Anpassung der Arbeitsplatzgrenzwerte für Kohlenwasserstoffgemische (Lösemittelkohlenwasserstoffe)
Zusammenfassung Die Arbeitsplatzgrenzwerte zur Beurteilung der Konzentrationen von Lösemittelkohlenwasserstoffen wurden vom deutschen Ausschuss für Gefahrstoffe überarbeitet. Dies hat Auswirkungen für Lieferanten und nachgeschaltete Anwender. Die geänderten Rahmenbedingungen erfordern auch eine Anpassung des empfohlenen Messverfahrens für Arbeitsplatzmessungen. Aktualisierte Praxishilfen zur Umsetzung des modifizierten Konzepts sind im Internet verfügbar.
1 Einführung
Kohlenwasserstoffgemische bestehen ausschließlich aus Kohlenwasserstoffen, d. h. aus organischen Verbindungen, die sich nur aus den Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff zusammensetzen. Hierzu gehören n-Aliphaten, Isoaliphaten, Cycloaliphaten (Naphthene) und Aromaten. Sie stellen in der Regel Siedeschnitte aus der Erdölverarbeitung dar.
Wie im vorausgegangen Beitrag zu diesem Thema beschrieben [1], wurden in Deutschland die Grenzwerte für additivfreie Lösemittelkohlenwasserstoffgemische an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst und das Beurteilungskonzept etwas vereinfacht. Es gelten die in Tabelle 1 aufgeführten Gruppengrenzwerte.
Diese Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) sind anzuwenden auf flüssige Gemische, die aus Kohlenwasserstoffen mit bis zu 14 Kohlenstoffatomen pro Molekül bestehen (Siedebereich bis ca. 250 °C) oder diese als Bestandteile enthalten, einen Benzolgehalt unter 0,1 Gew.-% aufweisen und denen keine kohlenwasserstofffremden Additive von mehr als 1 Gew.-% zugesetzt sind. Sie werden als Lösemittel in Lacken, Farben, Klebern, Reinigern, Verdünnern usw. verwendet. Liegen Gemische aus Kohlenwasserstoffen und anderen Lösemitteln vor, dann erfolgt die Berechnung des Grenzwertes nur auf der Basis des Kohlenwasserstoffanteils in der Gesamtmischung. Die Vorgehensweise zur Berechnung der Grenzwerte mittels der RCP-Formel (RCP: reciprocal calculation-based procedure, Kehrwertrechenverfahren) wird in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 900 Nr. 2.9 beschrieben [2] und im Folgenden näher erläutert.
2 Berechnung des anzuwendenden neuen Grenzwertes
2.1 Grundregeln
Der für ein bestimmtes Kohlenwasserstoffgemisch anzuwendende AGW (Gemischgrenzwert, AGWGemisch gemäß Gl. (1)) ist anhand der Zusammensetzung des Kohlenwasserstoffgemisches mittels der RCP-Formel zu berechnen:
Fraktion: Massenanteil (w/w) der jeweiligen RCP-Gruppe des Kohlenwasserstoffgemisches oder eines Kohlenwasserstoffgemisches mit bekanntem RCP-Grenzwert oder eines den RCP-Gruppen zugehörigen Einzelkohlenwasserstoffs im flüssigen Lösemittel.
AGWa…n: Gruppengrenzwert der jeweiligen Fraktion oder RCP-Grenzwert des Kohlenwasserstoffgemisches oder stoffspezifischer Arbeitsplatzgrenzwert
Dabei ist zu beachten, dass
- Einzelkohlenwasserstoffe, die einer der RCP-Gruppen zuzuordnen sind, bei der Berechnung des Gemischgrenzwertes mit ihren Gruppengrenzwerten zu berücksichtigen sind, auch solche mit einem stoffspezifischen und vom Gruppengrenzwert abweichenden AGW. Beispielsweise muss der C9-Aromat 1,2,4-Trimethylbenzol bei der Berechnung des Gemischgrenzwertes mit dem Gruppengrenzwert der C9-C14-Aromaten in Höhe von 50 mg/m³ statt mit seinem AGW in Höhe von 100 mg/m³ [2] in die Berechnung einfließen.
