50 Jahre MGU – Von der Staubbekämpfungsstelle (1934) bis zum BGMG (1972)
Das Messsystem Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (MGU) feiert sein 50-jähriges Bestehen. Im Teil 8 unserer Serie wird ein Rückblick über die Entwicklung in den Jahren 1934 bis 1972 dargestellt.
Das etablierte Messsystem Gefahrstoffe der Unfallversicherungsträger (MGU), das 1972 als Berufsgenossenschaftliches Messsystem Gefahrstoffe (BGMG) aus der Taufe gehoben wurde, hat Wurzeln, die bis zum Jahr 1934 zurückreichen. Mit dem gesetzlichen Auftrag, nicht nur anerkannte Berufskrankheiten zu entschädigen, sondern auch praktisch die Gefährdung durch Stäube wissenschaftlich zu erforschen und geeignete Schutzmaßnahmen zu entwickeln, wurde 1934 die „Staubbekämpfungsstelle des Reichsverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften“ in Berlin gegründet [1]. Im Fokus der Arbeiten standen Grundlagenforschung sowie die Entwicklung von Mess- und Analysenverfahren im Hinblick auf die 1929 mit der zweiten Berufskrankheiten-Verordnung eingeführten Berufskrankheiten, die durch Quarz (Silikose) und andere Stäube verursacht werden. Bereits Anfang der 1930er-Jahre wurden von der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft arbeitsplatzbezogene Messungen mit Konimetern und Analysen mit Mikroskopen in der Steinbruchsindustrie durchgeführt.
Hauptstelle für Bohrstaubschutz seit 1929
Unabhängig davon war 1929 durch die Bergbau-Berufsgenossenschaft in Bochum die „Hauptstelle für den Bohrstaubschutz“ gegründet worden, aus der nach dem Zweiten Weltkrieg das Silikose-Forschungsinstitut hervorging. Daraus entstanden später zwei Einrichtungen: zum einen das heutige Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA) mit dem Fokus auf medizinischen Aspekten, zum anderen das Institut für Gefahrstoff-Forschung (IGF), das technisch-naturwissenschaftliche Fragestellungen untersucht [2].
Der erste Direktor der Staubbekämpfungsstelle, Dipl.-Bergingenieur Arnold Lämmert, beschrieb 1936 auf recht eindringliche Weise die Herausforderungen, denen sich das Institut zu stellen hatte: „Die hierbei zu lösenden Aufgaben sind außerordentlich schwierig. Die eigenartige Natur des Staubes, der in seiner feinsten Verteilung, also gerade in seiner gefährlichsten Erscheinungsform, physikalische Eigenschaften besitzt, die seiner Erfassung, Sammlung, Messung und Untersuchung den denkbar größten Widerstand entgegensetzen, legt dem Wünschen und Wollen auf diesem Gebiet die schärfsten Zügel an und erfordert für jede einzelne Aufgabe zeitraubende Sonderuntersuchungen und Sonderformungen der Schutzelemente“ [3].
Internationale Anerkennung für die Staubbekämpfungsstelle
Die Staubbekämpfungsstelle entwickelte sich rasant und war bald auch international bekannt. Das Gebäude und alle Einrichtungen und Unterlagen wurden jedoch 1940 bei einem Fliegerangriff völlig zerstört. Auch führende Mitarbeiter sind im Kriegsdienst gestorben. Ab 1945 kamen daher alle Aktivitäten zum Erliegen.
1948, mit Errichtung einer Geschäftsstelle des „Verbandes für die westliche Besatzungszone“, die als Gast in den Räumlichkeiten der Bezirksverwaltung der Bergau-BG in Bonn untergebracht war, konnten übergangsweise im kleinen Rahmen erste Arbeiten der Staubbekämpfungsstelle wieder aufgenommen werden. In Bild 1 ist dokumentiert, dass bereits ab dem 19. April 1949 wieder Proben genommen und analysiert wurden [4].
