Das Überleben von Bakterien im luftgetragenen Zustand
Wie lange Bakterien in der Luft lebensfähig sind und damit potenziell Infektionskrankheiten übertragen können, wird maßgeblich von deren Tenazität (Überdauerungsfähigkeit) bestimmt. Diese ist von der Bakterienart abhängig, wird aber auch von vielen weiteren Faktoren beeinflusst, wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, UV-Strahlung oder dem sogenannten „Open Air Factor“ (hervorgerufen durch biozide Ozon-Olefin-Reaktionsprodukte). Bisherige Untersuchungen geben die tatsächlichen Verhältnisse in der Außenluft nur eingeschränkt wieder, da meist nur der Einfluss einzelner Umweltfaktoren untersucht wurde und in den eingesetzten Testsystemen keine realen Außenluftbedingungen vorlagen. Hier ist weitere Forschung nötig. Insbesondere sollte in Zukunft neben der Tenazität auch die Infektiosität der Bakterien bei der Abschätzung des Ausbreitungspotenzials von bakteriellen Infektionskrankheiten über die Luft berücksichtigt werden.
1 Einleitung
Luftgetragene Bakterien werden in unterschiedlich hohen Konzentrationen in der gesamten Atmosphäre unseres Planeten gefunden, in Höhlen tief unter der Erdoberfläche [1] bis in Höhen von 70 km [2]. Dabei gehört die Luft nicht zum natürlichen Lebensraum der Bakterien. Sie gelangen eher zufällig dorthin, natürlicherweise durch Wind [3] oder Gischt [4], aber auch durch die Ausscheidung von Exkrementen, das Abstreifen von Hautschuppen [5] oder durch Atmen, Sprechen, Husten und Niesen [6 bis 10]. Wie lange Bakterien in der Luft lebensfähig bleiben, hängt maßgeblich von deren Tenazität (Überdauerungsfähigkeit) ab. Diese beschreibt die Fähigkeit eines Mikroorganismus, auch unter nicht optimalen Bedingungen, z. B. außerhalb seines üblichen Habitats, zu überleben [11]. Die meisten in der Luft gefundenen Bakterienarten sind von geringer medizinischer Relevanz oder liegen in so niedrigen Konzentrationen vor, dass von ihnen keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung ausgeht. In bestimmten Arbeitsbereichen jedoch, z. B. in Abfallverwertungs- oder Tierhaltungsbetrieben, ist die Zahl luftgetragener Bakterien in der Regel stark erhöht und es werden vermehrt Krankheitserreger nachgewiesen [12; 13]. Über die Abluft können Erreger aus den Anlagen in die Umwelt emittiert werden. Wie weit die Bakterien dabei transportiert werden und ob und wie lange sie den luftgetragenen Zustand überleben, ist weitgehend ungeklärt. Zum Beispiel blieb Mycoplasma hyopneumoniae in einem Experiment über eine Strecke von 4,7 km Entfernung infektiös [14]. Legionellen können ebenfalls über mehrere Kilometer mit der Luft verbreitet werden [15]. In Extremfällen wurden Mikroorganismen durch Sandstürme und Höhenwinde aus der Sahara in europäische Bergseen verfrachtet und dort zumindest molekularbiologisch nachgewiesen [16].
Um potenzielle Gefahren und Risiken für die Anwohner im Umfeld von Bakterien emittierenden Anlagen abschätzen zu können und ggf. abzuwenden, wird im Zuge von Genehmigungsverfahren die Ausbreitung bestimmter Leitorganismen (siehe [17]) in der Umwelt meist durch Computermodelle simuliert [18]. Die Parametrisierung solcher Modelle verfolgt derzeit einen konservativen Ansatz. So wird angenommen, dass die Bakterien den luftgetragenen Zustand unabhängig von dessen Dauer zu 100 % überleben. Dies entspricht nicht dem aktuellen Stand des Wissens. Um den Forschungsbedarf zu konkretisieren, wird in diesem Beitrag ein Literaturüberblick zu den wichtigsten Faktoren gegeben, die das Überleben von luftgetragenen Bakterien in der Außenluft maßgeblich beeinflussen – und damit auch das Risiko der Übertragung von Krankheiten durch die Luft. Ziel ist es, zukünftig abzuschätzen, wie lange und unter welchen Bedingungen bestimmte Bakterien in der Außenluft lebensfähig sind und damit als potenzielle Krankheitsüberträger erhalten bleiben. Mit diesen Informationen lassen sich auch Eingabeparameter für Ausbreitungsmodelle vervollständigen.