- nicht in die RCP-Gruppen fallende Kohlenwasserstoffe, wie C7-und C8-Aromaten (Toluol, alle Xylol-Isomeren und Ethylbenzol), C5-Aliphaten oder Naphthalin, nicht in die Berechnung des Gemischgrenzwertes einbezogen werden. Bei der Ermittlung der Bewertungsindizes nach Abs. 5.2.1 (2) TRGS 402 [3] werden diese Stoffe mit ihren stoffspezifischen AGW berücksichtigt.
- die errechneten AGW wie folgt auf- oder abzurunden sind:
< 100 mg/m3: auf volle 25,
> 100 mg/m3: auf volle 50.
2.2 Rechenbeispiel
Beim nachfolgenden Anwendungsbeispiel wird der AGW für den Kohlenwasserstoffanteil eines fiktiven Verdünners, bestehend aus mehreren Kohlenwasserstoffgemischen, Einzelkohlenwasserstoffen sowie einem weiteren Lösungsmittel errechnet. Der Verdünner setze sich aus folgenden Inhaltsstoffen zusammen (Bild 1):
- 30 Gew.-% Kohlenwasserstoffgemisch 1 (bestehend aus C9-C14-Aliphaten, AGW: 300 mg/m³),
- 50 Gew.-% Kohlenwasserstoffgemisch 2 (bestehend aus C9-C14-Aromaten, AGW: 50 mg/m³),
- 15 Gew.-% Xylol (Isomerengemisch),
- 5 Gew.-% Butylacetat.
Zur Berechnung des AGW muss im ersten Schritt geprüft werden, welche Bestandteile des Verdünners unter die RCP-Bewertung fallen. Xylol ist ein aromatischer C8-Kohlenwasserstoff und liegt damit außerhalb des mit dem RCP-Verfahren geregelten Bereichs, der für Aromaten eine Mindestkohlenstoffzahl von neun pro Molekül vorsieht (Tabelle 1).
Auch Butylacetat ist nicht zu berücksichtigen, da es zwei Sauerstoffatome pro Molekül enthält und somit kein reiner Kohlenwasserstoff ist. Bei der Berechnung des Gemischgrenzwertes müssen daher nur die Bestandteile Kohlenwasserstoffgemisch 1 (KWGemisch1) und Kohlenwasserstoffgemisch 2 (KWGemisch2) betrachtet werden.
Der RCP-Kohlenwasserstoffanteil im Gemisch beträgt damit insgesamt 80 Gew.-%, davon entfallen mengenmäßig 37,5 Gew.-% auf KWGemisch1 (Fraktion 1 = 0,375) und 62,5 Gew.-% auf KWGemisch2 (Fraktion 2 = 0,625).
Der RCP-Grenzwert errechnet sich gemäß Gl. (1) wie folgt:
AGWGemisch = 73 mg/m³,
mit Anwendung der oben beschriebenen Rundungsregel: AGWGemisch = 75 mg/m³.
Bei der Expositionsbewertung der gesamten Arbeitsplatzatmosphäre gehen die Kohlenwasserstoffe aus den beiden Kohlenwasserstoffgemischen 1 und 2 mit diesem AGWGemisch ein, während Xylol und Butylacetat, die nicht Bestandteile der RCP-Regelungen sind, mit ihren stoffspezifischen AGW – nach TRGS 900 derzeit 440 bzw. 300 mg/m3 – berücksichtigt werden müssen. Für die Berechnung des Bewertungsindexes nach TRGS 402 (Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition [3]) Nummer 5.2.1 Abs. 2 sind die Stoffindizes für das Kohlenwasserstoffgemisch, Xylol und Butylacetat zu addieren.
Weitere Beispiele zur Berechnung des anzuwendenden AGW sowie eine Übersicht der handelsüblichen Lösemittelkohlenwasserstoffgemische mit Angabe des neuen AGW und der Bezeichnung nach HSPA („Naming Convention“, siehe Teil 1 [1]) finden sich in der IFA-Arbeitsmappe [4], Kennzahl 0514/2. Zur Berechnung kann auch der im Internet verfügbare Online-Rechner für Kohlenwasserstoffgemische [5] des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) genutzt werden (Bild 2).
3 Konsequenzen für Lösemittellieferanten
Die neuen, niedrigeren Gruppengrenzwerte für Kohlenwasserstoffgemische, aufgeführt in der TRGS 900, bedeuten für alle handelsüblichen Lösemittelkohlenwasserstoffgemische niedrigere AGW, die bei industrieller und professioneller Verwendung zu beachten sind.