Dabei handelte es sich nur um Materialproben, zumeist von verwendeten Rohstoffen aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen, die zunächst nur mikroskopisch untersucht wurden. Zeitweise wurden Räumlichkeiten in Bonn angemietet, um mit neuem Personal wieder eine systematische Tätigkeit aufzubauen. Um die Forschungsaktivität und Handlungsfähigkeit wieder in vollem Umfang herzustellen, wurde nach einigen Jahren der Planung 1954 das Staubforschungsinstitut (STF) des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) in Bonn erbaut1). In vier Geschossen waren die Laboratorien untergebracht (siehe oben Bild 2, rechts), mit Spezialräumen, die jeweils um einen großen Laborraum angeordnet waren. Bild 3 zeigt das chemisch-mineralogische Labor in den 1950er-Jahren. Neben dieser Abteilung wurden noch die physikalisch-messtechnische, die belüftungstechnische und die für zündfähige Stäube zuständige Abteilung eingerichtet.
Zeitschrift „Gefahrstoffe-Reinhaltung der Luft“ als Publikationsorgan
Im zweistöckigen linken Teil des Gebäudes war zudem die Redaktion der bereits 1936 begründeten Zeitschrift „Staub“ untergebracht, aus der sich die Zeitschrift „Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft“ entwickelt hat, die bis heute das wesentliche Publikationsorgan zu den Arbeitsfeldern des MGU ist.
In der 1950er-Jahren dominiert die Probenahme von Stäuben mit dem Konimeter „Das MGU stellt sich vor (Teil VII)“ [6]. Um 1959 wurden davon bereits ca. 2 000 bis 3 000 Staubproben pro Jahr mikroskopisch ausgewertet. Zu dieser Zeit sind die Auswerteräume zur Vermeidung von Staubkontaminationen noch mit einem Lüftungssystem unter Verwendung von „hochwertigen Zelluloseasbestfiltern“ gereinigt worden [1]. Zur Bewertung der Staubkonzentrationen, die in Teilchen/cm³ ausgewiesen wurden (sogenannte Staubzahlen), bestanden in Deutschland noch keine Grenzwerte2). Auf Grundlage von Beurteilungsmaßstäben aus den USA wurden 1958 zur Abschätzung der Silikosegefahr und für die „betriebliche Staubberatung“, abhängig vom Quarzanteil der Stäube, bestimmte Staubzahlen als Beurteilungsgröße empfohlen [7].
Das Spektrum der analysierten Stoffe war anfangs vor allem auf Stäube und ausgewählte Staubinhaltsstoffe ausgerichtet. Neben der dominierenden Auseinandersetzung mit Methoden zur sicheren Bestimmung silikogener Komponenten wird in einer Beschreibung des Arbeitsspektrums der analytischen Labore aus dem Jahr 1959 über etablierte und in Entwicklung befindliche Methoden zur Bestimmung von Blei, Vanadium, Chrom, Mangan, Kobalt, Uran und Quecksilber berichtet.
Die in Listen dokumentierten Probenahmen belegen, dass von Anfang an eine enge Kooperation des Staubforschungsinstituts mit den messtechnischen Abteilungen der Berufsgenossenschaften bestand. Die Grafik in Bild 4 zeigt, dass sich die Zahl der Messserien, die jährlich beprobt und analysiert wurden, von anfangs rund 100 bis zur Gründung des BGMG im Jahr 1972 etwa vervierfacht hat. Eine 1971 beschlossene Neukonzeption der Aufgaben und Struktur des STF erweiterte den Bereich der Analytik um gesundheitsgefährliche Gase und Dämpfe.
Das ursprünglich chemisch-mineralogische Labor diversifizierte und erweiterte sich damit in drei Bereiche („Grundlagenanalytik“, „Mineralogie“ und „Chemie“). Bereits Anfang der 1970er-Jahre begannen auch die Vorbereitungen zur Zusammenführung verschiedener Forschungseinrichtungen und weiterer Aufgabengebiete zu einer Institution, dem späteren Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitssicherheit, BIA (Tabelle 1).
