Biomonitoring für die Zukunft
Am 12. Oktober 2023 trafen sich in Duisburg 70 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung, um gemeinsam Biomonitoring für die Zukunft zu gestalten. Die Ergebnisse aus den Schwerpunktdiskussionen „Biomonitoring von Luftschadstoffen“, „Effektbasiertes Gewässermonitoring“, „Klimafolgenmonitoring“ und „Biodiversitätsmonitoring“ werden in diesem und drei weiteren Beiträgen vorgestellt.
Das Monitoring von Pflanzen und Tieren ist ein seit Langem etabliertes und bewährtes Verfahren der Umweltbeobachtung. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und sich wandelnde Herausforderungen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes machen eine kontinuierliche Anpassung oder Neuentwicklung der Monitoringverfahren und Beurteilungsmaßstäbe notwendig. In diesem Sinne boten die VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft – Normenausschuss (KRdL) und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) am 12. Oktober 2023 eine Plattform für Austausch und Vernetzung. Beide Institutionen sind seit Jahrzehnten mit Biomonitoring befasst und begleiten die Weiterentwicklung aktiv mit.
Wirkungen integrativ erfassen, bewerten und Handlungsempfehlungen ableiten
Frau Dr. Barbara Köllner, Vizepräsidentin des LANUV NRW betonte in ihrer Begrüßung das Potenzial des Biomonitorings, den Umweltzustand ganzheitlich zu erfassen, Umweltwirkungen abzubilden und eine Bewertung zu ermöglichen, die Grundlage für Handlungsempfehlungen und politische Entscheidungen ist.
Konkrete Beispiele für den erfolgreichen Einsatz pflanzlicher Bioindikatoren im Umwelt- und Gesundheitsschutz präsentierte Frau Dr. Katja Hombrecher/LANUV NRW in ihrem Auftaktvortrag „Lebendige Messinstrumente im Einsatz – Biomonitoring im Industrieland NRW“.
Biomonitoring in Serie
Im Anschluss teilten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – darunter auch Expertinnen und Experten aus dem europäischen Ausland – in vier Themenworkshops auf. Im Fokus der Diskussionen standen die Fragen
- Wie kann die Einführung neuer Monitoringverfahren in die und Etablierung in der behördlichen Praxis gelingen?
- Was sind die drängendsten Forschungsdefizite?
- Wo wird Standardisierungsbedarf gesehen?
- Was ist die Vision für die nächsten 5, 10… Jahre Biomonitoring?
Eindrücke und Ergebnisse aus den jeweiligen Themenworkshops werden in diesem und folgenden Beiträgen vorgestellt.
Biodiversitätsmonitoring – ein weites Feld mit hoher Dynamik
Moderiert von apl. Prof. Dr. Roland Klein/Universität Trier und Dr. Karsten Mohr/Landwirtschaftskammer Niedersachsen trafen sich im Themenworkshop „Biodiversitätsmonitoring“ Expertinnen und Experten unterschiedlichster Disziplinen. Denn das Monitoring der Biodiversität umfasst ein breites Methodenspektrum von der klassischen objektbezogenen Inventur bestimmter Tier- und Pflanzenarten bis hin zu den indirekten Verfahren wie der Fernerkundung und dem Metabarcoding von Umwelt-DNA (eDNA). Dabei ist neben grundlegenden wissenschaftlichen Fragestellungen und vor dem Hintergrund des rechtlich verbrieften Artenschutzes das Ziel, möglichst genaue Informationen von Artenvorkommen im Kontext mit ihrer Umgebung/ökologischen Situation zu gewinnen.
Fachleute setzen Impulse
Der Austausch entspann sich rund um die sechs Impulsvorträge:
- Anforderungen/Bedarf der Behörden, rechtlicher Hintergrund/Dr. Wiebke Züghart, Bundesamt für Naturschutz, Bonn
- Möglichkeiten und Notwendigkeiten für Standardisierungen im Monitoring von Biodiversität/Dr. Reinhard Klenke, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung idiv, Leipzig
- Perspektiven der operationellen Erdbeobachtung für die ökologische Langzeitforschung/Prof. Dr. Thomas Udelhoven, Universität Trier, Trier
- Potenziale und Grenzen der genetischen Verfahren/Prof. Dr. Henrik Krehenwinkel, Universität Trier, Trier
- Big Data Analysen mit KI – wie kann man große Biomonitoring-Datensätze analysieren, verknüpfen und für Vorhersagen nutzen?/Dr. Christoph Mayer, Museum Koenig, Bonn
- Citizen Science und Biodiversitätsmonitoring: Chancen, Potenziale und Grenzen/Silke Voigt-Heucke, Museum für Naturkunde, Berlin
Große Datenpools dank neuer Methoden
In der Diskussion wurde deutlich, dass bei den weit entwickelten, etablierten Verfahren objektbezogener Kartierungen wie dem Vogelmonitoring bereits ein hoher Standardisierungsgrad besteht, der schon seit langem Eingang in die Praxis gefunden hat. Hier werden mithilfe zahlreicher ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter große Mengen zuverlässiger Informationen gesammelt.
Auch die Bürgerforschung (Citizen Science) hat das Ziel, mit vergleichsweise geringem Aufwand, eine große Menge möglichst korrekter Daten zu produzieren. Das zunehmende Angebot zuverlässiger, digitaler Möglichkeiten (z.B. Bestimmungssoftware, Monitoringportale) kommt dieser Entwicklung zugute. Darüber hinaus spielen mit der direkten Einbindung von Nicht-Fachleuten der Zugang zu Umweltthemen und soziale Aspekte eine Rolle.
Die Forschungen in der Fernerkundung und im DNA-Metabarcoding machen in jüngster Zeit aussichtsreiche Fortschritte. Letztere Methodik hat sich bei limnologischen Untersuchungen in der Praxis bereits bewährt, wenngleich noch Defizite bei der Bestimmung der Artmächtigkeit bestehen.
Konzentration und Vernetzung
Die Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer stellten fest, dass das Risiko großer Fehlerhaftigkeit bei allen jüngeren Verfahren zum Biodiversitätsmonitoring noch hoch ist, sodass sie bislang nur ergänzend zu bestehenden, etablierten Verfahren zum Einsatz kommen. Dies unterstreicht den Bedarf an Weiterentwicklungen, die den Einsatz von KI enthalten können. Auch kann die Reduktion auf sicher zu bestimmende Indikatorarten in manchen Fällen sinnvoll sein.
Bei jeder Verfahrensweise sind Merkmale anzustreben, die ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, Transparenz, Standardisierung und Harmonisierung mit anderen Verfahrensweisen und Datenpools ermöglichen. Dennoch gehen die Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer davon aus, dass auch moderne Verfahren in absehbarer Zeit nicht ohne gut ausgebildete Taxonominnen und Taxonomen auskommen werden, um ein aussagekräftiges, rechtssicheres Biodiversitätsmonitoring zu ermöglichen. Sie appellieren daher nicht zuletzt an die Politik, die Ausbildung in diesem Bereich stärker zu fördern.
Die Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer waren sich einig, dass der kontinuierliche Austausch untereinander und über alle Disziplinen hinweg unabdingbar ist, um Synergien zu nutzen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass es zunächst thematisch enger gefasster Folgeveranstaltungen und spezifischer Festlegungen bedarf, um schließlich eine Verknüpfung der unterschiedlichen Methoden zu erreichen.
apl. Prof. Dr. Roland Klein,
Universität Trier, Trier.Dr. Karsten Mohr,
Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Oldenburg.Dipl.-Umweltwiss. Ruth Heesen,
VDI e.V., Düsseldorf.