2 Einfluss verschiedener Faktoren auf die Tenazität von Bakterien in der Luft
Die Tenazität von verschiedenen Bakterienarten und sogar Stämmen und Isolaten innerhalb derselben Art kann ganz unterschiedlich sein [19 bis 21]. Auch unterscheiden sich die Tenazitäten von vegetativen Formen und Dauerformen (z. B. Sporen) innerhalb einer Art. So können Bakteriensporen der Gattung Bacillus im Gegensatz zu deren vegetativen Formen sogar extremen Weltraumbedingungen über längere Zeit standhalten [22]. In der Literatur werden zudem häufig widersprüchliche Angaben für die Tenazität einzelner Spezies angeführt [20]. Generell scheinen jedoch grampositive Bakterien resistenter als gramnegative zu sein [20]. Daneben beeinflussen viele weitere Faktoren die Tenazität von Bakterien [23], wie z. B. die Kultivierungs- und Wachstumsbedingungen und die Art der Herstellung des Prüfbioaerosols [21; 24 bis 30], Methode bzw. Art der Aerosolisierung [19; 25; 31 bis 33], Temperatur [25 bis 40], Luftfeuchtigkeit [20; 26; 31; 32; 37; 38; 41 bis 49], Global- bzw. ultraviolette(UV)-Strahlung [50 bis 56], der Schadgasgehalt (auch Sauerstoff) [20; 29; 31; 43; 57] oder auch die eingesetzte Sammeltechnik [19; 47; 58] sowie die anschließende Lagerung und Aufarbeitung der Proben [31; 41]. Den größten Einfluss auf die Lebensfähigkeit von Bakterien in der Luft haben nach derzeitigen Kenntnissen meteorologische Faktoren sowie die Konzentrationen bestimmter biozider Substanzen in der Luft, wie freie Radikale, Ozon und Ozon-Olefin-Reaktionsprodukte, die zusammenfassend auch als „Open Air Factor“ (OAF) bezeichnet werden [59 bis 62]. Alle Faktoren beeinflussen sich nicht nur physikalisch gegenseitig, auch deren Auswirkungen in den Bakterienzellen hängen voneinander ab. Die genauen Zusammenhänge sind kompliziert und die Effekte auf verschiedene Mikroorganismengruppen können unterschiedlich sein [57; 63].
2.1 Temperatur und Luftfeuchtigkeit
Generell steigt die Abtötungsrate von luftgetragenen Bakterien mit steigenden Temperaturen [34; 35]. In der Außenluft werden die meisten kultivierbaren Bakterien bei Temperaturen zwischen 8 und 24 °C nachgewiesen [64]. Temperaturen unter 8 °C haben kaum einen negativen Einfluss auf die Überlebensfähigkeit. Ein Anstieg der Temperatur über 24 °C führt jedoch zu einer raschen Abnahme der Bakterienkonzentration, besonders bei Temperaturen zwischen 30 und 40 °C [39; 49; 63]. Das Überleben bei verschiedenen Temperaturen ist zudem abhängig von der relativen Luftfeuchtigkeit (RF) [20; 30; 38; 39; 42; 47 bis 49; 65]. Zum Beispiel beträgt die mittlere Überlebensrate für Escherichia coli bei 50 % RF und einer Temperatur von 15 °C ca. 14 min, bei 30 °C dagegen nur drei Minuten. Bei 85 % RF sind es bei 15 °C 83 min und bei 30 °C 14 min [47]. Der Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf Bakterien im luftgetragenen Zustand ist komplexer als der Einfluss der Temperatur und auch sehr stark abhängig von der Spezies [63]. Daher ist es schwierig, generelle Aussagen zu treffen [66; 67]. Zum Beispiel überlebt Mycoplasma am besten bei < 25 % RF und > 80 % RF [48], für Chlamydia pneumoniae dagegen ist eine relative Luftfeuchtigkeit von > 95 % günstig. Allgemein gelten aber sehr hohe und sehr niedrige Luftfeuchten von < 20 % RF und > 85 % RF als die Lebensfähigkeit verringernd [20; 49]. Eine starke Veränderung der Luftfeuchtigkeit – während sich die Bakterien in der Luft befinden – führt ebenfalls zu einer Verringerung der Lebensfähigkeit [68 bis 70]. Damit hat auch die Art und Weise der Aerosolisierung einen starken Einfluss auf die Tenazität. Werden Bakterien aus einer Suspension in die Luft abgegeben, verlieren sie freies Wasser und trocknen ein; trockene Bakterienzellen neigen hingegen zur Feuchtigkeitsaufnahme. Dieser Wechsel im Wassergehalt beeinflusst nachweislich die Tenazität [69; 71; 72]. Werden Bakterien der Gattung Pasteurella feucht vernebelt, so liegt ihre minimale Überlebensrate bei 50 % RF. Werden sie dagegen trocken dispergiert, liegt sie bei 75 % RF [51; 73].
