Wasserstoff schließt Stromlücken
In Norwegen läuft die erste Gasturbine mit reinem Wasserstoff. Auch Kawasaki und Siemens arbeiten an diesem Ziel. Das leichteste aller Elemente soll in Zukunft eingesetzt werden, um wetterbedingte Stromlücken zu füllen.
Forschenden an der Universität Stavanger ist der Sprung in die energetische Zukunft gelungen. Sie haben eine Erdgasturbine so umgebaut, dass sie reinen Wasserstoff verbrennen kann. Die Turbine treibt einen Generator mit einer Leistung von 100 kW an. Der Strom wird in Institutsgebäuden genutzt, Überschüsse werden ins Netz des Stromversorgers Lyse eingespeist. Und die Abgase sind noch so heiß, dass sie für das Beheizen von Institutsgebäuden genutzt werden können.
Premiere für ein Wasserstoff-Kraftwerk
Ohne konventionelle Kraftwerke geht es noch nicht
Wasserstoff ist neben Batterien die wichtigste Option für das Schließen von Stromlücken, die das Wetter reißt. So deckte etwa in der Nacht vom 15. auf den 16. Juni Strom aus erneuerbaren Quellen in einer Dunkelflaute weniger als ein Viertel des Bedarfs in Deutschland. Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke sorgten für den Rest, gut 30 GW. Diese müssen künftig anderweitig abgedeckt werden. Wasserstoff, der in wind- und sonnenreichen Zeiten mit Überschussstrom in Deutschland selbst erzeugt oder aus Regionen wie Nahost, Nordafrika, Australien und Chile importiert wird, könnte die Lücken füllen.
Namibia: Wasserstoff aus der einstigen Diamanten-Hochburg
Wasserstoff bringt hohen Wirkungsgrad
Wasserstoff lässt sich in Brennstoffzellen in Strom zurückverwandeln. Alternativ können zur Rückverstromung auch Gasturbinen eingesetzt werden. Das geschieht am besten in sogenannten GuD-Kraftwerken (GuD = Gas und Dampf – die heißen Abgase aus der Turbine verdampfen Wasser, das in einem zweiten Turbogenerator zur Stromerzeugung genutzt werden kann). Diese haben, wenn sie mit Erdgas betrieben werden, einen Wirkungsgrad von mehr als 60 %, das ist ähnlich hoch wie bei Brennstoffzellen. Gasturbinen könnten allerdings die kostengünstigere Lösung sein.
Wasserstoffturbine für Lingen geplant
Der Essener Energieversorger RWE macht jetzt die Probe aufs Exempel. 2024 will der Konzern in seinem Gaskraftwerk Lingen im Emsland eine 34-MW-Turbine in Betrieb nehmen, die mit Wasserstoff oder einem beliebigen Mix aus Wasserstoff und Erdgas betrieben werden kann. Dies sei wichtig, weil davon auszugehen sei, dass die zur Rückverstromung verfügbare Menge an grünem Gas während des Hochlaufs der Wasserstoffwirtschaft häufig schwanken werde, so RWE.
„Eine der größten Herausforderungen der Energiewende ist es, jederzeit eine sichere CO2-freie Stromversorgung zu gewährleisten“, sagt Roger Miesen, Vorstandschef von RWE Generation. „Wasserstoffbetriebene Gaskraftwerke werden dafür einen wichtigen Beitrag leisten.“ Im Rahmen des Projekts „Get H2“ will RWE in Lingen bis 2024 eine 100-MW-Elektrolyseanlage errichten, die unter Einsatz von Offshore-Windstrom aus der Nordsee grünen Wasserstoff erzeugen wird. Die Kapazität soll bis 2026 auf 300 MW und bis 2030 auf 2 000 MW steigen.
Australischer Wasserstoff für die deutsche Energiewende
Gasturbinen-Testfeld in Schweden
Die Gasturbine für das RWE-Projekt in Lingen baut der japanische Konzern Kawasaki Heavy Industries. Siemens kam hier nicht zum Zuge. Das Münchner Unternehmen entwickelt ebenfalls eine Gasturbine für 100 % Wasserstoff. Dazu hat es sein Gasturbinen-Testfeld im schwedischen Finspång zu einem Modell für das Energiesystem der Zukunft ausgebaut. Dort entstand eine Demonstrationsanlage, um ein flexibles und umweltverträgliches Energiesystem zu demonstrieren, das Gasturbinen mit Wasserstoff, erneuerbarer Energie und Energiespeicherung verbindet. Dies liefere wertvolle Erkenntnisse, um den Weg in eine dekarbonisierte Energiezukunft zu beschleunigen.
Papierfabrik als Pionier
Das Zentrum umfasst einen Elektrolyseur, der den benötigten Wasserstoff vor allem mit Windstrom erzeugt, einen Wasserstoff-Druckspeicher und natürlich eine Gasturbine. Bisher läuft sie mit einem Wasserstoffanteil von 75 %. Außerdem baut ein Konsortium, dem Siemens Gas and Power, Engie Solutions, Centrax, Arttic, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und vier europäische Universitäten angehören, auf dem Gelände des französischen Papierherstellers Smurfit Kappa PRF in Saillat-sur-Vienne (Frankreich) eine Erdgasturbine um, sodass sie im Endstadium mit reinem Wasserstoff betrieben werden kann, der auf dem Gelände des Unternehmens mit Ökostrom hergestellt wird. Die Fabrik nutzt sowohl den Strom als auch die Prozesswärme der 12-MW-Turbine.