Digital Engineering reduziert Umweltbelastung im Straßenbau
Um die Staus für mehr als 60.000 Kraftfahrer pro Tag zu verringern, mussten an einer Umgehungsstraße entlang einer Autobahn zwei kreuzungsfreie Anschlussstellen gebaut werden. Ein vernetzter Ausführungsplan spielte für die effiziente Umsetzung eine entscheidende Rolle.
Das im Osten von Perth (Westaustralien) gelegene Projekt Great Eastern Highway Bypass Interchanges zielt darauf ab, zwei wichtige Anschlussstellen am Roe Highway und an der Abernathy Road zu modernisieren. In diesen beiden Bereichen führen die immer häufiger auftretenden Staus zu erheblichen Verzögerungen für die Verkehrsteilnehmer. Das 380 Millionen AUD (ca. 243,8 Millionen EUR) teure Projekt wird die derzeitigen signalisierten Kreuzungen, die täglich von 60.000 Fahrzeugen befahren werden, durch zwei kreuzungsfreie Anschlussstellen ersetzen.
Bei der Planung musste jedoch sichergestellt werden, dass die Auswirkungen auf die umliegenden bedrohten ökologischen Gemeinschaften (Threatened Ecological Communities), die wichtigen Bush-Forever-Gebiete und eine eingetragene Erbestätte von Aborigines mit Hunderten von alten einheimischen Bäumen so gering wie möglich gehalten werden. Die einzige Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, bestand darin, die Fläche der Anschlussstelle so weit wie möglich zu verkleinern, aber gleichzeitig die erforderliche Funktionalität und Zugänglichkeit für schwere Fahrzeuge beizubehalten.
Main Roads WA beauftragte Greater Connect Alliance, ein Konsortium aus Arcadis, AECOM und Laing O‘Rourke, mit der Entwicklung, der Planung, dem Bau und der Bereitstellung der neuen Anschlussstellen und der ausgebauten Autobahn. Neben den Anschlussstellen umfasst das Projekt auch die Fertigstellung der fehlenden Verkehrsverbindung des 30 Kilometer langen gemeinsamen Hauptverkehrswegenetzes zwischen Midland und Jandakot, den Umbau bestehender Versorgungsleitungen, zwei neue Brücken und Landschaftsbauarbeiten. „Mit diesem Projekt werden fünf seit langem erwartete Straßenverbesserungen realisiert“, sagte Rita Saffioti, Verkehrsministerin von Westaustralien. „Das wird für die Verkehrsteilnehmer im Osten von Perth eine bahnbrechende Neuerung sein.“
Veraltete Arbeitsabläufe neu denken
Bei der Entwicklung und Planung der Anschlussstellen musste die Greater Connect Alliance die künftige Neuausrichtung der Güterlinie Midland Freight Rail Line, die industrielle Entwicklung in der Nähe des Flughafens Perth und eine geplante dritte Start- und Landebahn des Flughafens ebenso berücksichtigen wie die umliegende Flächennutzung und besonders schützenswerte historische und ökologische Gebiete. Diese Entwicklungen erforderten umweltrechtliche und behördliche Genehmigungen innerhalb eines engen Zeitrahmens.
„Diese Überlegungen brachten eine Reihe von Komplexitäten und Herausforderungen mit sich“, erklärte David Watson, Design Manager bei Arcadis. So musste für den Entwurf der Abernathy-Anschlussstelle zur Anbindung der Güterlinie eine besonders hohe Durchfahrtshöhe eingehalten werden, während für den Roe Highway-Knotenpunkt eine geringere Grundfläche erforderlich war, um die Umweltbelastung zu minimieren.
Zusätzlich zu diesen technischen Planungsschwierigkeiten ergaben sich bauliche Herausforderungen im Zusammenhang mit der Materialbeschaffung, den Kommunikationsanforderungen, um Genehmigungen von Behörden und Versorgungsunternehmen zu erhalten, und der Zustimmung durch die Gemeinde.
Auf der Grundlage früherer Erfahrungen stellte die Greater Connect Alliance fest, dass ihr die Automatisierung, Visualisierung und digitale Konnektivität fehlten, die zur Optimierung von Planung, Koordination und Kommunikation sowie zur Sicherstellung einer effizienten und kostengünstigen Bauplanung und der Arbeiten vor Ort erforderlich sind, beispielsweise für die Bestimmung der Materialmengen für Straßenbeläge und Erdarbeiten.