2.2 UV-Strahlung
Ausgehend vom natürlichen Sonnenlichtspektrum hat UV-Strahlung den größten Einfluss auf die Tenazität von luftgetragenen Bakterien. Diese Strahlung wird nach ihrer biologischen Wirkung in UV-A (380 bis 315 nm), UV-B (315 bis 280 nm) und UV-C (280 bis 200 nm) eingeteilt [74]. Nahe der Erdoberfläche hat UV-C-Strahlung keine Relevanz, da sie bereits in den oberen Schichten der Atmosphäre durch das dortige Ozon absorbiert wird. Dennoch wurden viele Untersuchungen zur Wirkung von UV-Strahlung auf die Tenazität luftgetragener Bakterien mit UV-C-Strahlung der Wellenlänge 253,7 nm durchgeführt, da sich diese sehr leicht mit Quecksilberstrahlern erzeugen lässt. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist zu beachten, dass die DNA (DNA: deoxyribonucleic acid, Desoxyribonukleinsäure) aufgrund ihres Absorptionsspektrums durch Strahlung dieser Wellenlänge besonders stark geschädigt wird. UV-Strahlung der Wellenlänge 253,7 nm wird deshalb zur Desinfektion von Wasser [75; 76] und Luft eingesetzt [77]. Der Einfluss von UV-C-Strahlung auf luftgetragene Mikroorganismen hängt stark vom Wassergehalt der Zellen während der Bestrahlung ab [50; 52] und dieser wiederum von der relativen Luftfeuchtigkeit. UV-induzierte Abtötungs- und Mutationsrate nehmen mit dem Grad der Austrocknung einer Zelle stark zu [52]. Dehydrierte Zellen werden bereits effektiv durch UV-A- und UV-B-Strahlung getötet, feuchte (voll turgeszente) Zellen dagegen kaum [52]. Besonders bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von über 80 % steigt die Widerstandsfähigkeit gegen die Wirkung von UV-C-Strahlung z. B. von Seratia marcescens oder Mycobacterium bovis stark an [53]. Auch die Fotoreaktivierung findet nur in im feuchten Zustand statt [50; 52]. Bei diesem lichtabhängigen Prozess (ca. 300 bis 500 nm Wellenlänge) können Bakterien durch UV-Strahlung entstandene Schäden in der DNA mithilfe des Enzyms Photolyase äußerst effektiv reparieren, sodass inaktivierte Zellen nach einer gewissen Zeit wieder reaktiviert werden können [78; 79]. In diesem Zusammenhang muss auch beachtet werden, dass viele Bakterien generell bei Stress für unbestimmte Zeit in einen „viable but non-culturable“(VBNC)-Zustand übergehen können und somit zwar nicht mehr kultivierbar sind, aber dennoch lebensfähig [80].
Im Gegensatz zur UV-C-Strahlung ist der Einfluss von natürlicher UV-Strahlung auf luftgetragene Bakterien kaum untersucht. Hier wurde in einer UV-A- und UV-B-durchlässigen Kammer ein signifikanter Einfluss von Sonnenlicht auf die Überlebensrate von Mycobacterium parafortuitum bei moderater Luftfeuchtigkeit festgestellt [81]. Letztlich ist der UV-Anteil des Sonnenlichts in der Atmosphäre durch Spaltung von Sauerstoffmolekülen oder Stickoxiden (z. B. NO2) und die anschließende Reaktion der Spaltprodukte mit Sauerstoff für die Bildung von Ozon verantwortlich, das Bestandteil des Open-air-Faktors (OAF) ist.
2.3 Der Open-air-Faktor (OAF)
Der OAF bedingt, dass Bakterien in der Außenluft generell schlechter überleben als in Innenräumen, bei ansonsten ähnlichen meteorologischen Bedingungen [61; 82]. Besonders Nukleinsäuren und Mantelproteine von Mikroorganismen werden stark von den Substanzen geschädigt, die den OAF hervorrufen. Diese aus der Reaktion von Olefinen und Ozon entstehenden Primär- und Sekundärozonide sind in der Luft jedoch äußerst instabil und bauen sich durch Reaktionen mit Partikeln oder Oberflächen innerhalb von wenigen Minuten ab. Daher ist in einem geschlossenen System ein Luftwechsel von mindestens 12-mal pro Stunde nötig, um den OAF aufrechtzuerhalten [61]. Hinzu kommt, dass die Konzentrationen der einzelnen Stoffe extrem variabel sind und nicht mit einer Tages- oder Jahreszeit assoziiert [59]. Zudem haben verschiedene Olefine und Ozonkonzentrationen unterschiedliche Auswirkungen auf luftgetragene Bakterien. Für Escherichia coli und Micrococcus albus wurden nach zehn Minuten Überlebensraten von 0 bis 100 % gefunden [62]. Auch die Luftfeuchtigkeit scheint einen Einfluss auf die Wirkung des OAF zu haben [61; 62].
