anschließen mussten, der unmittelbar neben der Donau für die Ortsumgehung gebaut wurde. Und da die Brücke mit konstanter Steigung aus dem Donautal bergauf führt, ist sie insgesamt dreispurig ausgeführt, um einen möglichst reibungslosen Verkehrsfluss sicherzustellen. So lassen sich bergauf Staus wegen langsamerer Lkw durch die Überholspur vermeiden“, beschreibt Bauoberleiter Hans Stetter von Fritsche und Partner die Situation. Die geschwungene Form der Brücke stellte das Traggerüstteam vor Schwierigkeiten, die Bauleiter Gert Morgenstern beschreibt: „Wir hatten vor Ort eine komplexe Fundament-Situation. Durch die schmalen Fundamente und die Kurve musste die Abstützung des Traggerüstes in den Pfeilerachsen komplex mittels Auswechselträger zur Fundamentverbreiterung in Längsrichtung gestaltet werden. Zusätzlich musste das Betonagekonzept so gewählt werden, dass das Traggerüst zu jedem Zeitpunkt in Waage stand. Für die Errichtung der Jochtürme wurden unter den Randbereichen der Brücke extra auskragende Fußträger angelegt, um die Lasten des Traggerüstes abzutragen.“ Pro Pfeilerachse wurden vier Jochtürme zur Abstützung genutzt. Dadurch, dass das Traggerüst der geschwungenen Form der Brücke folgt, musste die Abstützung breiter erfolgen und die Längsträger wurden schräg zu den Bahngleisen verlegt.
Traggerüste just in time geliefert
Für die Gründung der drei Brückenpfeiler und der zwei Widerlager wurden als erste Maßnahmen bei dem Brückenneubau die Bohrpfähle erstellt. Nachdem die Brückenpfeiler und die Widerlager erstellt wurden, begann der Aufbau des Traggerüstes. Dabei begann das Baustellenteam mit den Jochtürmen aus Schwerlaststützen in den Pfeilerachsen und darauf die Jochträger in Querrichtung. Über den Bahngleisen konnten dann die 15 Längsträger montiert werden. Um den Bahnbetrieb am Laufen zu halten, wurde in der Nacht an einem Wochenende in insgesamt drei Sperrphasen gearbeitet. In dieser Zeit mussten die Längsträger und die Schalung über den Bahngleisen wasserdicht aufgebaut werden. „Das in dieser kurzen Zeitspanne zu schaffen, war die größte Aufgabe. Alles, was irgendwie dafür vorgefertigt und vormontiert werden konnte, lag vorbereitet parat“, beschreibt Stetter die Bauaufgabe. Dadurch, dass ein großer Materialbestand vorlag und die Komponenten just in time verfügbar waren, liefen die Arbeiten auf der Baustelle reibungslos ab. „Wir planen die Materialdisposition immer unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten. So erfolgte die Anlieferung der Träger teilweise direkt von anderen Baustellen. Das erspart Transportwege und Lagerkosten“, erklärt Morgenstern die Vorgehensweise. Aufgrund der Nähe zur Oberleitung musste die Schalung wasserdicht ausgeführt werden. Zudem wurden weitere Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen. So wurde zum Beispiel der Brückenüberbau mit einem Sicherheitsabstand von 50 Zentimetern zur Oberleitung gebaut. Dieser wurde erst nach Fertigstellung durch die digital gesteuerte Synchronhubanlage abgesenkt. Zur Berücksichtigung des Arbeitsschutzes wurde seitlich der Berührungsschutz zusätzlich noch einmal mindestens auf 1,80 Meter aufgebaut.
Absenkung des Brückenüberbaus
Nachdem der Beton erhärtet ist, musste das Traggerüst und die Schalung abgebaut werden. Und auch hierfür hatte das Baustellenteam von der Deutschen Bahn nicht viel Zeit bekommen, nur zwei Sperrstunden, eine mit fünf und eine mit sieben Stunden in der Nacht. Erst nach dem Abbau konnte der Brückenüberbau Zentimeter für Zentimeter abgesenkt werden. Hierzu mussten zunächst auf den Pfeilerköpfen und den Widerlagern temporäre Abstützungen, sogenannte Absetzstapel und Pressenstapel inklusive der hydraulischen Synchronhubanlage errichtet werden. Pro Pfeiler wurden vier und pro Widerlager zwei Pressen genutzt. Diese waren untereinander mit einem Computer verbunden. Die Absenkung des Überbaus verlief immer achsweise. „Begonnen wurde an den Widerlagern mit einer Absenkung von einem Zentimeter. Danach wurden die Pfeilerachsen um je zwei Zentimeter abgesenkt, anschließend wiederum die Widerlager, diesmal auch um zwei Zentimeter, dann wieder die Pfeiler und so weiter“, beschreibt thyssenkrupp Infrastructure Abteilungsleiter Hydraulik Heinz-Günter Brandt den Vorgang. Auch wenn Brandt die Absenkung so einfach beschreibt, ist es ein komplexer Vorgang. Zuerst wurde der Überbau durch die Pressen ein wenig angehoben. Dann wurde vom Absetzstapel eine Stahlplatte entfernt, was die Höhe reduzierte. Erst dann wurde der Überbau abgesenkt und aufgelagert. „Nach jedem Absenkhub, musste die Presse umgebaut werden, sodass der nächste Hub gemacht werden konnte“, erklärt Brandt weiter. Über drei Wochen hinweg wurde der Überbau auf diese Weise um 190 Zentimeter abgesenkt. Die Computersteuerung steuerte die Pressen synchron über Magnetventile. Dabei wurde ausgeschlossen, dass sich der Überbau um seine Längsachse verdreht. Denn die Messwerte konnten in Echtzeit auf einem Bildschirm visualisiert werden. Bisher verliefen alle Arbeiten nach Zeitplan. Liegen die folgenden Arbeiten auch im Plan, dann können die ersten Fahrzeuge bereits 2024 die Ortsumgehung nutzen.
Mehr zum Thema Infrastrukturbau: