Baustoff Holz: Heilsbringer oder schuld an der Entwaldung des Planeten?
Die Verwendung von Holz als Baustoff gilt als nachhaltig. Reichen die Wälder dafür aber aus? Antworten geben eine Diskussionsrunde und eine Studie der Universität Kassel und des WWF.
Anfang November fand in der Kölner „Straßenkicker Base“ eine Veranstaltung der List Gruppe über die sinnvolle Verwendung von Holz in der Immobilienwirtschaft statt. Experten aus den Bereichen Forstwirtschaft, Architektur sowie des nachhaltigen Bauens stellten in Impulsvorträgen und anschließender Diskussionsrunde aktuellen Positionen rund um den Baustoff Holz vor. In der anschließenden Diskussionsrunde „Holz als Heilsbringer? Zwischen Kohlenstoffsenke und Baumaterial“ brachte fünf Diskutanten ökologische als auch ökonomische Sichtweisen und Praxisaspekte in die Debatte ein:
- Tobias Wohlleben, Geschäftsführer von Wohllebens Waldakademie und Experte für das Ökosystem Wald,
- Jeroen Meissner, Architekt bei Partner und Partner,
- Sebastian Theißen, geschäftsführender Gesellschafter von List Eco,
- Prof. Dr. Hubert Speth, Studiengangsleiter BWL – HD – Holzwirtschaft an der DHBW Mosbach und Experte für Waldbewirtschaftung und Forstinvestment und
- Benedikt Scholler, Geschäftsführer Pom+ Deutschland und Vertreter der Koalition für Holzbau
Wie viel Holz darf fürs Bauen verbraucht werden?
In der Diskussion zeigte sich zweierlei: Zum einen existiert in der Immobilienbranche eine gewisse Unsicherheit, wie viel Holz als Baumaterial heute und zukünftig eingesetzt werden kann. Nicht zuletzt aufgrund des Zielkonflikts der Nutzung von Holz als Biomasse in der Wärmeerzeugung, was noch als erneuerbare Energie gilt. Daraus resultierte die Frage, ob und wie Wälder im Zuge des Klimawandels bewirtschaftet werden können, um die Nachfrage nach dem Rohstoff Holz so zu befriedigen, dass die Ökosysteme keinen Schaden nehmen. Damit direkt verbunden ist die Frage, welche Baumarten zukünftig Bauholz liefern, wobei eine Verschiebung hin zum Laubholz in Deutschland offenkundig ist, worauf sich Planer nun vorbereiten sollten. Bei den Waldumbauten handelt es sich um Prozesse, die auf Zeiträume von Generationen ausgerichtet sind. Deshalb ist es aus Sicht der Experten nun notwendig, in den Dialog mit der Politik zu gehen um die wichtigen Funktionen des Ökosystem Wald in Einklang mit der Nutzung von Holz als Baustoff und damit potenzieller CO2-Senke gegen eine Nutzung als Biomasse abzuwägen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass Holz als Baustoff zirkulär genutzt werden muss, um eine echte CO2-Speicherung darzustellen.
Normen und Vorgaben
Mit in die Diskussion gehörten auch Fragen zu Normen und Vorgaben aus architektonischer Sicht – beispielsweise statische Vorgaben bei der Wiederverwendung betreffend – als auch ökonomische Fragen zum Holzpreis und dessen Zustandekommen sowie ökologische Themen, allen voran die Ökobilanz des Rohstoffes Holz. Hier müsse nach Meinung von Sebastian Theißen die gesamte Wertschöpfungskette inklusive der Verarbeitung, Transportwege und dem Rückbau etc. berücksichtigt werden, um einen fairen Vergleich zu anderen Baustoffen wie beispielsweise Beton ziehen zu können.