2.4 Partikelgröße
Bei den meisten Studien, die den Einfluss von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, UV-Strahlung und OAF auf luftgetragene Bakterien untersuchten, lagen die Mikroorganismen während der Versuche weitgehend als einzelne Zellen vor. Natürlicherweise kommen Bakterien aber überwiegend in Konglomeraten vor [64]. In diesen sind sie in gewissem Maße vor Witterungseinflüssen geschützt und daher unter natürlichen Bedingungen vermutlich länger lebensfähig, als in Laborversuchen festgestellt wurde. So fanden viele Autoren eine positive Korrelation zwischen dem Überleben von luftgetragenen Bakterien und der Partikelgrößenfraktion, in der sie nachgewiesen wurden [25; 54; 61; 65; 83; 84].
2.5 Weitere Einflussfaktoren
Neben den bisher genannten Faktoren haben noch weitere einen Einfluss auf die Tenazität von luftgetragenen Bakterien. Kultivierte Bakterien, die für die Versuche aus der stationären Wachstumsphase geerntet wurden, überleben in der Luft besser als solche, die sich bei der Ernte in der log-Phase befanden [28]. Werden die Kulturen vor der Aerosolisierung gefroren, beeinflusste dies zumindest bei Mycoplasma pneumoniae die Überlebensfähigkeit der Bakterien positiv [39]. Hier hat auch die Luftfeuchtigkeit wieder einen Einfluss. Gefriergetrocknete Pasteurella tularensis, resuspendiert in destilliertem Wasser, sowie Bakterien in Flüssigkulturen überleben am besten bei hoher Luftfeuchtigkeit, wohingegen gefriergetrocknete Zellen trocken dispergiert am besten bei geringer Luftfeuchte überlebten [27]. Auch kann die Zugabe von bestimmten Substanzen, wie z. B. Di- oder Trisacchariden, zur zu aerosolisierenden Suspension die Bakterien in der Luft vor zu schneller Austrocknung schützen [26; 66]. Der zur Aerolisierung verwendete Bioaerosolgenerator kann ebenfalls Auswirkungen auf die Ergebnisse von bis zu einer Zehnerpotenz haben [32], genauso wie das eingesetzte Sammelsystem [58; 85; 86]. Die Sammelflüssigkeit ist ebenfalls von Bedeutung; so überlebte z. B. E. coli in H2O bei niedriger Luftfeuchtigkeit besser als in Dextran, bei hoher Luftfeuchtigkeit ist es umgekehrt [19]. Auch Pasteurella pestis zeigte bei Sammlung in „Heart Infusion Broth“ und Pepton unterschiedliche Überlebensraten bei unterschiedlichen Luftfeuchtigkeiten [41]. Letztlich scheint auch die Virulenz eines Bakterienstammes die Tenazität zu beeinflussen oder umgekehrt, wie für Legionella pneumophila gezeigt wurde [87]. Hier war der virulenteste Stamm der mit der höchsten Tenazität.
3 Testsysteme zur Untersuchung der Tenazität
Um die Ergebnisse der vorgestellten Studien zur Tenazität luftgetragener Bakterien einschätzen zu können, ist es wichtig, sich die Testsysteme und Versuchsbedingungen anzuschauen. Einen Überblick zu den verwendeten Systemen, den untersuchten Faktoren und den Testorganismen gibt die Tabelle.
