Stromspeicher: Ein neues Eisen im Feuer
Wenn sich in Sekundenschnelle Rost bildet wird eine Menge Wärmeenergie frei. Diese soll genutzt werden, um wetterbedingte Stromlücken zu stopfen – eine kostengünstige Alternative zu stationären Pufferbatterien.
Dass der Atomausstieg auf den letzten Metern noch ausgebremst wird, wird immer wahrscheinlicher. Steinkohle, die nach Braunkohle die höchsten CO2-Emissionen verursacht, und Erdgas, das besser zu Heizzwecken als existenzieller Rohstoff in der Industrie genutzt wird, scheinen selbst bei eingefleischten Skeptikerinnen und Skeptikern die schlechtere Alternative zur Kernenergie zu sein. Zumal Deutschland den dritten Weg nicht gegangen ist: Rechtzeitig Vorsorge zu treffen, dass aus der Steckdose auch dann noch sauberer Strom kommt, wenn Nacht ist und der Wind mal Pause macht. An den Bau von Stromspeichern in großem Stil, die in guten Zeiten mit Wind- und Solarstrom aufgeladen werden, um in schlechten Zeiten das Netz stabil zu halten, hat sich die Politik nicht getraut. Investitionen im dreistelligen Milliardenbereich schrecken eben ab.
Wasserstoff schließt Stromlücken
In Pulverform strotzt Eisen vor Energie
Vielleicht müssen es derart gigantische Summen ja gar nicht sein. Ein Konsortium deutscher Forschungseinrichtungen will Eisen in einen Stromspeicher verwandeln. Wie das? Zu den berühmtesten Versuchen im schulischen Physikunterricht gehört das Verschütten von feinstem Eisenpulver. Sobald es mit einer Kerzenflamme in Berührung kommt beginnt es zu brennen. Es handelt sich um die chemische Reaktion der Oxidation – des Rostens. Bei dicken Stahlträgern, wie sie im Brückenbau verwendet werden, geht diese Korrosion sehr langsam voran. Erst pulverförmig entfaltet Eisen spontan seine Energie.
Sicherheit für Quartiersspeicher – Abwehr von Bränden und Cyberattacken
Entrosten mit Ökostrom
Die Idee: Verrostete Eisenpartikel werden „reduziert“, also vom Rost befreit. Das klappt mit Wasserstoff, der in Elektrolyseuren mit Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Es bilden sich blankpoliertes Eisenpulver und reines Wasser. Das Pulver kann beliebig lange gelagert und problemlos transportiert werden, etwa für Importe aus sonnen- und windreichen Ländern. Wird zu wenig Strom ins Netz eingespeist, bei Dunkelheit etwa oder Flauten, wird das Eisenpulver kontrolliert verbrannt und erhitzt Wasser, sodass es zu Dampf wird und einen Turbogenerator antreiben kann. Der entstehende Rost soll an den Ausgangspunkt zurückgebracht werden, um erneut reduziert zu werden und wieder als Pufferspeicher für Ökostrom zu dienen. „Damit würde ein grüner Kreislauf geschaffen, bei dem kein Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre entweicht“, so Friedrich Plank vom Bereich Internationale Politik der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, eine der fünf wissenschaftlichen Institutionen, die an dem „Clean Circles“ genannten Projekt beteiligt ist. Sowohl Rost- als auch Eisenpartikel können beliebig lange gelagert werden, ohne dass Energie verloren geht.
Kohlekraftwerke sollen umgerüstet werden
An dem Projekt arbeiten Ingenieur-, Natur-, Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zusammen. Das Forschungskonsortium unter der Leitung der Technischen Universität Darmstadt verfolgt den Ansatz, thermische Kraftwerke, die bisher mit Kohle betrieben wurden, für den Betrieb mit Eisenstäuben umzurüsten.
Die TU Eindhoven hat es schon geschafft
Dass das Konzept aufgehen kann haben Forschende und Studierende der Technischen Universität Eindhoven bereits 2020 gezeigt. Sie rüsteten die Brauerei „Bavaria“ im niederländischen Lieshout mit einem Eisenbrenner aus. Er lieferte genügend Energie für das Brauen von 15 Mio. l Bier. Mittlerweile ist die Anlage wieder entfernt worden, weil sie als Demonstrationsprojekt nicht wirtschaftlich arbeiten konnte. Was nicht heißen soll, dass sich dieses Ziel nicht erreichen lässt. „Wir wollen noch vor 2030 die ersten Kohlekraftwerke in umweltverträgliche Eisenkraftwerke umwandeln“, sagt Chan Botter, der das Studierendenteam geleitet hat.