Bauwende jetzt – und mit Handlungsempfehlungen
Die Frage nach mehr Nachhaltigkeit im Bau wird zur zentralen Aufgabe für den Sektor Bau. In Mecklenburg-Vorpommern wurden dazu Handlungsempfehlungen vorgestellt, an der TU Berlin verknüpfen ein Masterseminar und eine Ausstellung die Zukunft des Bauens mit der Wiedererrichtung der Bauakademie.
Aus dem Nachhaltigkeitsbericht 2021 des World Built Environment Forum geht hervor, dass die Bereitschaft zu umweltfreundlicheren Gebäuden und nachhaltigeren Projekten wächst, jedoch nicht schnell genug, um die globalen Netto-Null-Ziele zu erreichen.
Demnach geben zwei Drittel der Befragten aus dem Sektor Bau an, dass die oberste Priorität für mehr Nachhaltigkeit in der Minimierung von Abfällen liegt, und etwa die Hälfte der Befragten sieht widerstandsfähigere Bauprodukte, Baumaterialien und Baukomponenten als eine Hauptaufgabe an.
Die sogenannte Bauwende, die den Wandel in der Baubranche hin zu umwelt- und klimagerechten Technologien und Materialien bezeichnet, gewinnt folglich an Dynamik.
Zusammenschluss relevanter Akteure in Mecklenburg-Vorpommern
Mit der Gründung der „Allianz für nachhaltiges Bauen in Mecklenburg-Vorpommern“ und dem Zusammenschluss relevanter Akteure der Bauwirtschaft im Oktober 2022 kündigte die Allianz an, konkrete Handlungsempfehlungen für eine nachhaltigere Bauwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern zu erarbeiten und an die Politik zu überreichen.
In den Projektgruppen Ökologische Baustoffe, Energetisches Sanieren sowie Wertstoffkreisläufe und Zirkularität haben Expertinnen und Experten aus Planung, Verbänden, Wissenschaft und Bildung konkrete Vorschläge formuliert. Ziele waren dabei
- gesetzliche Rahmenbedingungen zur Einführung, Vermarktung und Verwendung von ökologischen Baustoffen unter anderem aus Mecklenburg-Vorpommern zu verbessern,
- den Wärme- und Strombedarf für den Betrieb der Gebäude in Mecklenburg-Vorpommern deutlich zu senken unter Beachtung nachhaltiger Bau- und Dämmstoffe und
- regionale Wertstoffkreisläufe für Bauelementen und Materialien zu schaffen und zu fördern.
Vom Reden ins Handeln übergehen
„Ökologischer Bauen können wir nur, wenn wir vom Reden ins Handel übergehen. Die Allianz hat sich den Möglichkeiten und Chancen einer nachhaltigen Bauwende gewidmet und unterbreitet nun konkrete Handlungsempfehlungen“, erläutert Siegbert Eisenach, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Schwerin. „Wir wollen in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Übergang schaffen, die Bauherren sowie planende und bauausführende Unternehmen mitnimmt.“ Das Know-how für nachhaltiges Handeln in der Bauwirtschaft sei im Land bereits ansässig.
Weitere als notwendig für die praktische Umsetzung der Bauwende betrachtete Punkte sind
- ökologische und damit volkswirtschaftliche Kosten zum Beispiel durch „graue Energie“ und Recyclingaufwand von Baustoffen bei den Vergaben einzupreisen, aber auch
- die Qualifizierung von Personal in Unternehmen und Behörden in den Bereichen Planung, Bau und bei Genehmigungs-, Vergabe- und Abnahmeprozessen konsequent und mit hoher Priorität zu verfolgen.
Öffentliche Hand hat Nachholbedarf
Dass die öffentliche Hand einen wichtigen Beitrag bei der Systematik und Durchsetzung von nachhaltigem Bauen im Sinne der Gesellschaft leisten kann, hebt Christoph Meyn hervor, der Präsident der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern: „Laut des Vergabestatistikberichtes des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sind nur 5,61 Prozent des bundesweit öffentlichen Auftragsvolumens im 1. Halbjahr 2021 an Bauvorhaben mit Nachhaltigkeitskriterien gebunden gewesen. Da ist noch Luft nach oben! Öffentliche Auftraggeber in Mecklenburg-Vorpommern sollten beispielgebend sein, wenn es darum geht, lokale Bauweisen und Wertstoffkreisläufe in öffentlichen Vergabeverfahren zu priorisieren.“
Große Potenziale im Bereich „Ökologische Baustoffe“
Das Netzwerk der Allianz habe mit der gemeinsamen Erarbeitung von umfassenden und fundierten Handlungsempfehlungen seine Tragfähigkeit bewiesen, findet Dr. Gesa Haroske, Präsidentin der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern: „Forschung, Planung und Bauausführung reden und handeln miteinander. Dabei zeigen sich für Mecklenburg-Vorpommern besonders im Bereich ‚Ökologische Baustoffe‘ große Potenziale, um eine gesamte Wertschöpfungskette im Land aufzubauen.“
Aktuell laufende Forschungsvorhaben an Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern (MV) verstehen sich nach ihren Worten als Leuchtturmprojekte, die einerseits den zertifizierten und geförderten Einsatz ökologischer Baustoffe, aber auch die Kommunikation zum Thema in die Öffentlichkeit verstärken sollen. Denn Klimaneutralität gehe mit Veränderungen von Wirtschaft und Lebensalltag aller Bürger einher.
