Pneumatischen Bauweise für den leichtesten Pavillon der Expo 2025
Sphärische Folien-Hohlkammern werden auf der in Osaka (Japan) stattfindenden Weltausstellung Expo 2025 den Schweizer Pavillon umhüllen und sollen ein Beispiel nachhaltiger Leichtbau-Architektur darstellen. Und auch „das“ Heidi darf nicht fehlen.
Vom 13. April bis 13. Oktober 2025 findet in der japanischen Wirtschaftsmetropole Osaka die nächste Weltausstellung statt. Zum Motto „Designing Future Society for Our Lives“ will sich die Schweiz als leistungsfähiger und führender Innovationshub präsentieren und zeigt dazu konkrete Beispiele aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung.
„La Suisse Enchantée“
Gestaltung, Bau und Rückbau des Schweizer Auftritts übernehmen Nüssli mit Manuel Herz Architekten und Bellprat Partner. Der Pavillon „La Suisse Enchantée“ wird in Leichtbauweise und „mit einem Hauch Magie“ umgesetzt, so das Team, das durch Robin Winogrond Landschaftsarchitekten, Studio AA-Morf und Kyoto Design Lab ergänzt wird.
Beim Namen für den Pavillon spielen die Schweizer anscheinend mit der Bedeutung des französischen Wortes „enchanté(e)“, das – wie in der Zauberflöte – im Sinne von „zauberhaft“ übersetzt werden kann und beim ersten Kontakt mit einer Person gute Dienste leistet („Enchanté(e) [de faire votre connaissance]“ entspricht in etwa: „Schön Sie kennenzulernen“).
Pneumatische, kugelförmige Konstruktion bietet Knackpunkte
„Wir sind sehr stolz, unsere langjährige Tradition als Umsetzungspartner des Schweizer Pavillons auf der Expo 2025 in Osaka fortsetzen zu können“, sagt Andy Böckli, Nüssli-CEO. „Trotz dieser langen Expo-Erfahrung wird uns der Schweizer Pavillon mit seiner pneumatischen, kugelförmigen Konstruktion aber auch einige Knackpunkte bieten.“
Denn die gesamte Ausstellungsfläche des Pavillons besteht aus einer zweischichtigen pneumatischen Konstruktion mit einer inneren Tragstruktur. Der Ausstellungsbereich ist ebenerdig, so dass keine vertikale Erschließung notwendig ist. Die Hülle aller Ausstellungsräume wiegt nach Angaben der Planer nicht mehr als 300 bis 400 Kilogramm, also nur ein Prozent herkömmlicher Gebäudehüllen.
„Den Architekturentwurf zusammen mit japanischen Dienstleistern und entsprechend den geltenden Richtlinien in Japan erfolgreich zu realisieren, erfordert das Kennenlernen von Land und Leuten“, begründet Stefan Sekiguchi, COO Special Projects von Nüssli die Zusammenarbeit mit dem lokalen Partner AA-Morf.
Creative Director Arnau Bellprat von Bellprat Partner freut sich auf die Herausforderungen im globalen Umfeld. „In unseren Spheres sollen die Besucher und Besucherinnen in eine immersive, narrative und fantastische Welt eintauchen können. Sie sollen ein sinnliches und emotionales Erlebnis haben, an das sie sich noch lange erinnern werden – wir nennen das eine biografische Notiz.“
Der Architekt Manuel Herz ist besonders an der pneumatischen Bauweise interessiert, die ein Gebäude von geringem Gewicht ermöglicht und eine lange Tradition für Pavillons bei Weltausstellungen hat. „Wir nehmen eine Architektur, die schon früher für ikonische Expo-Gebäude verwendet wurde, und interpretieren sie neu“.
Von einer Leichtbaukonstruktion getragene pneumatische Doppelhülle
Der Pavillon besteht mit Ausnahme des Funktionsgebäudes (siehe unten) aus einer pneumatischen Konstruktion mit einer unter Druck stehenden, hohlen Doppelhülle, die von einer komplementären Leichtbaukonstruktion getragen wird. Der Hohlkammer-Aufbau der Außenhülle hat den Vorteil, dass der pneumatische Druck nur innerhalb der Hülle erzeugt wird und somit keine Schleusen zwischen Innen- und Außenbereich notwendig sind. Der Luftdruck im Innern kann ohne großen Aufwand aufrechterhalten werden.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Innen- und Außenhülle unterschiedlich beschattet oder transparent sein kann. Auch wenn der Pavillon von aussen weisslich erscheint, kann ein abgedunkelter Innenraum geschaffen werden. Für die pneumatische Hülle wird ETFE verwendet. Dabei handelt es sich um einen polymeren Kunststoff ähnlich wie Teflon, der vollständig recycelbar ist und ein sehr geringes Flächengewicht aufweist. Die Tragkonstruktion befindet sich innerhalb der Hülle und ist daher kaum sichtbar.
