Ermittlung der stofflichen Ursachen von Gerüchen
Mit der hier vorgestellten Folgeuntersuchung in einem geruchlich auffälligen Besprechungsraum konnte der Fußboden als Quelle der in der Raumluft wahrnehmbaren unangenehmen Gerüche identifiziert werden. Dabei konnten in den Fußbodenemissionen sieben intensiv olfaktorisch wahrnehmbare Stoffe identifiziert werden. Von drei dieser Substanzen sind Geruchsschwellenwerte bekannt, für zwei weitere wurden im Rahmen dieser Untersuchungen Geruchsschwellen ermittelt. Von den intensiv riechenden Substanzen mit bekannter Geruchsschwelle wird von 1-Nonanol die Geruchsschwelle am deutlichsten überschritten.Die vorliegende Untersuchung diente neben der Geruchs-Ursachenermittlung dem Ziel, durch Kombination empfindlicher chemischer Analytik und olfaktorischer Einschätzung weitere olfaktorisch relevante Substanzen zu identifizieren und deren Wirkung zu quantifizieren.
Vorbemerkungen
Unter der Annahme, dass die fortdauernde Geruchsbelästigung Folge der beständigen Emission bestimmter Substanzen ist, wurden die Ergebnisse einer aus zwölf Messungen bestehenden Raumluft-Messreihe in einem seit mehreren Jahren geruchlich auffälligen Besprechungsraum auf wiederholt auftretende flüchtige organische Verbindungen (volatile organic compounds, VOC) analysiert. Als Kriterium für wiederholtes Auftreten wurde ein Wert von 5 µg/m3 festgelegt, der in 50 % der Messungen überschritten wurde. Es zeigte sich, dass in allen zwölf Messungen 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol in Konzentrationen > 5 µg/m3 gemessen wurden.
In mehr als der Hälfte der Messungen fand sich neben diesen beiden Substanzen auch Aceton (in allen zwölf Messungen), jeweils neunmal 2-Ethylhexanol und Hexansäure sowie siebenmal Decamethylcyclopentasiloxan in Konzentrationen > 5 µg/m3. Mithilfe von Materialanalysen konnte in der genannten Voruntersuchung der Verdacht erhärtet werden, dass 1-Nonanol und 6-Methyl-1-octanol primär aus dem Fußbodenaufbau stammen [1]. Insgesamt war aber nicht belegbar, ob diese beiden Substanzen einen relevanten Anteil am Geruchseindruck der Raumluft hatten und ob es weitere in der Raumluft unangenehm wahrnehmbare Substanzen mit möglicherweise anderem Quellenbezug als dem Fußboden gibt.
Im Juni 2015 erfolgten nun Nachmessungen in Kooperation mit dem Labor Odournet, das auf Messung und Bewertung von Gerüchen spezialisiert ist. Mithilfe dieses Labors sollten die Geruchsquellen und die geruchsrelevanten Substanzen identifiziert werden. Zwei Substanzen sollten für die Geruchsschwellenbestimmung ausgewählt werden.
Durch die Benennung analytisch bestimmter olfaktorisch auffälliger Substanzen wird die Grundlage zur gezielten Reduzierung oder Vermeidung von Geruchsbelastungen geschaffen.
Material und Methoden
Messvorbereitung und Probenahme
Der zu untersuchende Raum wurde 24 Stunden vor den Raumluftmessungen belüftet und danach bis zum Abschluss der Messung am Folgetag verschlossen. Am Vortag der Messung erfolgte auch das Anbringen von Probenahmebeuteln (Nalophanbeutel) auf den Oberflächen des Raums (Decke, Wand, Boden), was beispielhaft in Bild 1 zu sehen ist. Diese Probenahmebeutel waren zur Kontaktfläche geöffnet, wobei der Randbereich zur Raumluft gasdicht abgeschlossen wurde. Die Beutel wurden mit Neutralluft befüllt. Über 24 Stunden konnte sich die eingefüllte Neutralluft mit den Emissionen aus der Kontaktfläche mischen. Die Raumluft wurde am Tag der Probenahme in einem weiteren Nalophanbeutel gesammelt (Bild 2) und anschließend gemeinsam mit den anderen Luftbeuteln zur Analyse ins Labor transportiert.
Analytik
Die Beutelluft wurde im Labor auf TenaxTA/Carbograph5 gezogen (10 l Probenvolumen, Flussrate: 100 ml/min).
In einem ersten Schritt erfolgte die Analyse der Beutelluft mittels GC/IMS1), was in Kombination mit einer sensorischen Bewertung der Beutelluft zur Ermittlung des Fußbodens als für die Raumluft relevante Geruchsquelle führte.
