Simultane Bestimmung der Desinfektionsmittel Peroxyessigsäure und Wasserstoffperoxid
Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe hat vor über zehn Jahren ein sammelndes Messverfahren zur simultanen Bestimmung der Desinfektionsmittel Peroxyessigsäure und Wasserstoffperoxid entwickelt. Mithilfe dieses Messverfahrens wurden bislang zahlreiche Expositionsmessungen im Rahmen von Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt. Dabei konnten Emissionsquellen an aseptischen Abfüllanlagen aufgespürt und die Anlagen gemeinsam mit Betreiber und Maschinenhersteller dahingehend verbessert werden, die Exposition des Bedienpersonals gegenüber den schleimhautreizenden Stoffen zu senken. Durch Messungen bei manuellen Desinfektionsvorgängen bei der Nahrungsmittelherstellung wie auch im Gesundheitswesen konnten Expositionsspitzen ermittelt werden, die im Einzelfall die gesundheitlichen Probleme von Beschäftigten erklären oder für die Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen maßgeblich sind. Das Messverfahren hat sich in der Praxis gut bewährt und ermöglicht die Überprüfung der aktuellen Beurteilungsmaßstäbe beider Desinfektionsmittel.
1 Einleitung
Bei der Lebensmittelherstellung ist die Desinfektion neben der Reinigung ein wichtiger Bestandteil einer umfassenden Lebensmittelhygiene. Regelmäßige Reinigung und Desinfektion aller Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, erhöhen die Lebensmittelsicherheit für den Verbraucher und beugen einer Gesundheitsgefährdung vor. Desinfektionsmittel töten Mikroorganismen ab oder reduzieren diese auf ein gesundheitlich verträgliches Maß. Dadurch wird das Produkt gegen mikrobiell bedingte Qualitätsminderung und Verderb geschützt. Durch die Anwendung von Desinfektionsmitteln kann eine längere Haltbarkeit gewährleistet werden, ohne das Lebensmittel thermisch zu belasten oder mit Konservierungsstoffen zu versetzen [1].
Im Nahrungsmittelgewerbe sind insbesondere die beiden Peroxide Peroxyessigsäure und Wasserstoffperoxid als Desinfektionsmittel weit verbreitet. Auch im Gesundheitsdienst werden diese zur Desinfektion eingesetzt.
2 Peroxide
2.1 Eigenschaften
Peroxyessigsäure und Wasserstoffperoxid sind wasserlösliche, sauerstoffabspaltende Flüssigkeiten mit hohem Oxidationspotenzial. Die oxidierende Wirkung liegt höher als die von Chlordioxid und Hypochlorit, die alternativ als Desinfektionsmittel im Einsatz sind. Bereits bei niedrigen Temperaturen weist Peroxyessigsäure eine breite mikrobiologische Wirkung auf und wirkt keimabtötend gegenüber Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen.
Im wässrigen Medium liegt Peroxyessigsäure im Gleichgewicht mit Essigsäure und Wasserstoffperoxid vor. Der Dampfdruck beträgt bei 20 °C 14,3 hPa [2]. Wasserstoffperoxid ist mit einem Dampfdruck von 1,9 hPa weniger flüchtig. Beide Peroxide werden im Sauren eingesetzt und sind aufgrund ihrer leichten biologischen Abbaubarkeit ökologisch unbedenklich.
Peroxyessigsäurehaltige Desinfektionsmittel werden von den Beschäftigten durch den essigsäureähnlichen Geruch eher wahrgenommen als rein wasserstoffperoxidhaltige.
2.2 Gesundheitsgefahren und Luftgrenzwerte
Beide Peroxide sind lokal reizende Stoffe, die rote, tränende Augen, Hustenreiz, Reizerscheinungen der Nasen- und Rachenschleimhäute, Kratzen im Hals bis hin zu Nasennebenhöhlenentzündungen und Asthmasymptomen auslösen können. Die Reizwirkung der Peroxyessigsäure ist deutlich stärker ausgeprägt als die von Wasserstoffperoxid [2; 3].
Die Geruchsschwelle für Peroxyessigsäure liegt unter 0,15 mg/m³ [3]. Bei Konzentrationen zwischen 0,5 und 1,6 mg/m³ wird die Reizwirkung deutlich wahrgenommen bis zu spürbarem Unwohlsein; bei höheren Konzentrationen können irreversible Schädigungen auftreten [4]. Zur Beurteilung von Arbeitsplätzen kann man gemäß der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 402 [5] den im Rahmen von REACH ermittelten Derived No Effect Level (DNEL) [6] in Höhe von 0,6 mg/m³ heranziehen. Bedingt durch die lokale Reizwirkung gilt dieser sowohl für eine achtstündige Expositionsdauer als auch für Expositionsspitzen.
Auch bei Einhaltung des DNEL sind gelegentlich Klagen über gesundheitliche Beschwerden an Arbeitsplätzen aufgetreten, zumal die Substanz bedingt durch ihre niedrige Geruchsschwelle frühzeitig wahrgenommen wird. Generell gilt nach § 8 der Gefahrstoffverordnung das Minimierungsgebot [7].
Für Wasserstoffperoxid gibt es keinen Arbeitsplatzgrenzwert nach TRGS 900. Zur Beurteilung kann der MAK-Wert in Höhe von 0,71 mg/m³ bzw. 0,5 ppm und Spitzenbegrenzung I herangezogen werden [2].
3 Messverfahren
Bis zur Entwicklung des Messverfahrens der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) gab es nur für Wasserstoffperoxid in der Luft ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) veröffentlichtes Verfahren [8]. Hier wird Wasserstoffperoxid in einer wässrigen Kaliumtitanoxalatlösung gesammelt und zu einem gefärbten Komplex umgesetzt. Die Farbintensität wird fotometrisch gemessen.
Als zu Beginn des neuen Jahrtausends zunehmend der Einsatz von Peroxyessigsäure in die Lebensmittelbranche (Getränkeindustrie, Käsereien) Einzug hielt und man mit einer Messung von Wasserstoffperoxid die Reizeffekte vor Ort nicht hinreichend erklären konnte, bestand Entwicklungsbedarf für ein neues Messverfahren zur simultanen Bestimmung beider Peroxide in der Luft. Mittlerweile hat die DFG-Arbeitsgruppe „Analytische Chemie Luftanalysen“ das von der BGN entwickelte Messverfahren unter der Bezeichnung „Peroxide“ veröffentlicht [9].
Zur Erfassung der gasförmig bzw. aerosolartig vorliegenden Peroxide wird mit einer Durchflussrate von 1,38 l/min Luft durch einen mit Wasser gefüllten Impinger gesaugt (Bild 1).
Die Probenahmedauer beträgt zur Beurteilung von Expositionsspitzen 15 min oder im Rahmen einer schichtrepräsentativen Messung eine Stunde. Das Probenahmesystem kann sowohl ortsfest als auch personengetragen eingesetzt werden. Analog der Methode von Pinkernell et al. [10] wird direkt nach der Probenahme ein aliquoter Teil der Probelösung mit Reagenzien versetzt. In einem ersten Schritt werden mittels Pipette 100 μl Methyl-p-tolylsulfid (MTS) und zusätzlich zur Stabilisierung 100 μl einer Pufferlösung zugegeben. Dabei oxidiert die absorbierte Peroxyessigsäure das Reagenz zu Methyl-p-tolylsulfoxid (MTSO) (Bild 2).
Nach 10 min Reaktionszeit wird als zweites Reagenz 500 μl Triphenylphosphin (TPP) zugegeben. Dieses wird durch das absorbierte Wasserstoffperoxid zu Triphenylphosphinoxid (TPPO) oxidiert (Bild 3).
Die gebildeten Oxide sind in Lösung 14 Tage im Dunkeln bei Kühlschranktemperatur stabil. Die Analyse erfolgt mittels Hochdruckflüssigkeitschromatografie und Diodenarraydetektor bzw. UV-Detektor bei einer Wellenlänge von 225 nm (Bild 4).
Die Quantifizierung wird über externe Kalibrierstandards vorgenommen.
Pro Probenserie wird ein Reagenzienblindwert bestehend aus bidestilliertem Wasser gemäß den Proben angesetzt und analysiert.
