Zementproduktion mit CO2-Abscheidung im Industrie-Maßstab
Vier europäische Zementhersteller können mit ihrem gemeinschaftlichen Forschungsprojekt nun in die Umsetzungsphase gehen und eine Anlage in Süddeutschland bauen und 2024 in Betrieb nehmen, die 450 Tonnen nutzbares Kohlendioxid pro Tag abscheiden kann.
Da bei der Entsäuerung von Kalkstein – dem wichtigsten Rohstoff für das Bindemittel Zement – immer Kohlendioxid freigesetzt wird, ist langfristig eine klimaneutrale Zementherstellung nur möglich, wenn es gelingt, das Kohlendioxid (CO2) einzufangen und als Rohstoff einzusetzen oder zu lagern. Die vier europäischen Zementhersteller Buzzi Unicem – Dyckerhoff, Heidelberg Materials – HeidelbergCement AG, Schwenk Zement GmbH und Co. KG und Vicat S.A. haben sich hierfür schon vor längerer Zeit in der Forschungsgesellschaft CI4C GmbH & Co. KG („Cement Innovation for Climate“) zusammengeschlossen und gemeinsam das CO2-Abscheide-Projekt Catch4climate entwickelt.
Bescheid für Mergelstetten liegt nun vor
Jürgen Thormann, technischer Geschäftsführer der CI4C GmbH & Co. KG, konnte nun einen wichtigen Schritt vermelden: „Das Projekt geht jetzt in die Umsetzungsphase, denn wir haben nach einer Verfahrensdauer von nur sieben Monaten vom Regierungspräsidium Stuttgart den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid für unsere Forschungs- und Entwicklungsanlage auf dem Gelände des Zementwerks in Mergelstetten erhalten.“
Die Anlage in dem Stadtteil von Heidenheim an der Brenz in Baden-Württemberg, für deren Errichtung und Betrieb über 120 Millionen Euro investieren werden, nutzt erstmals das sogenannte Pure-Oxyfuel-Verfahren zur CO2-Abscheidung. Gebaut wird dafür eine eigene Drehofenlinie mit einer Produktionskapazität von 450 Tagestonnen, die ausschließlich der Forschung und Entwicklung dient. Damit kommt die Anlage in eine ähnliche Größenordnung wie eine CO2-Abscheideanlage, die ab 2025 in Hannover etwa 100.000 Tonnen pro Jahr liefern soll.
Erste Anlage nach verbessertem Konzept
„Es ist nicht nur die erste Oxyfuel-Klinkerbrennanlage überhaupt, sondern auch gleichzeitig die erste Anlage, die nach unserem verbesserten Konzept geplant wurde“, so Jost Lemke, Entwicklungsingenieur aus dem Projektteam von Thyssenkrupp (Geschäftsbereich Polysius), das im Rahmen des Catch4climate-Projekts mit dem Bau einer Pure-Oxyfuel-Ofenanlage beauftragte Unternehmen.
„Die Anlage ist damit eine einmalige Möglichkeit, viele verschiedene Aspekte des Oxyfuel-Verfahrens an einem Ort und unter industriellen Bedingungen zu untersuchen“, lautet die Einschätzung von Lemke. „Neben einigen technischen Herausforderungen wird die Anlage kompakter und übersichtlicher im Vergleich zum konventionellen Oxyfuel-Konzept“.
Inbetriebnahme 2024
Ralf Hölscher, kaufmännischer Geschäftsführer der CI4C GmbH & Co. KG ergänzt: „In vielen Industriezweigen – etwa bei der Herstellung von Düngemitteln, Treibstoffen für Langstreckenflüge oder kunststoffbasierten hygienischen Medizinprodukten – wird Kohlenstoff dringend benötigt. Bislang wird dieser Kohlenstoff fast ausschließlich aus fossilen Energieträgern gewonnen. Wir wollen das mit unserer Pure-Oyxfuel-Anlage abgeschiedene CO2 künftig nutzen, um mit Hilfe erneuerbarer Energien sogenannte „reFuels“, also synthetische Kraftstoffe, wie beispielsweise Kerosin für den Flugverkehr, herzustellen.“
Das CI4C-Konsortium kooperiert nach eigenen Angaben dazu mit dem Land Baden-Württemberg. Gemeinsam mit Ministerpräsident und Verkehrsminister des Landes soll bereits eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet worden sein. Die Inbetriebnahme der CO2-Abscheide-Anlage ist für Mitte 2024 geplant.
100 Prozent kosteneffiziente Abscheidung als Ziel
Das in Mergelstetten eingesetzte Pure-Oxyfuel-Verfahren (aus Oxy für Oxygen = Sauerstoff und fuel = Brennstoff) ist ein Klinkerbrennverfahren, bei dem anstelle von Luft reiner Sauerstoff in den Ofen eingebracht wird, um die Wärmeerzeugung unter Ausschluss von Luftstickstoff durch Verbrennung von Primär- und Alternativbrennstoffen zu gewährleisten. Auf diese Weise wird im Ofen der CO2-Anteil im Abgas auf ca. 90 Prozent erhöht und damit das CO2-Abscheidungsspotenzial erheblich vergrößert.
Ziel sei es, 100 Prozent der CO2-Emissionen eines Zementwerks kosteneffizient abzuscheiden. Das Projekt soll zudem die Voraussetzungen für einen großflächigen Einsatz von CO2-Capture-Technologien in der Zementindustrie schaffen. Die Abscheidung ermöglicht eine spätere Nutzung oder Lagerung des Kohlendioxids (CCU, CCS).
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