Lieferanten (Hersteller und Importeure) von Lösemittelkohlenwasserstoffgemischen sind gehalten, in Kapitel 8.1 des Sicherheitsdatenblattes für ihre Produkte (UVCB1)-Stoffe) die mittels RCP-Methode kalkulierten neuen AGW als nationale Grenzwerte für Lang- und Kurzzeitexpositionen auszuweisen.
In Tabelle 2 ist eine Übersicht von 17 handelsüblichen der insgesamt 77 unter REACH registrierten und damit in der Europäischen Union (EU) verkehrsfähigen Lösemittelkohlenwasserstoffgemische mit einer Auswahl zugeordneter UVCB-Kohlenwasserstoffe sowie einer Gegenüberstellung der alten und neuen AGW nach der RCP-Methode dargestellt.
4 Konsequenzen für nachgeschaltete Anwender
Für nachgeschaltete Anwender können sich die Änderungen in der Gefährdungsbeurteilung und auf die Inhalte des Sicherheitsdatenblattes auswirken.
4.1 Tätigkeiten mit Lösemittelkohlenwasserstoffgemischen
Anwender, die Lösemittelkohlenwasserstoffgemische oder lösemittelkohlenwasserstoffgemischhaltige Produkte einsetzen oder herstellen, müssen auf der Basis der neuen – in der Regel niedrigeren – AGW und des geänderten Geltungsbereiches eine erneute Gefährdungsbeurteilung durchführen. Dabei ist kritisch zu prüfen, ob die Informationen aus der vorliegenden Gefährdungsbeurteilung ausreichend sind, um die Neubewertung vornehmen zu können.
Bestimmte Einzelstoffe, die früher unter den Geltungsbereich des RCP-Konzepts fielen, aber bei seiner Neufassung herausgelöst wurden, müssen nun getrennt mit einem individuellen AGW bewertet werden. Dieser AGW kann auch höher liegen als der ehemalige Gruppengrenzwert. So fielen die Xylolisomeren ursprünglich in den Definitionsbereich der RCP-Gruppe kurzkettiger Aromaten mit einem gemeinsamen Grenzwert von 200 mg/m³. Im aktuellen Regelwerk liegen die Xylole außerhalb des RCP-Regelungsbereiches und fließen nach TRGS 900 mit ihrem stoffspezifischen AGW in Höhe von 440 mg/m³ in die Gesamtbewertung ein (Rechenbeispiel in Abschn. 2).
Eine Neubeurteilung auf der Basis der alten Daten kann nur erfolgen, wenn ausreichende Informationen über die Zusammensetzung der eingesetzten Kohlenwasserstoffgemische vorliegen. Eine Berechnung des neuen Gemischgrenzwerts ist möglich, wenn die Massenanteile der einzelnen RCP-Fraktionen und der ausgenommenen Kohlenwasserstoffe vorliegen und wenn die Luftkonzentrationen ggf. vorhandener C5-Aliphaten, C7– und C8-Aromaten sowie von Naphthalin stoffspezifisch in den Analysenergebnisse ausgewiesen sind (siehe Bild 1).
Liegen keine ausreichenden Informationen für die Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung vor, müssen die erforderlichen Daten ermittelt werden. Wie bereits angedeutet, ist dabei zu bedenken, dass neben Benzol jetzt auch Pentan (alle Isomeren), Toluol, Ethylbenzol, Xylol (alle Isomeren) und Naphthalin nach TRGS 402 stoffspezifisch anhand ihrer Grenzwerte zu beurteilen sind. Sie fallen nach dem neuen Konzept nicht mehr unter die AGW für Lösemittelkohlenwasserstoffgemische nach der RCP-Regelung. Sind die erforderlichen Daten nicht zu beschaffen, kann alternativ eine „Worst-case“-Betrachtung erfolgen und für die Beurteilung aller Kohlenwasserstoffgemische z. B. der AGW von 29 mg/m³ für Decalin oder der niedrige Gruppengrenzwert für C9-C14-Aromaten von 50 mg/m³ herangezogen werden.
Falls für die Gewichtsanteile der einzelnen Kohlenwasserstoffgruppen lediglich Spannen angegeben sind (z. B. „15 bis 40 %“), ist ebenfalls nach dem „Worst-case“-Prinzip zu verfahren.
