Überflutungs-Hot-Spots bei Starkregen entlasten
In den letzten Jahren haben Überflutungs-Hot-Spots die kommunale Entwässerung immer häufiger zum Handeln gezwungen. Entwässerungskonzepte für neuralgische Punkte können vor Überflutungen schützen. Im Gespräch mit Dr.-Ing. Svenja Kemper von der Bergischen Universität Wuppertal und Florian Meyer von ACO Tiefbau Vertrieb GmbH haben wir mehr über das neue Entwässerungskonzept erfahren.
Welche Erfahrungswerte haben Sie bisher mit dem Themen Starkregen und Überflutungs-Hot-Spots persönlich sammeln können?
Dr.-Ing. Svenja Kemper: In den letzten Jahren habe ich mich während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehr- und Forschungsgebiet Wasserwirtschaft und Wasserbau der Bergischen Universität Wuppertal mit dem Thema Ableitung von Niederschlagswasser im urbanen Raum beschäftigt. Im Rahmen von diversen Projekten, Seminaren und Workshops konnte ich unter anderem auch einen vertieften Einblick in die vielfältigen Lösungsansätze zum Umgang von Kommunen mit Überflutungs-Hot-Spots erhalten. Zudem habe ich mich vertieft aus wissenschaftlicher Sicht mit der Leistungsfähigkeit von Straßenabläufen beschäftigt.
Welche Lösungsansätze wurden für die genannten Hot-Spots bisher verfolgt?
Dr.-Ing. Svenja Kemper: Hier gibt es eine Vielzahl an sehr unterschiedlichen Lösungen, die alle auf Ihre Art funktionieren. Dabei kann insbesondere zwischen zwei Strategien unterschieden werden. Soll möglichst viel Wasser vor Ort der unterirdischen Kanalisation zugeführt werden, muss sichergestellt werden, dass diese zum einen noch ausreichend Kapazitäten aufweist und zum anderen besonders leistungsstarke Ablaufsysteme eingesetzt werden. Im Gegensatz dazu ist es häufig sinnvoll, das Wasser geregelt an der Oberfläche über zuvor hergestellte Fließwege einem Vorfluter oder einem Ort, an dem das Wasser kurzfristig zwischen gespeichert werden kann, zuzuführen.
Überflutungs-Hot-Spots im Alltag von Kommunen
Welchen Stellenwert haben Überflutungs-Hot-Spots in Ihrem täglichen Geschäft bei ACO Tiefbau?
Florian Meyer: Immer wieder kommen Kommunen auf uns zu und fragen nach Lösungen oder Entwicklungen für diese Bereiche. Eine zentrale Frage ist: Wie bekommen wir an diesen neuralgischen Punkten viel Wasser zügig und sicher abgeleitet? Und das ohne unterirdisch die Kanalisation zu überlasten und gleichzeitig oberirdisch den sicheren Straßenverkehr zu gewährleisten. In die gewohnten Bauabläufe sollten diese Lösungen ebenfalls passen und natürlich sind auch die Kosten im Blick zu behalten. Wir beschäftigen uns täglich mit diesen Fragen und arbeiten kontinuierlich an neuen Lösungsansätzen.
Wie gehen aus Ihrer Sicht die Kommunen mit dem Thema um?
Florian Meyer: Mittlerweile haben viele Kommunen bereits sogenannten Gefährdungskarten erstellt und sich auch in anderen Bereichen detailliert mit diesen Themen auseinandergesetzt. Sie wissen ziemlich genau, in welchen Bereichen es in ihren Städten bei Starkregenereignissen hakt. Denn oftmals ist es an diesen Stellen bereits schon zu Unfällen oder anderen Schäden gekommen. Es hat sich bisher jedoch keine vollumfängliche technische Lösung durchgesetzt. Und ich denke, dass es diese eine Lösung auch nicht gibt. Es gibt einfach zu viele variable Einflussfaktoren je Anwendungsfall. Aus meiner Sicht müssen diese Themen auch in Zukunft immer gemeinsam zwischen Kommune und Industrie, flankiert von der Wissenschaft betrachtet werden, um sinnvolle und funktionale Lösungen zu entwickeln.
Das neue Entwässerungskonzept bei Überflutungs-Hot-Spots ist zum Beispiel die ACO DrainBox. Was macht das System aus und wie funktioniert es?
