Biomonitoring für die Zukunft
Am 12. Oktober 2023 trafen sich in Duisburg 70 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung, um gemeinsam Biomonitoring für die Zukunft zu gestalten. Die Ergebnisse aus den Schwerpunktdiskussionen „Biomonitoring von Luftschadstoffen“, „Effektbasiertes Gewässermonitoring“, „Klimafolgenmonitoring“ und „Biodiversitätsmonitoring“ werden in diesem und drei weiteren Beiträgen vorgestellt.
„Lebendige Messinstrumente“ wie Löwenzahn und Wasserflöhe, die beim Biomonitoring eingesetzt werden, haben gegenüber rein chemischen oder physikalischen Messinstrumenten den Vorteil, dass sie Umwelteinflüsse ganzheitlich erfassen. So können sie die Wirkungen von allen an einem Standort vorkommenden Stressoren aufzeigen. Deshalb spielt Biomonitoring in der behördlichen Praxis bereits seit vielen Jahrzehnten eine wichtige Rolle und gewinnt durch aktuelle Umweltveränderungen in Forschung und Anwendung zunehmend an Bedeutung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops „Biomonitoring für die Zukunft“ stellten sich daher die Frage, wie die Einführung neuer Monitoringverfahren in die behördliche Praxis und deren Etablierung gelingen kann. Im Folgenden Eindrücke und Ergebnisse aus dem Themenworkshop „Biomonitoring von Luftschadstoffen“:
Biomonitoring von unerwarteten Luftschadstoffen
Moderiert von Dr. Katja Hombrecher/LANUV NRW, Prof. Dr. Katharina Lenhart/Technische Hochschule Bingen und Dr. Monica Wäber/UMW Umweltmonitoring befasste sich der Themenworkshop „Biomonitoring von Luftschadstoffen“ am Vormittag des 12. Oktobers 2023 mit unerwarteten Einträgen von Schadstoffen über den Luftpfad.
Frau Dr. Wäber stellte ein Routine-Biomonitoring vor, bei dem sich zur Deponierung zugelassener Sondermüll überraschend als Quelle von Quecksilberbelastungen für die Umgebung herausstellte, und wie im weiteren Verlauf die Gefährdung der Anwohner ausgeschlossen werden konnte.
Unvermutete PCB-Quellen
Das zweite Beispiel steuerte das LANUV NRW bei, wo in jüngerer Zeit die Freisetzung von PCB durch die Silikonkautschukverarbeitung entdeckt wurde. Um die Reichweite der Belastungen zeitnah einschätzen zu können, kam das Löwenzahnscreening (VDI 3957 Blatt 7, Veröffentlichung Entwurf in 2024) zum Einsatz. Zwischenzeitig wurden sehr erfolgreich Maßnahmen umgesetzt, um diese Emissionen zu unterbinden.
Frau Dr. Köhler vom LfU Bayern zeigte am Beispiel eines Schulgebäudes auf, dass PCB, die z. B. in den Außenfugen verbaut wurden, aus diesen Gebäuden ausgasen können. Pflanzliche Bioindikatoren, die in der Umgebung dieser Gebäude exponiert waren, wiesen deutlich erhöhte Gehalte auf.
Pflanzliche Indikatoren kommen PFAS und Mikroplastik auf die Spur
Auch die sogenannte „Ewigkeitschemikalie“ PFAS kann über die Luft in Pflanzen eingetragen werden. Erste Untersuchungen dazu vom LfU Bayern und vom IUTA (Institut für Umwelt & Energie, Technik & Analytik) wurden von Frau Krapp und von Frau Dr. Wolf vorgestellt. Sie machten den Optimierungsbedarf für die Methoden und die Analytik deutlich. Wie für PFAS gilt dies auch für die Erfassung von Mikroplastik, welches ebenfalls über die Luft verbreitet wird und in Nahrungspflanzen gefunden werden kann.
Pflanzenschutzmittel
Am Nachmittag lag der Schwerpunkt des Themenworkshops auf immissionsbedingten Einträgen von Pflanzenschutzmitteln (PSM). Frau Dr. Köhler vom LfU Bayern und Herr Dr. Rhiem vom LANUV stellten dazu ihre neusten Ergebnisse vor. Auch zwei Herstellerfirmen waren eingeladen. Herr Dr. Reitz berichtete von den Untersuchungen des einen Herstellers in Kooperation mit LfU und LfL Bayern. Ziel ist, Abdrift und Verfrachtung von Wirkstoffen mittels Biomonitoring zu zeigen und von Niederschlagsuntersuchungen zu differenzieren.
Offene Forschungsfragen und Untersuchungsbedarf
Im Anschluss an die Impulsvorträge diskutierten die Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer über anstehende Forschungsfragen und entwickelten eine Vision der weiteren Zusammenarbeit. Der intensive Austausch drehte sich darum, welche Verfahren in Zukunft zum Einsatz kommen können, um die ubiquitären Einträge von Pflanzenschutzmitteln, PFAS oder Mikroplastik zu erfassen. Hier stellen sich u. a. die Fragen nach der Auswahl des jeweils optimalen Bioindikators für die einzelnen Substanzgruppen und nach der besten Probenahmetechnik und Analytik. Für diese Substanzgruppen sind noch keine oder kaum Hintergrundwerte vorhanden, was eine Bewertung erschwert. Einigkeit bestand darüber, dass Aussagen zu Auswirkungen auf Vegetation und Nahrungspflanzen ausschließlich durch Biomonitoring ermöglicht werden.
Auch gilt es viele Forschungsfragen zu klären, beispielsweise wie sich verschiedene PSM-Wirkstoffe abbauen und warum einige offensichtlich quellenfern im Hintergrund zu finden sind. Es sollen zudem Untersuchungen folgen, die die Wirkung dieser Substanzen bzw. des gesamten „Substanz-Cocktails“ an einem Standort in den Blick nehmen.
Vision für das Biomonitoring
Die Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer benannten als gemeinsames Ziel, Erfahrungen zu teilen, Methoden zu harmonisieren und Ergebnisse vergleichbar zu machen. Daraus ergibt sich aus ihrer Sicht ein großer Vernetzungsbedarf und teilweise auch Standardisierungsbedarf.
Für die nächsten Jahre wurde die Vision entwickelt ein umfassendes Messnetz aufzubauen, welches Politik, Behörden und Hersteller befähigt, Handlungsempfehlungen abzuleiten. Um dieses Vorhaben umzusetzen, sollen der wissenschaftliche Austausch und die Kommunikation mit der Politik, den Behörden, der Forschung, den Herstellern, aber insbesondere auch Bildungseinrichtungen, Öffentlichkeit und Presse intensiviert werden.
Dr. Katja Hombrecher,
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) NRW, Essen.Prof. Dr. Katharina Lenhart,
Technische Hochschule Bingen, Bingen.Dr. Monica Wäber,
UMW Umweltmonitoring, Sauerlach.