Innenraumluftqualität in Kindertagesstätten in Holzständerbauweise
Zusammenfassung Die Raumluft in sieben modernen Kindertagesstätten in Holzbauweise wurde untersucht. Die Messungen umfassten flüchtige organische Verbindungen (VOC), einschließlich Formaldehyd und Acetaldehyd, sowie die Kohlendioxidkonzentration, die Lufttemperatur und die relative Luftfeuchte während der Nutzung. Die Ergebnisse zeigen, dass aufgrund der großen Menge an Holzbaustoffen mit höheren Konzentrationen aliphatischer Aldehyde und bicyclischer Terpene zu rechnen ist. Andererseits zeigte sich aber, dass Holzbauten emissionsarm errichtet werden können. Formaldehyd stellt kein wesentliches Problem mehr dar. Die Kohlendioxidkonzentration als Indikator für einen ausreichenden Luftwechsel war an den meisten beobachteten Tagen trotz der luftdichten Bauweise moderner energieeffizienter Gebäude nicht zu beanstanden. Ebenso war das Raumklima, gemessen über die relative Luftfeuchte und die Lufttemperatur, weit überwiegend als behaglich einzustufen.
1 Einleitung
Die Qualität der Innenraumluft hat eine große Bedeutung für das Wohlbefinden der Nutzer. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Belastung mit Lösemitteln und anderen flüchtigen organischen Verbindungen (volatile organic compounds, VOC) als auch bezüglich eines ausreichenden Luftaustauschs. Moderne Bauweisen und Materialien und sich ändernde Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden können hier einen wesentlichen Einfluss auf die Raumluftverhältnisse haben.
Neue Baumaterialien emittieren unvermeidlich VOC. Dabei kann der Unterschied zwischen emissionsarmen und emissionsreicheren Produkten allerdings erheblich sein. Wird ein Gebäude oder ein Raum überwiegend mit Materialien errichtet, die die gleichen VOC emittieren, so können sich die einzelnen Beiträge zu deutlich erhöhten Belastungen summieren. Überschreitungen von gesundheitlich begründeten Innenraumluftrichtwerten [1; 2] können dann häufiger vorkommen. Diese Gefahr besteht z. B. bei Holzbauten.
Moderne Gebäude werden aus Gründen der Energieeinsparung sehr luftdicht ausgeführt. Der bei neuen Gebäuden naturgemäß erhöhten Emission von VOC steht damit ein verringerter Luftwechsel gegenüber. Ein ungezielter Luftaustausch, einhergehend mit Verlust von Wärmeenergie, findet praktisch nicht mehr statt. Restemissionen aus Baumaterialien müssen durch gezielten Luftaustausch entfernt werden. Ferner kommt es bei Nutzung von Räumen ohne ausreichende Lüftung sehr schnell durch die Ausatemluft zu einem Anstieg der Kohlendioxidkonzentration auf hygienisch unerwünschte oder inakzeptable Werte [3]. Dem müssen Nutzer durch regelmäßiges Lüften entgegenwirken. Dies ist vielen jedoch nicht ausreichend bewusst und bedeutet häufig eine Änderung der Gewohnheiten.
Ebenso bedeutend für das Wohlbefinden sind die richtige Temperatur und eine ausreichende Luftfeuchte. Diese beiden Parameter müssen in einem vernünftigem Verhältnis zueinander stehen, damit Nutzer das Raumklima als behaglich empfinden.
In sieben Kindertagesstätten – in moderner Holzbauweise ausgeführt – wurden VOC-Messungen einschließlich leichtflüchtiger Aldehyde durchgeführt. Ferner wurden Raumklimadaten (Kohlendioxidkonzentration, Lufttemperatur, relative Luftfeuchte) während der Nutzung über mehrere Tage aufgezeichnet.
2 Untersuchte Gebäude
Untersucht wurden sechs neue Kindertagesstätten in Holzbauweise (je zwei Räume) sowie ein Gebäude, das gezielt mit emissions- und allergenarmen Baustoffen errichtet wurde (ein Raum) (Tabelle 1).
Für keine der Einrichtungen lagen vor Beginn der Untersuchung Beschwerden seitens der Nutzer vor. Die Zufriedenheit mit den Gebäuden war in allen Einrichtungen hoch. In einigen Fällen berichteten Nutzer bei der Erhebung der Gebäudedaten über Gerüche.
