Verkehrswege nachhaltiger ausbauen
Die Asphaltbranche versucht sich in Zeiten des Wandels neu auszurichten und der Kritik am Straßenbau etwas entgegenzusetzen. Hilfreich könnte hierbei die Temperaturabsenkung von Asphalt sein. Technisch ist das umsetzbar, aber es gibt noch regulatorische Hürden.
Die 21. Deutschen Asphalttage haben vom 8. bis 10. Februar 2023 mit nahezu 1100 Anmeldungen mehr Teilnehmer nach Berchtesgaden gelockt als je zuvor. Nach der pandemiebedingten Verschiebung des Events im Jahr 2022 war der Bedarf der Branche nach Austausch anscheinend groß. Der Deutsche Asphaltverband bot ein dreitätiges Kongressprogramm zu aktuellen Themen und die begleitende Fachausstellung als Bühne für Innovationen und Gelegenheit zum Netzwerken.
„Wir werden tiefgreifende Veränderungen brauchen für eine enkeltaugliche Zukunft“, mahnte Christian Wulff, Bundespräsident a. D., in seiner Eröffnungsansprache. In seiner Rede fasste er die politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte unserer Zeit zusammen, die geprägt ist von der Corona-Pandemie und dem Vertrauensverlust in die Demokratie, vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und dessen wirtschaftlichen Folgen sowie vom Klimawandel.
Mehr Nachhaltigkeit durch Wiederverwendung
Die Herausforderungen der Klimakrise rückte Oliver Nohse als Präsident des Deutscher Asphaltverbandes (DAV) in den Mittelpunkt seiner Ansprache an das Kongresspublikum. Er griff Christian Wulffs Gedanken auf, dass eine zukunftsfähige Asphaltbranche die ökonomische und ökologische Verantwortung auf einen Nenner bringen müsse und verwies darauf, dass die Branche bereits auf diesem Weg sei: „Mit 84 Prozent Wiederverwendungsquote von Asphalt liegen wir vor dem Recycling der Glas- und Papierindustrie.“
Neben der Wiederverwendung von Asphalt als Baustoff und der hohen Haltbarkeit der Asphaltbauweise liege die Zukunft der Branche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in ihrer Innovationskraft. Nach Nohses Worten bietet die Digitalisierung von Prozessen in Herstellung, Logistik und Einbau das Potenzial, sowohl die Kosteneffizienz zu erhöhen als auch den CO2-Fußabdruck zu verringern.
Akzeptanz für mehr Investitionen in den Verkehrsträger Straße gefordert
„Wir müssen die Akzeptanz der Straße in der Bevölkerung zurückgewinnen“, sagte Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Es fehle allerdings nicht allein an der gesellschaftlichen Akzeptanz. Wie sein Vorredner Nohse stellte auch Hübner fest, dass es erheblich an Investitionen in die deutsche Verkehrsinfrastruktur mangelt.
Die Position beider Verbände ist klar: Es braucht mindestens 10 bis 20 Prozent mehr Investitionen in Erhalt und Ausbau der drei Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserwege. Dies sei auch nötig, unterstrich Oliver Nohse, um die Planungssicherheit für kostenintensive Investitionen in die Modernisierung der Deutschen Asphaltmischwerke sicherzustellen.
Straßennetz auch für den ÖPNV wichtig
Christian Bernreiter, Bayerischer Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, äußerte bei seinem Impulsvortrag Unverständnis für die Ablehnung aus Teilen der Gesellschaft und Politik gegenüber dem Verkehrsträger Straße: „Die Verkehrsinfrastruktur ist die Grundlage unserer Mobilität und damit unserer Wirtschaft. Und auch der Ausbau des ÖPNV braucht ein gutes Straßennetz, denn Busse fahren nicht auf Feldwegen.“
Temperaturabsenkung von Asphalt verbessert Arbeitsschutz und CO2-Bilanz
Jens Müller-Belau, Managing Director bei Shell, forderte in seiner Keynote mehr Mut und Tempo bei Innovationen und der Energiewende in Deutschland: „Das Warten auf die perfekte Lösung bremst mutige Schritte, die letztlich in die Nähe einer Lösung führen könnten.“
Eine Einstellung, an die auch DAV-Präsident Nohse appellierte. In Bezug auf die Temperaturabsenkung von Asphalt, die neben Gründen des Arbeitsschutzes auch mit Blick auf Energie- und CO2-Einsparung ein wichtiger Fortschritt ist, mahnte er: „Wir müssen mehr Fahrt aufnehmen, damit diese Bauweise in unser Regelwerk aufgenommen werden kann.“
Von temperaturabgesenkten Asphalten (auch Niedrigtemperaturasphalte genannt) spricht man bei Herstellungstemperaturen von 110–140 °C , während konventionelle Heißasphalte bei etwa 150–180 °C produziert werden. Der Einbau von Asphalt wird bei Abkühlung schwieriger; Niedrigtemperaturasphalt kann jedoch – bei Auswahl geeigneter Bitumen – das Zeitfenster für die Verdichtung erweitern.
Bei Niedrigtemperaturasphalt wird Wissen zur Gewissheit
Professor Markus Oeser, Präsident der Bundesanstalt für Straßenwesen, bekräftigte während einer Podiumsdiskussion mit anderen Vertretern aus Baubranche, Politik und Wissenschaft: „Wenn die Forschung an den Punkt gelangt, dass aus Wissen Gewissheit wird, sollte das Regelwerk folgen. Beim Niedrigtemperaturasphalt sind wir an diesem Punkt.“
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