Weitere Kenndaten, wie Messunsicherheit und Präzision, können dem veröffentlichten Verfahren [9] entnommen werden. Explizit sei die Bestimmungsgrenze bei einer Stunde Probenahme erwähnt, die für Peroxyessigsäure bei 0,07 mg/m³ und für Wasserstoffperoxid bei 0,08 mg/m³ liegt.
4 Anwendung
4.1 Aseptische Abfüllung
Haupteinsatzgebiet der peroxidhaltigen Desinfektionsmittel ist im Nahrungsmittelgewerbe die aseptische Abfüllung. Man unterscheidet dabei zwischen der Heißsterilisation und der Kaltaseptik.
In der Milchindustrie wird bei der Abfüllung und Verpackung von Milch, Sahne, Joghurts, Desserts, Babynahrung und Milchmischgetränken vorwiegend die Heißsterilisation (auch als „Trockenentkeimung“ bezeichnet) angewandt. Dabei werden die Verpackungen mit über 100 °C heißem 30- bis 35%igem Wasserstoffperoxiddampf entkeimt. Das Peroxid wird anschließend mit Sterilluft von der Oberfläche der Verpackung abgeblasen. Mitunter wird am Ende der Sterilisation die verschlossene Verpackung zusätzlich mit Wasser besprüht, um mögliche Wasserstoffperoxidreste zu beseitigen. Neben der Verpackung werden auch die Verschlüsse und Siegelfolien, z. B. von Joghurtbechern, entkeimt.
In der Getränkeindustrie ist überwiegend die kaltaseptische Technik vorzufinden. Insbesondere bei der Abfüllung von sensiblen Fruchtsäften, Sportgetränken, Gemüsesäften, teehaltigen Getränken, Fruchtschorlen und stillem Wasser (Bild 5) wird bei ca. 40 °C mit einem peroxyessigsäurehaltigen Mittel desinfiziert.
Je nach Anfälligkeit des Produkts gegenüber Mikroorganismen liegt die Anwendungskonzentration zwischen 300 und 3 000 ppm Peroxyessigsäure. So werden bei der kaltaseptischen Abfüllung in Polyethylenterephthalat-Flaschen diese innen und außen mit Desinfektionsmittel besprüht, mit Wasser ausgespült und Sterilluft abgeblasen. Danach findet die Produktfüllung statt. Die Verschlüsse werden häufig in einem Desinfektionsbad – befüllt mit einer Verdünnung eines peroxyessigsäurehaltigen Desinfektionsmittels – entkeimt. Die befüllten Flaschen werden mit den entkeimten Verschlüssen verschlossen und danach über Transportbänder der Verpackung und Kommissionierung außerhalb des sterilen Abfüllbereiches zugeführt.
Die Anlagen sind auf die Produkte und örtlichen Gegebenheiten zugeschnitten und unterscheiden sich daher von Betrieb zu Betrieb. Sie werden aus Produktsicherheitsgründen in einer leichten Überdruckatmosphäre betrieben. Mitunter ist bei Produktwechsel, bei Umstellung auf andere Flaschengrößen oder zur Behebung von Störungen das Öffnen des Sterilbereiches durch Beschäftigte notwendig (Bild 6).
Dabei können kurzzeitig hohe Expositionsspitzen auftreten.
Mit dem entwickelten Messverfahren konnten bislang zahlreiche Expositionsmessungen an Arbeitsplätzen durchgeführt und Ursachen für gesundheitliche Beschwerden von Mitarbeitern geklärt werden. Bei der aseptischen Abfüllung wurden Emissionsquellen aufgedeckt und gemeinsam mit Betreiber und Maschinenhersteller Lösungen zur Expositionsminderung der Beschäftigten erarbeitet.
Einige dieser Lösungen werden nachfolgend beschrieben. Die Reduzierung der Desinfektionsmittelkonzentration, Vermeidung der offenen Anwendung im Arbeitsbereich, geschlossene Brauchwasserleitungen, ausreichend dimensionierte Bodenabläufe, die Nachrüstung der Anlagen mit lokalen Absaugungen (Bild 7), verbesserte raumlufttechnische Anlagen und kürzere Wartungsintervalle konnten die Belastung der Umgebungsluft an Peroxyessigsäure absenken.