3 Methoden
Die VOC-Probenahme erfolgte unter Nutzungsbedingungen. Das Probenahmevolumen betrug 500 l bei einer Geschwindigkeit von 2 l/min. Als Adsorptionsmedium wurde Anasorb 747 eingesetzt. Die gesammelten VOC wurden mit CS2/Methanol (99 : 1) desorbiert. Die Bestimmung erfolgte gaschromatographisch an zwei Säulen unterschiedlicher Polarität mit Flammenionisationsdetektoren (FID).
Die Proben für Formaldehyd, Acetaldehyd, Propionaldehyd und Aceton wurden im mindestens acht Stunden ungelüfteten Raum (Ausgleichsbedingungen) genommen. Die Bestimmung erfolgte gemäß ISO 16000-3 [4]. Nach Adsorption an Dinitrophenylhydrazin-Kartuschen erfolgte die Messung mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) und UV-Detektion. Das Probenahmevolumen betrug 80 l bei einer Geschwindigkeit von 2 l/min.
Die Raumklimadaten (Kohlendioxid, Lufttemperatur, relative Luftfeuchte) wurden mit Datenloggern über mehrere Nutzungstage hinweg im Abstand von 5 min aufgezeichnet.
Weitere Informationen zu den Probenahmen und Messungen sind auf Nachfrage bei den Autoren erhältlich.
4 Ergebnisse
4.1 Flüchtige organische Verbindungen
Die Ergebnisse der wesentlichen, für Holzbauten typischen VOC sind in Tabelle 2 den in einer früheren Studie in Neubauten für Schulen und Kindergärten gemessenen Werten gegenübergestellt [5].
Dominierende VOC waren in allen Fällen die aliphatischen Aldehyde und die bicyclischen Terpene. Andere VOC wie Alkane, Aromaten oder Glykolderivate waren demgegenüber nur in geringen Konzentrationen nachzuweisen. In einem Fall wurde Benzaldehyd mit 20 µg/m³, in einem anderen Fall Ethylenglykolmonobutylether mit 81 µg/m³ in gegenüber den Hintergrundwerten erhöhten Konzentrationen gemessen. Eine Richtwertüberschreitung für diese Stoffe ergab sich jedoch nicht. Regelmäßig wurden 1- und 2-Propanol in Konzentrationen bis zu mehreren 1 000 µg/m³ gefunden. Diese Alkohole stammen üblicherweise aus Reinigungs- und Desinfektionsmitteln und sind in der gemessenen Höhe gesundheitlich unbedenklich. Auf die detaillierte Darstellung aller VOC-Ergebnisse wird verzichtet.
Für die bicyclischen Terpene (Pinen, Caren) und die Aldehyde werden tendenziell höhere Konzentrationen beobachtet als bei durchschnittlichen Neubauten (Tabelle 2).
Alle Gebäude waren zum Zeitpunkt der Messung relativ neu (zwischen einem Monat und zehn Jahren). Die unterschiedlichen Belastungen dürften zu einem erheblichen Teil auf die verwendeten Baustoffe zurückzuführen sein. Der Einfluss des Gebäudealters wird dadurch teilweise überdeckt. So war beispielsweise der mit Se gekennzeichnete Raum erst weniger als einen Monat vor der Probenahme fertiggestellt worden. Allerdings war dieser Raum zum Zeitpunkt der Probenahme unmöbliert und noch nicht genutzt. Möbel und auch Gebrauchsgegenstände können einen zusätzlichen Beitrag zur VOC-Belastung der Raumluft leisten, der in diesem Raum, im Gegensatz zu den anderen, nicht erfasst wurde.
Formaldehyd ist in modernen Gebäuden kein größeres Problem mehr. In keinem Gebäude wurde der gültige Richtwert (0,1 ppm oder 124 µg/m³) [2] erreicht oder überschritten. Dies deckt sich mit früheren Untersuchungen von Containerklassenräumen, die ebenfalls große Flächen Holzbaustoffe enthalten können, jedoch selten zu hohe Formaldehydkonzentrationen aufwiesen [6].