Das Projektteam plante die Implementierung eines Digital-Engineering-Ausführungsplans und die Einrichtung einer vernetzten Datenumgebung gemäß der ISO 19650. Allerdings entsprachen die bisherigen Verfahren nicht den Zielen der digitalen Automatisierung, Visualisierung und Koordination. Daher musste das Projektteam seine alten Arbeitsabläufe überdenken und ein integriertes digitales Ökosystem entwickeln.
Grenzen verschieben mit Digital Engineering
Das Team der Greater Connect Alliance erwartete, dass ein ganzheitlicher digitaler Ausführungsplan auf der Grundlage von Bentley-Anwendungen eine bessere Visualisierung und effizientere Abwicklung des Projekts ermöglichen würde. Mit ProjectWise und LumenRT für die koordinierte Modellierung und visuelle Darstellung wurde eine vernetzte Datenumgebung geschaffen, um Arbeitsabläufe zu optimieren und die Entscheidungsfindung zu erleichtern.
Mit den integrierten Bentley-Anwendungen führte die Greater Connect Alliance koordinierte digitale Entwurfsprüfungen, Kollisionsprüfungen und Bauablaufplanungen durch, extrahierte automatisch genaue Materialmengen aus dem 3D-Modell und erstellte Animationen und Visualisierungen für die Einbindung von Interessengruppen und Gemeinden.
Durch die Auseinandersetzung mit den traditionellen Planungs- und Bauprozessen erleichterte das Team nach Angaben von Bentley Systems nachgelagerte Prozesse wie automatisierte parametrische Modellierung, 4D-Bauplanung, Mengendashboards und konsolidierte Projektvisualisierung. Die IFC-Kompatibilität über verschiedene Softwareplattformen hinweg ermöglichte es dem Bauteam, die mit den Elementen verbundenen Metadaten zu nutzen sowie 4D- und 5D-Modellierungen durchzuführen. Mit dieser auf Bentley basierenden Lösung konnten die Projektbeteiligten nach Angaben des Software-Herstellers die Grenzen des Digital Engineerings erweitern und die Planung und Ausführung dieses wichtigen Straßenbauprojekts verbessern.
Digitales Ökosystem fördert Effizienz, Einsparungen und Lebenszyklusmanagement
Die Greater Connect Alliance konnte durch die Einführung kollaborativer Digital-Engineering-Strategien Entwurfsalternativen visuell prüfen und vergleichen und einen optimierten Entwurf festlegen, wodurch es vor Ort weniger als zehn Kollisionen gab und 18 Monate Zeit eingespart wurden. „Bei den früheren veralteten Verfahren dauerte es zwei bis drei Monate, um eine disziplinübergreifende Prüfung vorzunehmen, wohingegen mit dem neuen digitalen Ausführungsprozess nur ein bis zwei Wochen für die Identifizierung, Koordinierung und Lösung benötigt wurden, was letztendlich zu einer Optimierung des Entwurfs und einer erheblichen Verringerung des inhärenten Risikos beim Bau führte“, sagte Watson. Die Arbeit auf einer integrierten digitalen Plattform förderte die Nachhaltigkeit und reduzierte die Materialmengen sowie den Grunderwerb. Das Team verringerte den ökologischen Fußabdruck des Projekts nach eigenen Angaben um die Hälfte.
Die mit LumenRT erstellten animierten visuellen Darstellungen trugen zur Beschleunigung der Projektgenehmigung und zur besseren Information der Öffentlichkeit bei. Durch einen verbesserten Informationsaustausch, koordinierte Arbeitsabläufe, genaue Mengenangaben und eine verbesserte Entwurfsqualität konnte die Greater Connect Alliance Nacharbeiten und Fehler reduzieren. Durch die Verringerung des Materialverbrauchs und die Zeitersparnis zwischen Entwurf und Kalkulation konnten im Vergleich zu früheren Projekten schätzungsweise 500.000 AUD (ca. 321.600 EUR) eingespart werden. Die optimierte Koordination ermöglichte dem Team Einsparungen in Höhe von schätzungsweise 600.000 AUD (ca. 385.960 EUR). Nach Fertigstellung der endgültigen Entwurfsoption für die Lloyd Street Bridge verzeichnete das Team eine vereinbarte Einsparung von 10 Millionen AUD (ca. 6,4 Millionen EUR).
Die während der Planung erstellten 3D-Modelle werden während der Bauphase und für eine verbesserte Instandhaltung der Anlagen verwendet, wobei die Greater Connect Alliance die Metadaten, die mit den gebauten Anlagen verbunden sind, weiterhin nutzen wird, um so Schritte in Richtung eines digitalen Zwillingsmodells zu unternehmen.
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