Beispielhaft verdeutlicht die Tabelle die erfolgreiche Gefahrstoffminimierung durch die Umsetzung expositionsmindernder Maßnahmen. Hier wurde eine lokale Absaugung am Desinfektionsbad installiert, die Brauchwasserleitungen optimiert und die Frischluftzuführung in Maschinennähe erweitert.
Alle Wasserstoffperoxidkonzentrationen waren im Vergleich zu denen der Peroxyessigsäure geringer.
Die Praxis hat gezeigt, dass es bei Störungsbehebungen, wie beim Öffnen des Sterilbereichs am Injektor zum Entfernen von Flaschen, zu hohen Peroxidemissionen kommt. Während des zweiminütigen Öffnens der Tür zum Sterilbereich wurde am Maschinenführer über eine Probenahmedauer von 15 min eine Peroxyessigsäurekonzentration in Höhe von 1,7 mg/m³ und eine Wasserstoffperoxidkonzentration von 1,5 mg/m³ ermittelt. Organisatorische Maßnahmen, z. B. Wartezeiten nach dem Stoppen der Anlage vor dem Öffnen der Türen oder zwei Minuten Spülen mit Sterilwasser, können die Emissionen nur bedingt minimieren. Die Peroxyessigsäurekonzentration lag bei der personenbezogenen Kurzzeitmessung am Maschinenführer während einer Störungsbehebung mit sieben Minuten offener Tür zum Sterilbereich bei 1 mg/m³, die Wasserstoffperoxidkonzentration unterhalb 0,4 mg/m³. Das Tragen persönlicher Schutzausrüstung ist in diesen Fällen erforderlich.
4.2 Fleischwirtschaft
Auch in der Fleischwirtschaft finden die beiden Peroxide Anwendung. Schneidwerkzeuge in der Geflügelwirtschaft werden mit einem desinfektionsmittelhaltigen Wasserstrahl entkeimt. Transport- und Einlegebänder, Verpackungsmaterial und Slicer werden mit feinen desinfektionsmittelhaltigen Tröpfchen, die per Ultraschallvernebler (Bild 8) erzeugt werden, besprüht und dadurch von Mikroorganismen befreit.
Die Anwendungskonzentration der Peroxyessigsäure lag bei den bisherigen Expositionsmessungen bei maximal 200 ppm und damit im Vergleich zur aseptischen Abfüllung deutlich niedriger. Die zulässigen Luftgrenzwerte für Peroxyessigsäure und Wasserstoffperoxid wurden bedingt durch die geringeren Anwendungskonzentrationen und die niedrigen Raumtemperaturen eingehalten. Peroxyessigsäure konnte in der Luft nicht nachgewiesen werden. Die Wasserstoffperoxidkonzentrationen lagen bei der Ultraschallvernebelung bei maximal 0,37 mg/m³ bei einer Anwendungskonzentration zwischen 2 und 5 %.
4.3 Manuelle Flächendesinfektion
Beide Peroxide werden auch gerne bei der manuellen Desinfektion, beispielsweise von Transportbändern und Anlagenteilen, eingesetzt. Im Falle eines Nahrungsmittelherstellers wird nach der Reinigung das peroxidhaltige Desinfektionsmittel über Hochdruckdüsen (Bild 9) ausgebracht.
Das Desinfektionsmittel wirkt zwischen 15 und 30 min ein und wird danach mit bis zu 60 °C warmem Wasser abgesprüht. Durch das großflächige Ausbringen und Verdampfen der Peroxide können deutlich wahrnehmbare Luftkonzentrationen bis zu 1,9 mg/m³ Wasserstoffperoxid und 0,5 mg/m³ Peroxyessigsäure gemessen werden.
In der Regel ist an Arbeitsplätzen beim Einsatz eines Desinfektionsmittelgemisches die Peroxyessigsäurekonzentration in der Luft bedingt durch den höheren Dampfdruck deutlich höher als die an Wasserstoffperoxid. In diesem Fall jedoch war mehr Wasserstoffperoxid in der Luft, was sich durch die höhere Ausgangskonzentration im Desinfektionsmittelgemisch und die hohe Luftwechselrate erklären lässt.