Bei der Neubeurteilung der inhalativen Exposition ist zu beachten, dass bei der Summation nach TRGS 402 Nummer 5.2.1 Absatz 2 (Bewertungsindex) neben dem Stoffindex für das Kohlenwasserstoffgemisch auch die Stoffindizes der nicht unter die RCP-Formel fallenden Kohlenwasserstoffe Pentan, Toluol, Ethylbenzol, Xylol und Naphthalin und ggf. sonstiger Stoffe zu berücksichtigen sind (siehe Rechenbeispiel in Abschn. 2). Informationen zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bei Exposition gegenüber Lösemittelkohlenwasserstoffgemischen mit Beispielen enthält die IFA-Arbeitsmappe [4].
Nach Anhang „Arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebotsvorsorge“ (Teil 1) der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) [6] ist eine Pflichtvorsorge u. a. bei Tätigkeiten mit Toluol und Xylolen vorgesehen, „wenn der [stoffspezifische] Arbeitsplatzgrenzwert […] nach der Gefahrstoffverordnung nicht eingehalten wird“. Wegen der jetzt erfolgten Ausgrenzung von C7– und C8-Aromaten aus dem RCP-Regime müssen die Xylol- und Toluolkonzentrationen am Arbeitsplatz separat ermittelt werden. Aus den so erhaltenen Ergebnissen lässt sich unmittelbar ablesen, ob eine arbeitsmedizinische Vorsorge zu veranlassen ist. Nach dem alten RCP-Konzept musste nur die Kohlenwasserstoffkonzentration für die Beurteilung nach TRGS 402 bestimmt werden; im Hinblick auf die Regelungen der ArbMedVV waren also zusätzliche Ermittlungen durchzuführen.
4.2 Herstellung von Produkten aus Lösemittelkohlenwasserstoffgemischen
Sofern bei der Herstellung nur ein Lösemittelkohlenwasserstoffgemisch eingesetzt wird, kann der im Sicherheitsdatenblatt angegebene AGW übernommen werden, wenn er bereits nach dem neuen RCP-Konzept berechnet wurde. Anderenfalls muss der neue AGW beim Lösemittellieferanten angefordert oder über eine Analyse des Kohlenwasserstoffgemisches selbst ermittelt werden.
Werden bei der Herstellung des Produkts jedoch mehrere Lösemittelkohlenwasserstoffgemische eingesetzt oder einem Lösemittelkohlenwasserstoffgemisch in der RCP-Formel zu berücksichtigende Einzelkohlenwasserstoffe (Abschn. 2) zugesetzt, ist vom Hersteller des Produktes gegebenenfalls ein neuer AGW nach dem im Abschnitt 2.9 der TRGS 900 beschriebenen RCP-Konzept zu berechnen und nach TRGS 900 im Sicherheitsdatenblatt anzugeben.
5 Messung und analytische Bestimmung
5.1 Materialproben
In Einzelfällen steht keine Information über die Zusammensetzung eines Kohlenwasserstoffgemisches zur Verfügung. Daher kann es für die Berechnung des Luftgrenzwertes nach dem RCP-Konzept erforderlich sein, dieses Kohlenwasserstoffgemisch chemisch zu analysieren, um so die Anteile der verschiedenen Kohlenwasserstofffraktionen zu ermitteln. Wegen der Vielzahl möglicher Isomeren – sowohl bei den aliphatischen als auch bei den aromatischen Kohlenwasserstoffen – werden nur diejenigen Substanzen einzeln bestimmt, die gesondert zu berücksichtigen sind. Materialproben mit dem Analysenwunsch „Kohlenwasserstoffgemische“ werden gaschromatographisch untersucht (IFA-Arbeitsmappe [4], Kennzahl 7735). Als Grundlage der Grenzwertberechnung sind die Anteile der folgenden Gruppen und Einzelsubstanzen zu bestimmen:
1. aliphatische Kohlenwasserstoffe C6 bis C8,
2. aliphatische Kohlenwasserstoffe C9 bis C14,
3. aromatische Kohlenwasserstoffe C9 bis C14,
4. Stoffe, die gesondert zu berücksichtigen sind: n-Hexan, Decahydronaphthalin, Toluol, Ethylbenzol, o-Xylol, m-Xylol, p-Xylol und Naphthalin.