Diese Meinung vertraten auch die weiteren Teilnehmer: Der Dialog mit der Politik und deren Fachebenen sowie Organisationen wie der DGNB sei unabdingbar, um die bestehenden Messkriterien und Standards nun sinnvoll weiterzuentwickeln. Gerade mit Blick auf die Funktion von Holz als CO2-Senke müssen auch die Bilanzierungsregeln klarer und genauer gefasst werden, um die Stoffströme im Wald detaillierter zu berücksichtigen. Nur dann könne man mit einiger Sicherheit bewerten, für welche Anwendungszwecke Holz ein geeigneter und ökologisch sinnvoller Baustoff sei und gleichzeitig Lösungen finden, um das schützenswerte – und, wie auch Tobias Wohlleben anmerkte, bis dato erst sehr unzureichend erforschte – Ökosystem Wald auch in Zukunft zu erhalten.
Klar war für alle Experten auch: Zukünftig wird Suffizienz immer wichtiger, da wir mit weniger Rohstoffen auskommen müssen. Hier ist der Dialog zwischen Verbrauchern – wie Planern und Bauherren – und Forstwirten sowie Waldbesitzern wichtig, um Lösungen zu finden, die der neuen Sorgsamkeit Rechnung tragen.
Studie von Universität Kassel und WWF
Eine Studie von Universität Kassel und WWF Deutschland hatte bereits im Sommer 2022 gezeigt, dass der globale Holzverbrauch deutlich die nachhaltige Erntemenge übersteigt. Und: Die Deutschen verbrauchen doppelt so viel Holz wie der globale Durchschnitt.
Denn als Ersatz für Beton beim Gebäudebau, für Plastik in Verpackungen und für Kohle und Gas beim Heizen gilt Holz in vielen Bereichen als Allheilmittel für mehr Nachhaltigkeit. Bereits heute gibt es laut der Studie weder in Deutschland noch weltweit genügend Holz , um die Nachfrage aus all diesen Bereichen gleichzeitig und nachhaltig zu decken. Der WWF forderte daraufhin die Politik auf, den Holzverbrauch zu senken und Holz nicht automatisch als nachhaltig zu werten, besonders in Bezug auf die energetische Nutzung.
Rücksicht auf die Biodiversität
Denn die Menge an weltweit geschlagenem Holz ist mit 4,3 bis 5 Milliarden Kubikmetern (2020) höher als das, was den Wäldern auf nachhaltige Weise entnommen werden kann, ohne die Biodiversität im Wald zu gefährden (3 bis 4,2 Milliarden Kubikmeter). Bis zu 2 Milliarden Kubikmeter Holz pro Jahr werden den Wäldern demnach zu viel entnommen. Das entspricht ungefähr der Hälfte aller Waldbäume in Deutschland. Die Nachfrage nach Holz steigt beständig, vor allem für Verpackungen, die Bauindustrie, Bioplastik und Bioenergie.
Besonders hoher Hunger nach Holz in Deutschland
Besonders hoch ist der Holzhunger in Deutschland: Pro Kopf verbrauchen wir rund 1,2 Kubikmeter Holz (ohne Rinde, die – wie kleinere Äste – meist in nicht in Holzprodukten wie Möbeln landet). Das ist mehr als doppelt so viel wie der weltweite Durchschnitt (ca. 0,5 Kubikmeter). Die Studie beruht auf Analysen von Satellitenbildern, Handelsströmen und nationalen bis globalen Verbrauchs- und Waldstatistiken, wobei die Mengenangaben für gehandeltes oder verbrauchtes Holz in der Studie grundsätzlich ohne Rinde angegeben wurden. Weil die tatsächliche Einschlagsmenge im Wald jedoch mit Rinde gemessen wird, wurden in der Studie die verbrauchte Rundholzmenge hinsichtlich der Volumina der Rinde (+12 %) und Ernteverluste (+10 %) sowie der Herkunft des Holzes außerhalb des Waldes (-14 %) angepasst. Holz aus illegalem Einschlag (15–30 %) kann aufgrund der ungenauen Daten nicht berücksichtigt werden.
Nutzung von Holz zum Heizen und zur Energieerzeugung bedroht Waldbestände
„Besonders die energetische Nutzung von Holz, also zum Heizen und zur Energieerzeugung, frisst ein massives Loch in die Waldbestände“, sagt Dr. Susanne Winter, Programmleiterin Wald beim WWF. Sie fordert die EU-Kommission auf, die energetische Nutzung von Holz in der EU-Taxonomie nicht als nachhaltig einzustufen, um die umweltschädliche Praxis nicht noch attraktiver für die Finanzmärkte zu machen.
Denn laut der Studie gibt es schlichtweg zu wenig Holz, um den weltweiten Energiehunger zu stillen. Fast alle Wälder der Welt müssten abgeholzt werden, um den weltweiten Energiebedarf eines einzigen Jahres zu decken. Ab dem zweiten Jahr müssten wir dann bereits weitestgehend auf die Holznutzung verzichtet werden, da es kaum mehr nutzbare Wälder gäbe.
Dr. Winter kommentiert: „Es ist ein Teufelskreis, der die unersetzlichen Wälder weiter zerstört. Momentan nutzt die Industrie den Wald, als gäbe es keinen Morgen. Wenn wir Klimakrise und Artensterben stoppen wollen, brauchen wir jetzt eine Trendwende in der Art wie wir unsere Wälder behandeln.“
Kreislauf- und Kaskadennutzung des Holzes gefordert
„Der Wald ist keine Holzfabrik, er ist unsere Lebensgrundlage. Die Studie zeigt, wie dringend wir eine Diskussion in Politik und Gesellschaft über die sinnvollste Verwendung von Holz brauchen. Schädliche Subventionen für die energetische Nutzung von Holz, wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz, gehören überdacht“, so Winter. Um den Holzverbrauch an das Angebot anzunähern, fordert der WWF, es kreislauf- und kaskadenartig zu nutzen. Statt es direkt im Kraftwerk oder Kamin zu verfeuern, würde es dann zuerst für langlebige Zwecke, zum Beispiel als Ersatz für den „Klimakiller“ Beton in der Bauindustrie genutzt werden.
Winter fordert: „Hierfür muss die Bundesregierung den gesetzlichen Rahmen für mehr Kreislaufwirtschaft setzen. Unterstützend notwendig sind dafür Investitionen in den Aufbau der Infrastruktur, zum Aufbau von Know-how und zur Bewusstseinsbildung für hochwertiges Recycling sowie zur stofflichen Weiterverwendung von Holzabfällen.“
Verschwendung beenden
Dr. Meghan Beck-O´Brien vom Center for Environmental Systems Research der Universität Kassel sagt: „Holz kann der Rohstoff der Zukunft sein. Aber um ihn nicht zu übernutzen, müssen wir die Verschwendung beenden, die wir durch unsere Geschäftsmodelle, Anreizsysteme und soziale Normen betreiben. Mehr als je zuvor gibt diese Studie uns den Anlass, unseren Lebensstil, den Zustand der Wälder und den Klimawandel in einem sich gegenseitig beeinflussenden Kontext zu betrachten“.
Dazu schlägt die Studie ein systemisches Monitoring vor. Es stellt die Verbindung zwischen dem Zustand der Wälder und dem wie, wie viel und was an Holz konsumiert wird. Beck-O´Brien sagt: „Die Menge macht´s, auch bei unserem Holzkonsum. Die Kluft zwischen Holzangebot und Nachfrage wächst allein schon durch das Bevölkerungswachstum weiter. Wir müssen achtgeben, dass unsere unersättliche Nachfrage nach „nachhaltigen“ Holzprodukten nicht zu einer noch gravierenderen Übernutzung der Wälder führt, denn das geht mit großen Sozial- und Umweltrisiken einher.“
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