Norwegen ist Deutschlands größte Batterie
Das Seekabel NordLink verbindet die beiden Länder, sodass sich Überschüsse oder Mangel an elektrischer Energie ausgleichen lassen. Seine Feuerprobe bestand das Kabel während des Sturmtiefs „Hermine“.
Am 27. Dezember 2020 ließ Sturmtief „Hermine“ den Strompreis an der Börse 19 Stunden lang ins Minus sinken. Großverbraucher mit Zugang zur Börse bekamen bis zu 3,358 Ct/kWh, die sie abnahmen. Grund war eine gewaltige Überproduktion an Windstrom in Deutschland. Zeitweise schafften die Generatoren eine Gesamtleistung von mehr als 43 GW, mit anderen Worten: Nahezu alle Windräder arbeiteten bei Nennleistung.
Das Sturmtief war die erste ernsthafte Bewährungsprobe für NordLink, ein Seekabel zwischen Norwegen und Deutschland, das seit wenigen Wochen im Testbetrieb ist. In dieser Phase liegt, so der niederländisch-deutsche Stromnetzbetreiber TenneT, die Spitzenübertragungsleistung bei 700 MW, das entspricht 50 % eines großen Kernkraftwerks. Im späteren Regelbetrieb – die endgültige Fertigstellung ist für Frühjahr 2021 geplant – wird die Übertragungsleistung bei 1 400 MW liegen.
Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ)
Um Verluste zu minimieren wird der Drehstrom aus dem deutschen beziehungsweise dem norwegischen Netz vor der Übertragung in Gleichstrom mit einer Spannung von 525 000 V umgewandelt und am Ziel wieder in Drehstrom konvertiert. Das geschieht im schleswig-holsteinischen Wilster beziehungsweise im norwegischen Tonstad. Am 27. Dezember floss der Strom von Wilster nach Tonstad. Bei Strommangel in Deutschland nimmt er den umgekehrten Weg.
Das Kabel ist 623 km lang. Auf einer Länge von 516 km liegt es auf dem Grunde der Nordsee in einem bis zu 3 m tiefen Graben, der nach der Verlegung zugeschüttet worden ist. So soll das Kabel vor Schäden etwa durch Fischernetze geschützt werden. In Norwegen sind die ersten 53 km ab dem Konverter als Freileitung ausgelegt. Die 54 km von der Küste bis zum Konverter in Wilster überbrückt ein Erdkabel.
Stütze für das Stromnetz
Hinter NordLink steckt eine faszinierende Idee. Norwegen wird damit Deutschlands größte „Batterie“ zur Speicherung von überschüssigem Wind- und Solarstrom, die das hiesige Netz stützt, wenn wetterbedingt zu wenig Strom produziert wird. Bisher springen in diesen Fällen Kohle- und Gaskraftwerke ein. Im Zuge der Dekarbonisierung, also dem zunehmenden Verzicht auf fossile Energieträger, wird diese bisher sichere Bank für die Stromversorgung immer schmaler.
Umgekehrt kann Norwegen seine Wasservorräte schonen, wenn aus Deutschland Strom fließt. Wichtig ist NordLink vor allem in trockenen Sommern, die auf Grund des Klimawandels immer häufiger zu werden drohen. Dann kann Norwegen Solarstrom aus Deutschland beziehen. Es hat bereits Zeiten gegeben, in denen die rund 1 600 Wasserkraftwerke Norwegens an ihre Grenzen stießen, denn die allermeisten sind keine Pumpspeicherkraftwerke, nutzen also nur das Wasser, das natürliche Niederschläge in hochgelegene Seen transportieren. Alternativen haben die Nordländer im eigenen Land kaum, denn 97 % des Stroms basieren auf Wasserkraft, 6 % auf Windenergie und ganze 2 % stammen aus Erdgaskraftwerken.
Vielfältige Verbindungen
Seit 2008 tauscht Norwegen bereits Strom mit Mitteleuropa aus. Ein HGÜ-Kabel verbindet das norwegische Feda und Eemshaven in den Niederlanden. Die Übertragungsleistung liegt bei 700 MW. Zeitweise bezieht Norwegen auch Wind- und Kohlestrom aus Dänemark oder Atomstrom aus Schweden. Das Land will die nachbarschaftliche Partnerschaft noch ausbauen. Geplant ist ein weiteres Seekabel nach Deutschland, das in Niedersachsen enden soll. Es wird eine Leistung von 1 400 MW haben. Wann der Bau dieses NorGer genannten Projekts beginnen wird, steht noch nicht fest.
NordLink hat rund 2 Mrd. € gekostet. Es wird von einem Konsortium realisiert, an dem zu jeweils 50 % der norwegische Übertragungsnetzbetreiber Statnett sowie die DC Nordseekabel GmbH & Co. KG beteiligt sind. An DC Nordseekabel halten TenneT und die KfW jeweils 50 % der Geschäftsanteile. Rechnerisch kann das Kabel 3,6 Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Anders als Batterien, Pumpspeicherkraftwerke und andere Puffer für überschüssigen Wind- und Solarstrom, die nur stundenweisen Betrieb erlauben, weil die Speicher dann leer sind, kann die Stromübertragung per NordLink in die eine oder andere Richtung notfalls tagelang aufrechterhalten werden.