Die Signale im Chromatogramm werden nach folgender Konvention zugeordnet: In der Gruppe der aliphatischen Kohlenwasserstoffe C6 bis C8 wird die Grenze oberhalb der Retentionszeit von n-Pentan und im Übergangsbereich zwischen C8 und C9 die Grenze bei der Retentionszeit von n-Octan gesetzt. Um den Anteil von C6-C8-Aliphaten zu berechnen, ordnet man also alle Signale, deren Retentionszeiten zwischen n-Pentan und n-Octan (einschließlich) liegen, diesem Bereich zu. n-Pentan und alle Signale, deren Retentionszeiten unterhalb derjenigen von n-Pentan liegen, werden der Gruppe der aliphatischen C5-Kohlenwasserstoffen zugewiesen. Alle Signale, deren Retentionszeiten zwischen n-Octan und n-Tetradecan (einschließlich) liegen, werden dem Bereich der C9-C14-Aliphaten zugeordnet und entsprechend berechnet. Die Signale für n-Hexan und Decahydronaphthalin werden gesondert ausgewertet.
Von den aromatischen Kohlenwasserstoffen werden Naphthalin, Toluol, o-, m-, p-Xylol und Ethylbenzol als Einzelsubstanzen identifiziert, da sie mit ihren stoffspezifischen AGW beurteilt werden und ihr Massenanteil nicht in die RCP-Formel einfließt. Alle anderen aromatischen C9-C14– Kohlenwasserstoffe werden der Gruppe der C9– C14-Aromaten zugeordnet.
5.2 Luftproben
Für die Analyse von Luftproben kann weiterhin auf das beschriebene Verfahren für RCP mit einer Probenahme auf Aktivkohle und anschließender gaschromatographischer Analyse zurückgegriffen werden (IFA-Arbeitsmappe [4], Kennzahl 7735). Die Analytik wird entsprechend angepasst. Die Grenzen werden analog zum oben beschriebenen Verfahren gezogen, sodass die geforderten Bereiche (aliphatische Kohlenwasserstoffe C6 bis C14 und aromatische Kohlenwasserstoffe C9 bis C14) erfasst werden.
Abhängig von den Angaben im Sicherheitsdatenblatt zur Zusammensetzung des Kohlenwasserstoffgemisches müssen gegebenenfalls folgende Probenahmen zusätzlich durchgeführt werden:
- Zur Bestimmung der Konzentration der Komponenten Ethylbenzol, Toluol und o-, m-, p-Xylol muss zukünftig eine weitere Probenahme parallel erfolgen. Beispielsweise kann ein Aktivkohleröhrchen beaufschlagt und gemäß IFA-Arbeitsmappe [4], Kennzahl 7733, untersucht werden.
- Für die aliphatischen C5-Kohlenwasserstoffisomeren muss eine weitere Probenahme parallel erfolgen. Bisher gibt es nur für n-Pentan beschriebene validierte Methoden (z. B. IFA-Arbeitsmappe, Kennzahl 7732). Die Isomeren 2-Methylbutan und 2,2-Dimethylpropan (Neopentan) sind sehr flüchtig. Daher wird empfohlen, bis zur Verfügbarkeit einer validierten Methode zwei hintereinander geschaltete Aktivkohleröhrchen für die Probenahme einzusetzen, um einen Durchbruch zu vermeiden.
- Bei der Konzentrationsbestimmung von Naphthalin muss zur simultanen Erfassung der Dampf- und der Partikelphase eine Probenahme auf einem Silicagelröhrchen mit vorgeschaltetem Filter erfolgen (IFA-Arbeitsmappe, Kennzahl 8055).
Nicht eindeutig identifizierbare Stoffe werden wie bisher als Kohlenwasserstoffe bewertet und entsprechend berücksichtigt. Die Beschreibung des Verfahrens in der IFA-Arbeitsmappe wurde kürzlich überarbeitet und an die neuen Anforderungen angepasst.
6 Ausblick
Die Neuregelungen für Lösemittelkohlenwasserstoffgemische sind seit ihrer Veröffentlichung im Gemeinsamen Ministerialblatt [2] als verbindlich zu betrachten. Eine Übergangsfrist ist nicht vorgesehen. Dennoch muss damit gerechnet werden, dass es einige Zeit dauern wird, bis die geänderten AGW auch in den Sicherheitsdatenblättern für kohlenwasserstoffhaltige Produkte (z. B. Reiniger, Verdünner, Farben oder Lacke) Berücksichtigung finden. Die entsprechenden Angaben im Sicherheitsdatenblatt sollten deshalb bis auf Weiteres sehr kritisch in Augenschein genommen werden. Bestehen Zweifel, ob ein Gemisch-Arbeitsplatzgrenzwert nach dem aktuellen RCP-Konzept berechnet wurde, empfiehlt es sich, beim Hersteller nachzufragen. Falls im Sicherheitsdatenblatt AGW als Gruppengrenzwerte für Lösemittelkohlenwasserstoffgemische genannt werden, die größer als 700 mg/m3 sind, kann man davon ausgehen, dass noch das veraltete Verfahren angewandt wurde. Auf der IFA-Internetseite „Arbeitsplatzgrenzwerte für Kohlenwasserstoffgemische“ stehen dem Anwender ergänzende Informationen zu den neuen AGW und deren Anwendung (u. a. ein Faltblatt und Rechenbeispiele) einschließlich integriertem „RCP-Rechner“ [5] zur Verfügung.
Das Grenzwertkonzept für Lösemittelkohlenwasserstoffgemische ist als dynamisches System aufzufassen, das vor dem Hintergrund wachsender Erkenntnisse zur Toxikologie von Einzelkomponenten einem ständigen Anpassungsdruck unterworfen ist. Schon in naher Zukunft muss sich der Ausschuss für Gefahrstoffe darum bemühen, Einzelstoffgrenzwerte für Diethylbenzol-Isomere, 1,2,4-Triethylbenzol, n-Butylbenzol, Biphenyl, Methylnaphthalin-Isomere und Tetralin aufzustellen. Diese Stoffe weisen zwar unbestritten eine höhere toxikologische Wirkstärke auf als die zur Aufstellung der Gruppengrenzwerte für die entsprechende Kohlenwasserstofffraktion herangezogenen Leitsubstanzen, sind aber bisher nicht mit einem individuellen AGW in der TRGS 900 aufgeführt.
1) UVCB: Stoffe unbekannter variabler Zusammensetzung, komplexe Reaktionsprodukte oder biologische Materialien.
Danksagung
Frau Gabriele Janssen, Fa. Bernd Schwegmann, danken wir für die konstruktive Fachdiskussion bei der Entwicklung des RCP-Rechners und des Faltblattes.
Literatur
- Nies, E.; Heine, K.; Jacobi, R.; Leibold, E.; Breuer, D.; Csomor, A.; Pflaumbaum, W.; Werner, S.; Kalberlah, F.: Anpassung der Arbeitsplatzgrenzwerte für Kohlenwasserstoffgemische (Lösemittelkohlenwasserstoffe). Teil 1: Ableitung der neuen Grenzwerte. Gefahrstoffe – Reinhalt. Luft 77 (2017) Nr. 11/12, S. 481-486.
- Technische Regeln für Gefahrstoffe: Arbeitsplatzgrenzwerte (TRGS 900). GMBl. (2017) Nr. 50, S. 919-922.
- Technische Regeln für Gefahrstoffe: Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition (TRGS 402). GMBl. (2010) Nr. 12, S. 231-253; zul. geänd. GMBl. (2016) Nr. 43, S. 843-846.
- IFA-Arbeitsmappe Messung von Gefahrstoffen. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin. Berlin: Erich Schmidt – Losebl-Ausg. 1989. www.ifa-arbeitsmappedigital.de
- Rechner für Kohlenwasserstoffgemische, AGW für Lösemittelkohlenwasserstoffe. Hrsg.: Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin. www.dguv.de/ifa, Webcode: d17651.
- Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18. Dezember 2008. BGBl. I (2008), S. 2768-2779; zul. geänd. BGBl. I (2016), S. 2549. www.gesetze-im-internet.de/arbmedvv/ArbMedVV.pdf
Dr. Wolfgang Pflaumbaum, Dipl.-Chem. Silke Werner, Prof. Dr. Dietmar Breuer, Dr. Eberhard Nies - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin.
Dr. Anita Csomor - Regierungspräsidium Kassel.
Dr. Reinhard Jacobi - DHC Solvent Chemie, Mülheim an der Ruhr.
Dr. Karin Heine und Dr. Fritz Kalberlah - Forschungs- und Beratungsinstitut Gefahrstoffe (FoBiG), Freiburg.
Dr. Edgar Leibold, BASF SE, Ludwigshafen.