4.4 Desinfektion im Gesundheitswesen
Auch außerhalb der Nahrungsmittelbranche werden die beiden Peroxide zur Desinfektion eingesetzt. Gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) wurden Expositionsmessungen bei der Routine- und Schlussdesinfektion von infektiösen Patientenzimmern (Bild 10), bei der maschinellen Endoskopdesinfektion und der halbautomatischen Desinfektion von Dialysegeräten durchgeführt.
4.4.1 Routine- und Schlussdesinfektion von infektiösen Patientenzimmern
Für die Flächendesinfektion bei Infektionsfällen, wie z. B. durch Noroviren und Clostridium difficile, setzen einige Klinken als Ersatz für Aldehyde Desinfektionsmittel mit dem Wirkstoff Peroxyessigsäure ein. Eine übliche 1%ige Anwendungslösung (10 g Desinfektionsmittel/Liter Wasser) enthält laut Hersteller mehr als 600 ppm Peroxyessigsäure. Eine Materialanalyse lieferte die Erkenntnis, dass die Peroxyessigsäurekonzentration in der Anwendungslösung im Laufe der Standzeit ansteigt, nach 90 min auf über 1 000 ppm. Die Arbeitsplatzmessungen wurden mit frischer Lösung durchgeführt.
Hinsichtlich des Arbeitsumfangs wird unterschieden zwischen der Routine- und der Schlussdesinfektion eines Raumes. Die Routinedesinfektion umfasst die Oberflächen, die auch bei belegtem Patientenzimmer zu desinfizieren sind und dauert ca. 20 min pro Raum. Arbeitsplatzmessungen über diesen Zeitraum ergaben mit einer 1%igen Anwendungslösung mittlere Peroxyessigsäurekonzentrationen von 0,3 bis 0,38 mg/m3. Die Schlussdesinfektion umfasst alle Flächen in einem Raum, also auch Wände, Fenster, Bettgestelle und Schränke – damit eine ca. drei- bis vierfache Oberfläche. Die Schlussdesinfektion dauert ca. 45 min. Arbeitsplatzmessungen bei der Schlussdesinfektion ergaben mittlere Peroxyessigsäurekonzentrationen von 0,86 bis 1,24 mg/m3. Wasserstoffperoxid wurde dabei mit 0,16 mg/m3 nachgewiesen. Bei einer zur Schlussdesinfektion versuchsweise eingesetzten 2%igen Anwendungslösung wurde Peroxyessigsäure als Mittelwert über eine Dauer von 45 min bis zu 1,74 mg/m3 und Wasserstoffperoxid bis zu 0,39 mg/m3 nachgewiesen.
Um die Belastung nach Maßgabe der hygienischen Anforderungen zu reduzieren, sollte der 1%igen Anwendungslösung der Vorzug gegeben werden. Technische Schutzmaßnahmen sind, bis auf das Öffnen von Fenstern, in einem infektiösen Patientenzimmer nicht oder nur begrenzt möglich. Organisatorische Maßnahmen können die Exposition reduzieren, z. B. können flächenintensive Tätigkeiten mit erwarteter hoher Emission wie das Desinfizieren der Wände, Decken und Böden zum Abschluss des Desinfektionsvorgangs durchgeführt werden. Als letzte Maßnahme bei der Schlussdesinfektion bleibt die persönliche Schutzausrüstung, z. B. eine geeignete Atemschutzhaube nach DGUV Regel 190 (bisher BGR/GUV-R 190) [11], die zusätzlich zur Reduzierung der inhalativen Belastung Schutz gegen Spritzer bietet.
4.4.2 Maschinelle Endoskopdesinfektion und Desinfektion von Dialysegeräten
Einrichtungen des Gesundheitsdienstes setzen vereinzelt Peroxyessigsäure zur automatischen Desinfektion von Endoskopen als Ersatz für Glutaraldehyd in Reinigungs- und Desinfektionsgeräten (RDG) ein sowie zur Desinfektion von mobilen Dialysegeräten. Die Arbeitsplatzmessungen erfolgten aufgrund von Mitarbeiterbeschwerden und Unsicherheiten bezüglich möglicher Belastungen in einem Endoskopiebereich und in einer Dialyseeinrichtung.