In den vergangenen Jahren wurden von der Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden zahlreiche Richtwerte für VOC in der Raumluft abgeleitet [1; 2]. In acht der 13 untersuchten Räume wurden insgesamt 18 Überschreitungen von Richtwert I (Zielwerte) festgestellt (Tabelle 3).
Bei Acetaldehyd ist zu berücksichtigen, dass dieser gemeinsam mit Formaldehyd in einer gesonderten Probe bestimmt wurde. Mit Rücksicht auf die Empfehlungen zu Formaldehyd im Innenraum [7] wurde diese Probe unter Ausgleichsbedingungen („worst case“) genommen. Die gemessenen Acetaldehydkonzentrationen sind daher nicht direkt mit den Richtwerten vergleichbar, da diese für Nutzungsbedingungen abgeleitet werden. Unter Nutzungsbedingungen, also bei üblichem Lüftungsverhalten, wird der Richtwert I für Acetaldehyd sehr wahrscheinlich in allen vier Fällen unterschritten.
Auch die TVOC-Gesamtbelastung war im Vergleich zu konventionellen Neubauten leicht erhöht. Nur vier der 13 Räume fielen in die niedrigste TVOC-Kategorie 1 gemäß dem TVOC-Konzept [1]. Die höchste TVOC-Stufe 5 wurde nicht erreicht. Der höchste gemessene TVOC-Wert betrug ca. 3,3 mg/m³ (siehe Bild 1).
4.2 Kohlendioxidkonzentration
Das Bild 2 zeigt, welche Zeitanteile in den einzelnen Räumen an den aufgezeichneten Tagen bei „hygienisch unauffällig“ (< 1 000 ppm), „hygienisch auffällig“ oder „hygienisch inakzeptabel“ (> 2 000 ppm) eingestuften Kohlendioxidkonzentration zugebracht wurden. Die Einstufung folgt der Leitwert-Empfehlung der Kommission Innenraumlufthygiene [3].
Trotz der sehr luftdichten Bauweise der modernen Gebäude waren Kohlendioxidkonzentrationen über 2 000 ppm (Leitwert II) selten und zeitlich begrenzt. Der Leitwert II wurde an 12 der 53 aufgezeichneten Nutzungstage überschritten, wobei die Überschreitungen zwischen 1 und 22 % der Nutzungszeit andauerten. Durchschnittlich lagen die Kohlendioxidkonzentrationen während 65 % der Zeit unter 1 000 ppm und während 35 % der Zeit zwischen 1 000 und 2 000 ppm (Mediane). Die mittleren Kohlendioxidkonzentrationen über alle Räume lagen im Median bei ca. 900 ppm. Die an mehreren Tagen aufgezeichneten Daten zeigen auch, dass die Raumluftqualität stark schwanken kann und vom Verhalten der Nutzer abhängig ist (Räume Md2 und He1). Nicht zuletzt im Hinblick auf die in den Gebäuden teilweise erhöhten Konzentrationen einiger VOC wurde in diesen Fällen empfohlen, das eigene Lüftungsverhalten zu verbessern.
4.3 Raumklima
Die Frage, ob das Klima in einem Raum als eher behaglich oder eher unbehaglich empfunden wird, hängt vom Verhältnis zwischen der Lufttemperatur und der relativen Luftfeuchte (thermische Behaglichkeit) sowie der Luftgeschwindigkeit ab. Letztere wurde bei den vorliegenden Untersuchungen nicht erfasst.
Obwohl das individuelle Empfinden sehr unterschiedlich ist, lässt sich ein Bereich angeben, den die überwiegende Zahl der Menschen als angenehm empfindet. Je weiter Temperatur oder Feuchte von diesem optimalen Bereich abweichen, desto mehr Arbeit muss der Körper leisten, um zum Beispiel mangelnde Raumtemperatur oder zu geringe Luftfeuchtigkeit auszugleichen. In der Folge empfinden immer mehr Personen das Raumklima als unbehaglich.
Beispielhaft sind in Bild 3 zwei Behaglichkeitsdiagramme nach [8] gezeigt.