Der gewählte Leichtbau hält auch starken Winden, heftigen Niederschlägen und sogar Erdbeben stand. Windstöße werden durch die Folien oder Kugeln in die Unterkonstruktion abgeleitet. Dank ihrer geringen Masse halten die Kugeln auch den in Japan nicht so seltenen Erdbeben stand. Die homogen verschweißten Folienhüllen sind vollkommen wasserdicht, was angesichts des starken Sommerregens in Osaka wichtig sei.
In die Natur eingebetteter Pavillon
Im Konzept für den Schweizer Pavillon steht nach Angaben von Nüssli die Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Kugeln und modulare Konstruktionen aus wiederverwendeten rezyklierbaren Materialien sowie Pflanzen, die das Gebäude überwachsen, umschließen und CO2 abscheiden, bilden die eingeschossige barrierefreie Architektur und tragen zu einem geringen ökologischen Fußabdruck bei.
Vom Südeingang des Geländes gesehen nehmen die Kugeln nach hinten an Höhe und Größe zu. Die letzte Kugel ruht nicht auf dem Boden, sondern auf dem Back-of-House (Funktionsgebäude) und scheint nach Angaben der Presseunterlagen „vor Leichtigkeit“ zu schweben. „Die Besucherinnen und Besucher sehen eine imposante, skulptural anmutende Konstellation von Kugeln, die nach oben hin größer werden und an die Holzfassade des Back-of-House grenzen.“
Für den Back-of-House-Bereich werden Baukastensysteme verwendet. Der Boden ist mit Brettsperrholzplatten verlegt, was zur Nachhaltigkeit des Gebäudes beiträgt. Die gesamte Konstruktion ist wiederverwendbar. Die ebenfalls kugelförmige Rooftop-Bar ist über einen Lift oder eine Treppe erreichbar. Ein grosses, rundes Fenster erlaubt einen Blick auf die kugelförmigen Ausstellungsräume und die Bucht von Osaka mit ihren Sonnenuntergängen.
Das Funktionsgebäude besteht aus modularen Elementen, die bereits ein früheres Leben hatten und nach der Expo ein neues Leben erhalten werden. Die Folie ist recycelbar und wird nach der Expo zu eigens entworfenen Möbeln verarbeitet. „Wir bauen nicht nur den leichtesten Pavillon der Expo, sondern sorgen auch für den kleinsten ökologischen Fußabdruck. Kurz, wir zeigen der Welt ein Beispiel der Schweizer Innovationskraft, ein Vorbild für künftige Bauten“, heißt es selbstbewusst in den Unterlagen zum Pavillon.
„Das“ Heidi als Bindeglied
Die Szenografie nimmt das leichte äußere Erscheinungsbild des Gebäudes auf und inszeniert die Inhalte in der Ausstellung mit Licht und Farbe. Die Besucherinnen und Besucher erleben in den fünf Sphären des Pavillons, wie aus den Nährstoffen der Natur sowie mit der humanistischen Tradition der Schweiz und etwas Magie Schweizer Innovationen entstehen. Sie können selbst mitgestalten, erkunden und schließlich Innovationskraft in Form von Pflanzensamen in die Welt hinaustragen.
Im Pavillon treffen sie zudem auf die mythische Figur „des“ Heidi, die als Bindeglied zum Gastgeberland Japan wirken soll. Die Japanerinnen und Japaner lieben die Geschichte des Mädchens aus den Schweizer Bergen mit seiner Natur- und Menschenliebe; der japanische Zeichentrickfilm „Heidi“ von 1974 erlangte weltweite Bekanntheit. Auch die Pflege und die Erhaltung der Natur seien wichtige gemeinsame Anliegen, die Japan und die Schweiz verbinden.
Zusammenarbeit und lokale Unterstützung
Das Thema Nachhaltigkeit werde im Schweizer Pavillon ernst genommen und mit akademischer Unterstützung umgesetzt. Mit Forschenden, Dozierenden und Studierenden des Kyoto Institute of Technology – insbesondere mit dem KIT Design Lab der Architektur-Fakultät – soll der soziale, ökonomische und ökologische Fußabdruck des Auftritts über die ganze Lebensdauer analysiert und verbessert werden.
Weiter wird der Schweizer Auftritt in Japan unterstützt von der Züricher Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin Robin Winogrond sowie vom Studio AA-Morf, einem Beratungsbüro für Architektur und Stadtdesign mit Sitz in Tokio.
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