In der Endoskopie wurden bei einer Einzelmessung Peroxyessigsäure und Wasserstoffperoxid unterhalb der Bestimmungsgrenzen des Messverfahrens ermittelt. Die emissions- und expositionsbeeinflussenden betrieblichen Rahmenbedingungen (Maschinentyp, RDG eingebaut oder freistehend, Absaugung, technische Lüftung) können je nach Arbeitsplatz variieren und zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Daher ist aus diesem Einzelergebnis keine allgemeingültige Aussage zur inhalativen Belastung und zur Eignung von Peroxyessigsäure als Substitut in Reinigungs- und Desinfektionsgeräten möglich.
In der Dialyseeinrichtung wurde Peroxyessigsäure in geringer Konzentration von 0,06 mg/m³ gefunden. Wasserstoffperoxid lag unterhalb der Bestimmungsgrenze in Höhe von 0,03 mg/m³. Hier kann aufgrund des Arbeitsverfahrens grundsätzlich von einer geringen Belastung ausgegangen werden.
5 Fazit
Anwendungen der Peroxide als Desinfektionsmittel sind vielfältig und im Nahrungsmittelgewerbe weit verbreitet. Auch im Gesundheitswesen haben die Peroxide Einzug gehalten. Mit dem entwickelten Messverfahren zur simultanen Bestimmung von Peroxyessigsäure und Wasserstoffperoxid in der Luft wurden im Rahmen von Gefährdungsbeurteilungen Expositionsmessungen durchgeführt. Bei der aseptischen Abfüllung von Nahrungsmitteln und Getränken konnten Emissionsquellen aufgedeckt und gemeinsam mit Betreiber und Maschinenhersteller organisatorische und technische Maßnahmen zur Minimierung der Gefahrstoffkonzentration umgesetzt werden. Der Erfolg der Maßnahmen wurde an einem Beispiel messtechnisch belegt.
Auch an Arbeitsplätzen der Fleischwirtschaft, wie beim Entkeimen von Schneidwerkzeugen und Verpackungen sowie bei der manuellen Oberflächenentkeimung, wurden Expositionsmessungen durchgeführt. Hier konnte bislang keine Peressigsäure in der Luft nachgewiesen werden, die Wasserstoffperoxidkonzentration lag bei maximal 0,37 mg/m³.
Bei manuellen Vorgängen mit hoher Anwendungskonzentration und großflächiger Ausbringung können Peroxidkonzentrationen über den Beurteilungswerten, MAK-Wert bzw. DNEL, bestimmt werden.
Auch außerhalb des Nahrungsmittelgewerbes kam das Messverfahren zum Einsatz. Im Gesundheitswesen wurden in wenig belüfteten Räumen, z. B. bei der Schlussdesinfektion von infektiösen Patientenzimmern, Peressigsäurekonzentrationen weit über dem DNEL von 0,6 mg/m³ und Wasserstoffperoxidkonzentrationen bis zu 0,4 mg/m³ ermittelt, die sich auch sensorisch wahrnehmen lassen.
Insgesamt hat sich das Messverfahren in allen Fällen der Praxis bewährt.
Literatur
- Wildbrett, G.: Reinigung und Desinfektion in der Lebensmittelindustrie. 2. Aufl. Hamburg: Behr’s Verlag 2006.
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- Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV) vom 26. November 2010. BGBl. I (2010), S. 1643-1692; zul. geänd. BGBl. I (2015), S. 49.
- Breuer, D.; Adelmann, M.: Wasserstoffperoxid. In: Greim, H. (Hrsg.): Analytische Methoden zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Bd. 1 „Luftanalysen“. 13. Lfg. Weinheim: Wiley-VCH 2003. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ 3527600418.am772284e0008/full
- Schuh, C.: Peroxide. In: Greim, H. (Hrsg.): Analytische Methoden zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Bd. 1 „Luftanalysen“. 17. Lfg. Weinheim: Wiley-VCH 2013. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/3527600418. am7291d0017/full
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Dr. rer. nat. Claudia Schuh, Dr. rer. nat. Matthias Weigl, Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe, Mannheim. Dipl.-Ing. Wolfgang Wegscheider, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Köln.