Der Ausstieg aus der Kohle geht schneller voran
15 000 MW an Kraftwerksleistung werden bis 2023 stillgelegt, so der Plan. Es könnte noch mehr werden. Steag, der Betreiber der Kohlekraftwerke Bexbach und Weiher III liebäugelt mit deren Abschaltung. Ob das die Versorgungssicherheit gefährdet ist offen, zumal der Zubau an Windenergie schwächelt.
In diesem und im nächsten Jahr gehen in Deutschland wetterunabhängige Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 2 483 MW ans Netz, fast ausschließlich erdgasbefeuerte. Zwischen 2021 und 2023 werden im Gegenzug rund 15 000 MW stillgelegt, darunter allein 8 107 MW Kernenergie. Trotzdem ist das Netz stabil wie kaum jemals zuvor.
Ob das so bleibt ist offen, denn zum einen stockt der Ausbau der Windenergie, Speicher, die wetterbedingte Stromausfälle auffangen, sind kaum geplant, und der Ausstieg aus der Steinkohle geht schneller als erwartet. Ende nächsten Jahres könnten bereits weniger Steinkohle- und kleine Braunkohleanlagen am Netz sein, als gemäß Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) vorgesehen. Einer der wichtigsten Gründe für diese Entwicklung hat weniger mit Umweltschutz zu tun, als mit Wirtschaftlichkeit. Wegen steigender Preise im Emissionshandel der Europäischen Union werden Steinkohlekraftwerke immer unattraktiver.
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Schon 2022 könnte das Zielniveau bei der Kohle unterschritten werden
„Der Kohleausstieg geht stetig voran“, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann. In den ersten drei Ausschreibungsrunden erhielten Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 8 400 MW einen Zuschlag. Insgesamt sind acht Auktionen geplant. „Wir gehen davon aus, dass die installierte Leistung an Steinkohle und Braunkohle-Kleinanlagen Ende 2022 unter dem anvisierten Zielniveau von 15 000 MW liegen wird“, sagt Christoph Pfister vom Beratungsunternehmen Enervis Energy Advisors in Berlin.
Was macht die Bundesnetzagentur?
Derzeit sind noch 16 400 MW am Netz. Allerdings liegen bereits Anmeldungen zur endgültigen Stilllegung für eine Reihe weiterer Kraftwerke vor. Dazu zählen auch leistungsstarke Kraftwerke wie Bexbach, das mit 780 MW leistungsstärkste Kraftwerk im Saarland; und Weiher III mit 656 MW, plus 30 MW an Wärme, die ins Fernwärmenetz eingespeist werden. Beide betreibt die Essener Steag AG. „Unklar ist im Einzelfall, wann genau die Stilllegungen letztendlich erfolgen“, sagt Pfister. Die Anträge zur endgültigen Stilllegung müssten jedoch mindestens zwölf Monate im Voraus gestellt werden. Wobei unklar ist, ob die Bundesnetzagentur zustimmt. Sie kann Stilllegungen verhindern, wenn die Versorgungssicherheit in Gefahr gerät.
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Stilllegungen ohne Ausschreibung sind möglich
Die Agentur rechnet damit, dass 2023 Steinkohlekraftwerke mit einer Leistung von nur noch 13 300 MW ins Netz einspeisen. Stilllegungen im Rahmen von Ausschreibungen haben eine gewisse Entschädigung für die Betreiber der Anlagen zur Folge. Es könnte aber durchaus sein, dass sich Besitzer von Steinkohlekraftwerken von sich aus für zusätzliche Stilllegungen entscheiden, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht gewährleistet ist. „Insbesondere an Standorten, an denen eine Alternativlösung zur Wärmebereitstellung gebraucht wird, gibt es die Möglichkeit, auf andere Brennstoffe umzurüsten und dafür entsprechende Förderungen zu nutzen“, sagt Pfister. Er geht davon aus, dass kein Kraftwerksbetreiber daran denkt, seine Anlagen bis 2038 zu betreiben, dem offiziellen Ende der Kohleverstromung.
Görlitz gehört zu den Städten, in denen eine Umrüstung ansteht. Die Stadt betreibt mehrere Blockheizkraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 10 MW(el.) und gut 13 MW(th.). Alle werden mit Erdgas betrieben. Sie sollen durch Anlagen ersetzt werden, die emissionsfrei arbeiten. „In unseren Überlegungen spielen Biomasse, Wärme aus Abwasser oder aus Klärgas eine Rolle“, so Matthias Block, Vorsitzender der Stadtwerke. Auch Wasserstoff sei eine Möglichkeit. Maßgeblich sei letztlich aber, welche Technologien förderfähig sind.
In Görlitz könnte Wasserstoff zum Zuge kommen
Die Wärmeversorgung in Görlitz soll mit der von Zgorzelec verknüpft werden, der Partnerstadt am östlichen Neiße-Ufer. Dort liefert Kohle zu 100 % die Energie, die in das Fernwärmenetz eingespeist wird. Da muss sich schnell was ändern. Denn die EU-Emissionsrichtlinie lässt an Ende 2022 nur noch einen maximal 50 %-igen Anteil der Kohle in der Wärmeversorgung zu.
Wasserstoff würde für beide Städte passen, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs noch vereint waren. Die Fraunhofer-Gesellschaft baut auf dem Innovationscampus in Göritz das Fraunhofer Hydrogen Lab Görlitz (HLG) auf. Hier hat auch Siemens Energy seinen Sitz. Die Bauarbeiten beginnen im vierten Quartal dieses Jahres, Ende 2022 soll der Forschungsbetrieb dann schrittweise starten. Bund und Land investieren dort 42 Mio. €. Görlitz hat sich zudem um den Aufbau eines großen Elektrolyseurs beworben, den Siemens Energy plant.