Die meisten Versuche wurden unter kontrollierten Bedingungen in statischen Bioaerosolkammern durchgeführt. Eingesetzt wurden z. B. Edelstahlzylinder [88; 89] oder Kästen aus Kunststoff [54] oder Aluminium [90], in denen Temperatur und Luftfeuchtigkeit geregelt wurden. Für die meisten Versuche wurden die Mikroorganismen aus einer Suspension heraus mithilfe von verschiedenen Bioaerosolgeneratoren in die Luft im Inneren der Kammern eingebracht und nach einer definierten Zeit mit unterschiedlichen Probenahmesystemen wieder aus der Luft gesammelt. Der Nachweis der Mikroorganismen aus der Luft erfolgte meist über Kultivierung auf Nährböden und durch Vergleich der bei verschiedenen Versuchsbedingungen gewachsenen Kolonien. Da in statischen Aerosolkammern die Partikel sedimentieren, wurden manchmal Ventilatoren zur Durchmischung der Luft eingesetzt, die jedoch auch als Impaktor wirkten und zusätzlich Partikel aus der Luft entfernten [49; 90]. Alternativ wurden rotierende geschlossene Zylinder als statische Bioaerosolkammern benutzt, in denen sedimentierte Mikroorganismen durch die Rotation immer wieder in die Luft überführt wurden [29; 39; 44; 45; 47; 48; 57; 59; 65]. Einige Autoren nutzten eine dynamische Bioaerosolkammer, in der jedoch durch den kontinuierlichen Luftaustausch stetig Mikroorganismen verloren gehen [61]. Auch die eingesetzten Prüfkanäle [68; 69] erlauben nur sehr kurze Beobachtungszeiten.
In den klassischen Bioaerosolprüfkammern kann meist nur der Einfluss einzelner Faktoren auf das Überleben von luftgetragenen Mikroorganismen untersucht werden. Am wenigsten berücksichtigt wurde bisher der OAF, da sich die den Effekt hervorrufenden Substanzen innerhalb von wenigen Minuten abbauen [59]. Clauß et al. berichten von einer Bioaerosolkammer aus einem UV-durchlässigem Folienballon, der kontinuierlich mit frischer Außenluft befüllt wird und in dem die Ozonkonzentration und damit voraussichtlich auch der OAF für 20 min zu 75 % aufrechterhalten werden konnte [91]. Manche Autoren haben Bakterien an dünne Spinnenfäden geheftet (Microthread technique), um deren Tenazität in der Luft zu untersuchen [28; 61; 62; 81; 83]. Die Anzucht der Spinnen und die „Ernte“ der Fäden ist jedoch sehr aufwendig und die anschließende Auswertung schwierig, da die Bakterien nach den Versuchen wieder von den Fäden heruntergewaschen werden müssen. Zudem gingen vor und während der Versuche viele Zellen verloren. Letztlich sind auf einer Oberfläche anhaftende Partikel nur bedingt mit solchen vergleichbar, die sich im luftgetragenen Zustand befinden [61]. Bis heute ist es nicht gelungen, die Tenazität von luftgetragenen Bakterien unter realen Außenluftbedingungen zu untersuchen. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.
Nicht zuletzt ist bei einer möglichen Übertragung von bakteriell hervorgerufenen Erkrankungen nicht nur die Tenazität eines Erregers relevant, sondern auch die Infektiosität. Diese beschreibt die Fähigkeit eines Erregers, einen Wirt zu infizieren [92], und ist abhängig von verschiedenen Virulenz- und Pathogenitätsfaktoren, die wie die Tenazität durch den luftgetragenen Zustand beeinflusst werden können. Zum Beispiel ging die Infektiosität von Chlamydia pneumoniae durch den luftgetragenen Zustand zurück [88]. Es wäre daher nicht zuletzt aus epidemiologischer Sicht von großem Interesse, den Einfluss des luftgetragenen Zustands auch auf die bisher kaum beachtete Infektiosität von Bakterien zu untersuchen.
4 Fazit
Aufgrund der großen Unterschiede zwischen den einzelnen Arten lassen sich nur wenige generelle Aussagen zur Tenazität von Bakterien im luftgetragenen Zustand machen. Bisherige Untersuchungen können höchstens Hinweise zu möglichen Übertragungsentfernungen geben. Auch als Eingabeparameter zur Verbesserung von Ausbreitungsprognosen können sie momentan nur eingeschränkt dienen, auch da es bis heute nicht gelungen ist, die Tenazität von luftgetragenen Bakterien unter realen Außenluftbedingungen zu untersuchen. Zudem sind durch die unterschiedlichen Versuchsbedingungen und die Vielzahl der einflussnehmenden Parameter Versuchsergebnisse oft widersprüchlich. Eventuell sollten bei zukünftigen Untersuchungen zur Tenazität zunächst einheitliche Summenparameter – z. B. Staphylokokken in nativen Stäuben – untersucht werden. Neben der Tenazität sollte auch die Infektiosität bei der Risikobewertung von Bioaerosolen und der Abschätzung des Ausbreitungspotenzials von bakteriell bedingten Infektionskrankheiten über die Luft berücksichtigt werden.
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Dr. rer. medic. Annette Christiane Clauß geb. Springorum, Dr. rer nat. Marcus Clauß, Thünen-Institut für Agrartechnologie, Braunschweig.