Florian Meyer: Mit der Neuentwicklung haben wir erstmals unsere Linien- mit der Punktentwässerung systematisch vereint. Konkret heißt es, wir verbinden den Straßenablauf Combipoint PP mit der Bordsteinentwässerung oder auch Hohlbordrinne ACO DRAIN KerbDrain. Die Funktionsweise ist recht simpel. Zum einen wird das Oberflächenwasser punktuell über den Straßenablauf aufgenommen. Zum anderen fließt das Wasser entlang der Hohlbordrinne in die seitlichen Einlauföffnungen. Mithilfe dieser zwei-Wege-Drainwirkung können kritische Überflutungspunkte einfach und schnell entschärft werden. Verbunden sind beide Systeme über einen Einlaufkasten, was signifikant die hydraulische Leistungsfähigkeit erhöht. Weiterhin hervorzuheben sind die zwei Schlammeimer, die die Reinigungsintervalle reduzieren.
Wie bewerten Sie die Kombination eines vorhandenen Straßenablaufs mithilfe einer Hohlbordrinne? Wie sehen Sie die hydraulische Leistung?
Dr.-Ing. Svenja Kemper: Die Kombination aus Punkt und Linie ist meiner Ansicht nach sehr interessant und vielversprechend! Bei geeigneten Verhältnissen wie geringem Längsgefälle kann der Abfluss, der einer Punktentwässerung zufließt reduziert werden, sodass letztendlich die Wasserspiegelbreite und damit auch der Anteil, der am Punktablauf vorbeifließen würde, verringert wird.
Geringer Eingriff in die Infrastruktur mit hoher Entwässerungswirkung
Welche Vorteile bietet die Ertüchtigung von Straßenabläufen durch eine Hohlbordrinne an Überflutungs-Hot-Spots für die Kommunen und Planer?
Dr.-Ing. Svenja Kemper: Die Ertüchtigung durch eine Hohlbordrinne stellt einen verhältnismäßig geringen Eingriff im Straßenraum dar, sodass bei geeigneten Verhältnissen das Überflutungsgeschehen durch einen relativ geringen Kosteneinsatz positiv beeinflusst werden kann.
Florian Meyer: Tatsächlich erfolgt der Einbau ohne großen Aufwand. Der vorhandene Bordstein wird lediglich durch die Hohlbordrinne ausgetauscht. Oftmals können schon ein paar Meter für die Entschärfung des Überflutungsgeschehens ausreichen. Gleiches findet beim Straßenablauf statt. Entweder wird der bisherige Ablauf vollständig ersetzt oder der Boden der vorhandenen Betonteile nach DIN 4052 bleibt erhalten. Darauf wird dann unser Sanierungsadapter gesetzt und weiter geht es mit den Straßenablaufteilen. Das Positive an diesem Lösungsansatz ist, dass die bestehenden Leitungen nicht verändert werden müssen. Es wird auf dem Vorhandenen aufgebaut.
Nicht nur innerstädtisch effektiv entwässern
Für welche Anwendungsbereiche eignet sich das Entwässerungssystem innerstädtisch am besten? Gibt es für Sie noch weitere Anwendungsfälle?
Dr.-Ing. Svenja Kemper: Egal ob inner- oder außerorts, Hohlbordrinnen sind vorrangig in Bereichen mit geringem Längsgefälle und damit verhältnismäßig geringen Fließgeschwindigkeiten einzusetzen. Das heißt überall dort, wo über eine längere Strecke ein geringes Gefälle vorliegt, kann die Hohlbordrinne zur Anwendung kommen. Weitere denkbare Anwendungsbereiche sind auch überall dort, wo ein verhältnismäßig hohes Quergefälle der Straße vorliegt und somit die Fließrichtung des Wassers in Richtung Bordstein zeigt.
Florian Meyer: Die DrainBox kann nicht nur innerstädtisch zum Einsatz kommen. Auch die neuralgischen Überflutungs-Hot-Spots an Autobahnen und Fernstraßen können mithilfe der passenden Hohlbordrinne ertüchtigt werden. Hierfür eignet sich beispielsweise unser neues System KerbDrain Road. Dies kann sowohl als Sanierungsmaßnahme über Autobahnmeistereien, als auch im Neubau berücksichtigt werden. Auch hier kann eine individuelle Box aus passenden Systembausteinen zusammengestellt werden. Ferner steht die Hohlbordrinne auch für von bisher geplanten Beton-Ablaufbuchten auf Autobahnen zur Verfügung.
Vielen Dank für das Gespräch.
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