„Eine Marke ‚Ökologische Baustoffe aus MV‘, mitgetragen von unserer Landesregierung, kann hierfür die Basis sein“, regte sie an.
Partner der „Allianz für nachhaltiges Bauen in Mecklenburg-Vorpommern“
Folgende Institutionen haben nach Angaben der IHK ihre Mitarbeit in der „Allianz für nachhaltiges Bauen in Mecklenburg-Vorpommern“ zugesagt:
- Architektenkammer MV
- Bauraum MV
- Bauverband MV
- BUND Mecklenburg- Vorpommern e. V.
- Europäische Bildungsstätte für Lehmbau Wangelin gGmbH
- Handwerkskammern Schwerin und Ostmecklenburg-Vorpommern
- Hochschule Neubrandenburg
- Hochschule Stralsund
- Hochschule Wismar mit dem Kompetenzzentrum BAU Mecklenburg-Vorpommern (KBauMV)
- IHK Neubrandenburg für das östliche Mecklenburg-Vorpommern
- IHK zu Rostock
- IHK zu Schwerin
- Ingenieurkammer MV
- Landesbeirat Holz MV
- Stiftung Akademie für nachhaltige Entwicklung MV
- Strahlwerk
- Universität Greifswald mit dem Bündnis Plant3
- Universität Rostock
- WVG mbH Greifswald
Ausstellung und Master-Seminar „Bauwende. Jetzt!“
Unterdessen lädt das Fachgebiet „Architecture for Health/Architecture for Future“ der TU Berlin am 22. Juli 2023 zur Podiumsdiskussion (siehe unten) über die Wiedererrichtung der Bauakademie als Demonstrationsprojekt für Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit ein, die im Rahmen der Jahresausstellung veranstaltet wird. Im Zentrum steht die Frage, wie eine neue Bauakademie inhaltlich wie baulich zum Demonstrationsprojekt für nachhaltiges und zukunftsfähiges Bauen werden kann.
Unter dem Titel „Wenn gestern die Zukunft sein soll, was ist dann morgen…?” wurden solche Fragen auch intensiv mit den Studierenden im Entwurfsstudio von Prof. Elisabeth Broermann und Prof. Adrian Nägel diskutiert, die im Sommersemester 2023 neu die Gastprofessur am Fachgebiet „Architecture for Health/Architecture for Future“ am Institut für Architektur der TU Berlin gestalten.
Im begleitenden Master-Seminar „Bauwende. Jetzt!“ thematisierten sie darüber hinaus die notwendigen Stellschrauben des nachhaltigen und zukunftsfähigen Bauens in Konstruktionsweisen und Materialwahl sowie die politischen und sozialen Rahmenbedingungen. Als Ergebnis sind 16 Factsheets und acht unterschiedliche Entwurfsideen der nächsten Generation auf dem Weg zur Wiedererrichtung der Bauakademie als richtungsweisende Institution in der IfA-Jahresausstellung an der TU Berlin zu sehen.
Ausstellung Studio und Seminar „Bauwende. Jetzt!“
Zeit: 21. bis 22. Juli 2023, ab 10.00 Uhr
Ort: TU Berlin, Institut für Architektur, Straße des 17. Juni 152, 10623 Berlin, Raum: 203
Einladung zur Podiumsdiskussion „Bauakademie. Jetzt!“
Anlass für das Gespräch ist der offene Brief zum Think-Tank Bauakademie an Bundesbauministerin Klara Geywitz von 30 führenden Institutionen aus Lehre, Verbänden, Galerien und Medien im Februar 2023. Diese fordern, wie in der Satzung der Bundesstiftung Bauakademie formuliert, eine „zentrale Dialogplattform mit internationaler Ausstrahlung“ zu errichten „als ein Abbild der Vielfalt und Visionen des Bauwesens, der Stadtentwicklung, des Wohnens und der Baukultur“.
Auf dem aktuell brachliegenden Grundstück der Bundesstiftung Bauakademie „Am Schinkelplatz“ im Herzen Berlins hatte Karl-Friedrich Schinkel 1832–1836 mit der damaligen Bauakademie eines der innovativsten Gebäude seiner Zeit geschaffen. In gleicher Weise soll „die Bauakademie einen Ausdruck finden, der die Zukunft des Bauens visuell nach außen transportiert und eine Vorbildfunktion für Bauen in planetaren Grenzen, also klima- und ressourcenangepasstes Bauen einnimmt“, empfehlen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des offenen Briefes. Sie stellen in Frage, ob der aktuell diskutierte Nachbau einer 190 Jahre alten Fassade im Jahr 2023 der passende und zeitgemäße Impuls sein kann. Die Schinkelsche Bauakademie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und die Ruine 1962 abgerissen.
Details zur Podiumsdiskussion
Zeit: 22. Juli 2023 um 14.40 Uhr
Ort: TU Berlin, Institut für Architektur, Straße des 17. Juni 152, 10623 Berlin, Raum Foyer
Als Expertinnen und Experten sind geladen:
- Bauakademie-Gründungsdirektor Guido Spars
- Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin
- Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau
- Kassem Taher Saleh, MdB, Obmann im Ausschuss für Wohnen und Stadtentwicklung und Mitglied im Stiftungsrat der Bundesstiftung Bauakademie
- Elisabeth Broermann, Mitglied bei Architects for Future und neue Gastprofessorin an der TU Berlin.
Es moderiert Jan R. Krause, Professor für Architektur Media Management an der Hochschule Bochum.
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