Staubmesstechnik entwickelte sich rasant
Die Staubmesstechnik hat in den 1960er-Jahren eine rasante Entwicklung genommen [6]. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Entwicklung von Probenahmegeräten zur separaten Bestimmung der relevanten Staubkonzentration gelegt, aus der dann die stationären Staubsammler VC25 F und VC 25 G hervorgingen. 1973, ein Jahr nach Gründung des BGMG, standen die Geräte zur Verfügung. Mit der Etablierung des BGMG wurden auch die Kapazitäten der Messtechnischen Dienste der Berufsgenossenschaften gezielt erweitert, wodurch die Zahl der Messserien rasant anstieg (siehe Bild 4). Den Übergang zum BGMG markiert die Auflistung der Probenahmen mit Datum zum 1. November 1972. Nachdem seit 1949 bis zu diesem Datum 5 159 Messserien bearbeitet worden waren, wurde der erste Eintrag im neustrukturierten System mit der Seriennummer 72/05160 dokumentiert (Bild 5).
Die Messserie bestand noch aus sogenannten „MiFi“-Proben (Mikrosorbanfilter-Proben), die mit dem Portikon genommen wurden. Von diesen Gesamtstaubproben musste zunächst durch aufwändige Sedimentation der Feinstaub abgetrennt werden, um dann darin weitere Analysen vornehmen zu können. Mit Einführung der VC 25-Systeme konnten die beiden Fraktionen Feinstaub (heute alveolengängige Fraktion, A-Staub) und Gesamtstaub (heute einatembare Fraktion, E-Staub) dann getrennt beprobt werden [6].
Die Labore erreichten angesichts des Wachstum über die Jahre ihre Kapazitätsgrenzen. Die Abteilungen des Staubforschungsinstituts sind 1980 im Wesentlichen in die Fachbereiche 1 bis 3 des neugegründeten BIA übergegangen. Die Analytik wurde dabei auf einen ganzen Gebäudeteil ausgedehnt. 35 Jahre später geriet auch dieser an seine räumlichen und technischen Grenzen. Speziell die Labore zur Analyse chemischer und biologischer Gefahrstoffe haben daraufhin 2019 durch einen Neubau den heutigen Anforderungen entsprechende Labore erhalten (Tabelle 1).
1) Auch im Osten Deutschlands entwickelten sich nach dem Zweiten Weltkrieg Einrichtungen zum Arbeitsschutz. In der sowjetischen Besatzungszone, die nicht dem früher gesetzlich festgelegten Dualismus von staatlichen und selbstverwalteten Arbeitsschutzinstitutionen folgte, entstanden anstelle der Berufsgenossenschaften bereits 1945 Abteilungen für Arbeitsschutz, die der „Zentralverwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge“ (ZVAS) zugeordnet waren [5]. 1954 entstand das „Institut für Arbeitsökonomik und Arbeitsschutzforschung“, das seine Aufgaben 1964 in getrennte Institutionen aufteilte, wodurch das „Zentralinstitut für Arbeitsschutz“ (ZIAS) gegründet wurde.
2) Erste Grenzwerte für Gesamt- und Feinstaub (15 bzw. 8 mg/m³) wurden 1968 bzw. 1973 durch die MAK-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft veröffentlicht.
Literatur
- 25 Jahre Staubforschungs-Institut des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften. HVBG (Hrsg.), Düsseldorf: HANG-Druck 1959, 47 S.
- Historie des Instituts für Gefahrstoff-Forschung unter: https://www.igf-bgrci.de/igf/ueber-uns.
- Lämmert, A.: Zur Einführung. In: Staub. Veröffentlichungen der Staubbekämpfungsstelle beim Verband der deutschen gewerblichen Berufsgenossenschaften und Umschau über Das Schrifttum. Heft 1. Halle: Verlag von Wilhelm Knapp 1936.
- Aufzeichnung der Probeneingänge der provisorischen Staubbekämpfungsstelle und des Staubforschungsinstituts (ab 1954) von 1949 bis 1976. Handschriftliche und schreibmaschinengeführte Aufzeichnung, drei Aktenordner.
- Fiedler, M.: Arbeitsschutz in der DDR nach 1945. Zwischen Weltniveau und Mangelwirtschaft. https://www.sifa-sibe.de/fachbeitraege/archiv-sb/zwischen-weltniveau-und-mangelwirtschaft/
- Beitrag von Carsten Möhlmann im selben Heft
- Winkel, A.: Die Messung und Beurteilung von Staubkonzentrationen für hygienische Zwecke. Staub, 18, Nr. 7, 1958, S. 207-210.
Dr. rer. nat. Markus Mattenklot
Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin.