Optimierung des Brückenbaus im Windkanal
Ein frischer bis starker Wind kann beim Bau einer Brücke fatale Auswirkungen haben. An der Ruhr-Universität Bochum testet ein Forscherteam Schutzmöglichkeiten im Windkanal aus.
Bis zu 120 Meter weit werden heute viele Brücken im Taktschiebeverfahren vom Widerlager aus ins Freie geschoben. Zuerst wird auf der Baustelle das Widerlager, die Stelle, an der die Brücke beginnen soll, fertiggestellt. In der Feldfabrik auf der Baustelle wird die Brücke abschnittsweise in Serienfertigung errichtet. Die fertigen Abschnitte werden dann vom Widerlager in Richtung der erstellten Brückenstützen vorgeschoben. Dies geschieht unter hohen Druck durch mehrere Pressen – Stück für Stück. Am Widerlager werden dann immer neue Teile, die in der Feldfabrik entstanden sind, angebaut. So wächst die Brücke immer weiter, zunächst in Leere, bis die Brücke die Stützen erreicht. Wenn die Brücke im Bau im Leeren schwebt, können schon schwache Windböen für sie gefährlich werden. Die Windböen könnten die Brücke aufschaukeln. Um das zu verhindern, entwickelt das Forscherteam um Prof. Dr. Rüdiger Höffer der Arbeitsgruppe Windingenieurwesen und Strömungsmechanik an der Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwesen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) Techniken, die das wachsende Bauwerk vor den Gefahren des Windes schützen. Zu diesen Techniken zählen Spoiler, Stoßdämpfer und Gegengewichte.
Wind greift beim Brückenbau ein
Das Taktschiebeverfahren für den Brückenbau wurde bereits in den 1980er-Jahren eingesetzt. Damals war es möglich, bis etwa 40 Meter Gesamtlänge eine Brücke auf diese Weise zu fertigen. Zwischen den Stützenpfeilern kann heute ein Abstand von mehr als 120 Meter liegen. Der Überbau der Brücke wird als oben offener Stahlkasten gefertigt, „das kann man sich im Querschnitt so vorstellen wie ein breites U“, veranschaulicht Höffer, „Das oben offene U des Überbaus ist für Wind sehr angreifbar.“ Greift der Wind hier das Stahlkonstrukt an, dann biegt es sich durch oder verdreht sich. Dabei kann der Wind die Brücke in drei Richtungen verformen. Beim Bau einer Brücke sind besonders die Windböen gefürchtet. Sie können den Brückenbau in Schwingungen versetzen. Wird das Bauwerk von einer Windböe in Schwingungen gebracht, verstärkt der nächste Windstoß die Schwingungen der Brücke und das Bauwerk schaukelt sich auf. „Ein Sturm oder ein Sommergewitter kann dabei zu Amplituden im Meterbereich führen“, macht Höffer deutlich. Hier setzt die Forschung von Höffer und seinem Team an. An der RUB gehört zu ihrer Arbeitsgruppe der Grenzschichtwindkanal. In diesem experimentiert das Forscherteam mit Bauwerksmodellen im Wind. „Die ungünstigen Formen der im Bau befindlichen Brücke zu verbessern, ist die eleganteste Methode, dem Wind ein Schnippchen zu schlagen“, so Höffer.
Techniken aus dem Windkanal für die Brückenbaupraxis
Eine der Techniken ist es, das U zu schließen. Eine weitere Möglichkeit sind Spoiler. Dabei können sie unterschiedliche Gestalt annehmen, wie seitlich angebaute Windleitflächen in der Form eines spitzen Dreiecks. Dadurch werden die schwingungsanregenden Wirbelablösungen gemindert. Der Wind greift jedoch nicht nur die Brückenabschnitte an, auch unausgesteifte Stützen sind bei hohen, noch im Bau befindlichen Brücken gefährdet. Zudem können Anbauteile an den Brückenstützen zerrissen werden. Damit die Stützen dem Wind standhalten, sollten Planer im Vorfeld mit höheren Windwiderständen bemessen. In einem gebäudeaerodynamischen Grenzschichtwindkanal können die Voruntersuchungen sicher stattfinden. „Für jedes neue Bauprojekt sind neue Untersuchungen nötig“, betont Höffer. Sein Forscherteam hat sich auf die numerische Simulation der Auswirkungen von Wind auf Bauwerke spezialisiert. Diese kommen dann zu Einsatz, wenn Baupläne nach der Untersuchung im Windkanal noch angepasst werden müssen oder wenn Details untersucht werden, die im Windkanal nur schwer ausgemessen werden können.
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