Insgesamt waren die Verhältnisse in den untersuchten Räumen überwiegend „behaglich“ und/oder „noch behaglich“. Auffällig hohe oder geringe Luftfeuchtigkeit war nicht festzustellen, die Temperatur war häufig relativ hoch. Für die Raumtemperatur in Kindertagesstätten liegen Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) vor [9]. Als Richtwert für die allgemeine Raumtemperatur sind danach 20 °C anzunehmen. In Bereichen, in denen die Kinder sich entkleiden oder entkleidet werden, um gewaschen oder gewickelt zu werden, sollte eine Mindesttemperatur von 24 °C nicht unterschritten werden.
5 Resümee
Diese Untersuchung der Raumluftqualität in modernen Holzbauten zeigt, dass wegen der sehr umfangreichen Verwendung von Holz und Holzbaustoffen mit höheren Konzentrationen der für diese Materialien typischen VOC zu rechnen ist. Dies sind insbesondere aliphatische Aldehyde und bicyclische Terpene. Formaldehydemissionen aus harzgebundenen Holzfaserplatten stellen mit den aktuell verwendeten Materialien kein wesentliches Problem mehr dar. Die Untersuchungen zeigen aber auch, dass Holzbauten bei entsprechend sorgfältiger Auswahl der eingesetzten Materialien emissionsarm errichtet werden können.
Die Aufzeichnung der Kohlendioxidkonzentration während der Nutzung der Gebäude belegt für die meisten beobachteten Tage trotz der luftdichten Bauweise moderner energieeffizienter Gebäude einen ausreichenden Luftwechsel. Ebenso war das Raumklima, gemessen über die relative Luftfeuchte und die Lufttemperatur, weit überwiegend als behaglich einzustufen.
Literatur
[1] Beurteilung von Innenraumluftkontaminationen mittels Referenz- und Richtwerten. Bekanntmachung des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz 50 (2007) Nr. 7, S. 990-1005. www.umweltbundesamt. de/sites/ default/files/medien/pdfs/Handreichung.pdf
[2] Empfehlungen und Richtwerte der Kommission Innenraumlufthygiene.www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/kommissionen- arbeitsgruppen/ad-hoc-arbeitsgruppe- innenraumrichtwerte
[3] Gesundheitliche Bewertung von Kohlendioxid in der Innenraumluft. Bekanntmachung des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz 51 (2008) Nr. 11, S. 1358-1369. www.umweltbundesamt.de/
sites/default/files/medien/pdfs/ kohlendioxid_2008.pdf
[4] DIN ISO 16000-3: Innenraumluftverunreinigungen – Teil 3: Messen von Formaldehyd und anderen Carbonylverbindungen – Probenahme mit einer Pumpe. Berlin: Beuth 2009.
[5] Raumluftuntersuchungen in öffentlichen Gebäuden in Schleswig-Holstein. Teil 4: Neubauten für Schulen und Kindergärten. Hrsg.: Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein. Kiel 2013. www.schleswig-holstein.de/MSGWG/DE/Gesundheit/Gesundheitsschutz/ UmweltbezogenerGesundheitsschutz/schadstoffeInnenraumluft/Innenraumluftqualitaet/Schulstudie4__blob=publication File.pdf
[6] Raumluftuntersuchungen in öffentlichen Gebäuden in Schleswig-Holstein. Teil 2: Containerbauten für Schulen und Kindergärten. Hrsg.: Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein. Kiel 2011. www.schleswig-holstein.de/MSGWG/DE/Gesundheit/ Gesundheitsschutz/UmweltbezogenerGesundheitsschutz/schadstoffeInnenraumluft/Innenraumluftqualitaet/ Schulstudie2__blob =publicationFile.pdf
[7] Krebserzeugende Wirkung von Formaldehyd – Änderung des Richtwertes für die Innenraumluft von 0,1 ppm nicht erforderlich. Bekanntmachung des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforsch. Gesundheitsschutz 49 (2006) Nr. 11, S. 1169. www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/pdfs/Formaldehyd-keine_aenderung_ 2006.pdf
[8] Pels-Leusden, F.; Freymark H.: Darstellung der Raumbehaglichkeit für den einfachen praktischen Gebrauch. Gesundheitsingenieur 72 (1951) Nr. 16, S. 271-273.
[9] DGUV Regel 102-002 (bisher: BG/GUV-SR S 2): Kindertageseinrichtungen. Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Berlin 2009.
Dr. Guido Ostendorp, Dr. Birger Heinzow, Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein, Dezernat 34 – Umweltbezogener Gesundheitsschutz, Kiel.