In einem zweiten Schritt wurden die Fußbodenemissionen mittels GC-ToF-MS2) (Nachweisgrenze: 0,01 µg/m3) analysiert. Zeitgleich erfolgte eine olfaktorische Bewertung der Fußbodenemissionen mit einer Sniffing-Einheit. Für die olfaktorische Bewertung wurden zwei trainierte Probanden eingesetzt, die sich alle 15 Minuten abwechselten. Diese zeitgleiche chemische und olfaktorische Analyse wurde insgesamt vier Mal wiederholt.
Geruchsbewertung (Sensorische Prüfung)
Im Verlauf der Untersuchung wurden zu verschiedenen Zeitpunkten sensorische Prüfungen durchgeführt, die erste direkt bei der Probenahme durch die Probenehmerin, die zweite später im Labor. Bei dieser Prüfung wurde die Intensität und Hedonik der Oberflächenemissionen (Wand, Decke, Boden) sowie der Raumluft auf der Grundlage der Richtlinie VDI 3882 [2] und DIN ISO 16000-30 [3] bewertet. Der Transport und die sensorische Analyse der in den Nalophanbeuteln transportierten Luft im Geruchslabor erfolgten innerhalb von 24 Stunden. Bei der Vor-Ort-Bewertung wurde die Raumluft hinsichtlich Intensität und Hedonik mit 3 bis 4 bzw. -2 bewertet, bei der späteren olfaktorischen Beurteilung im Labor wurde Intensität bzw. Hedonik mit 1,5 bzw. -1 bewertet.
Die dritte sensorische Prüfung erfolgte zeitgleich zur GC-ToF-MS-Analyse. Hierbei wurde die Raumluft nach der gaschromatographischen Trennung im Verhältnis 40 : 60 aufgesplittet und die Teilströme dem MS-Detektor bzw. dem Sniffer-Port zugeleitet (OlfactoryDetectorPort OP275), wobei am Sniffer-Port eine Aufkonzentrierung des Stoffs erfolgte. Die Stoffe sind dann wahrnehmbar, auch wenn die Stoffkonzentration in der Probe unterhalb der Geruchsschwelle liegt. Die Bewertung der Wahrnehmungen erfolgt hinsichtlich des Charakters und der Intensität. Ziel der dritten Prüfung war die Identifizierung einzelner geruchsintensiver Verbindungen im Rahmen der qualitativen Bewertung der Fußbodenemissionen.
Ergebnisse
Durch Kombination der GC/IMS- und der sensorischen Analytik konnten die Fußbodenemissionen als der Raumluft am ähnlichsten und die Emissionen aus Wand und Decke als nicht verantwortlich für den Raumgeruch eingestuft werden.
Mithilfe der GC-ToF-MS-Analyse der Fußbodenemissionen wurden 118 VOC ermittelt. Durch die zeitgleich mit dem GC-ToF-Lauf durchgeführte olfaktorische Bewertung wurden bei 49 verschiedenen Retentionszeiten Geruchsbeschreibungen und Intensitätsbewertungen abgegeben. 16 dieser olfaktorischen Beschreibungen konnten chemisch identifiziert werden.
Die 16 Intensitätsangaben bewegten sich im Bereich der Intensitätseinstufung 2 bis 4 der von 0 bis 6 reichenden siebenstufigen Intensitätsskala gemäß DIN ISO 16000-30. Für die weitere Auswertung wurden die sieben Substanzen mit der höchsten Intensitätseinstufung „4“ ausgewählt. Hierbei handelte es sich um die Stoffe 2,3-Butandion (CAS-Nr. 431-03-8), 6-Pentyl-2H-pyran-2-on, (CAS-Nr. 27593-23-3), Benzaldehyd (CAS-Nr. 100-52-7), Octanal (CAS-Nr. 124-13-0), Acetophenon (CAS-Nr. 98-86-2), 1-Nonanol (CAS-Nr. 143-08-8) und Decanal (CAS-Nr. 112-31-2).
Geruchsschwellenwerte für 1-Nonanol (5,3 µg/m3 [4]) sowie Octanal und Decanal (0,9/2,6 µg/m3 [5]) sind bereits veröffentlicht.
In den Fußbodenemissionen wurde Octanal/Decanal/1-Nonanol mit Konzentrationen von 2,8/1,4/38,7 µg/m3 analysiert; die Decanalkonzentration lag somit unterhalb des ODT50, dem olfactory detection level, bei dem 50 % einer Probandengruppe einen Geruch wahrnehmen.
Bei den Voruntersuchungen [1] des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts (NLGA) wurde Octanal zwischen < 1 und 2,4 µg/m3 (Mittelwert: 1,8 µg/m3), Decanal zwischen < 1 und 3,5 µg/m3 (Mittelwert: 1,7 µg/m3) und 1-Nonanol zwischen 23 und 63 µg/m3 (Mittelwert: 37,4 µg/m3) in der Raumluft gemessen.
Bei der im Rahmen dieser Untersuchung zusätzlich durchgeführten NLGA-Luftprobenahme wurde ein TVOC-Wert von 373 µg/m3 ermittelt. Die Konzentrationen für Octanal/Decanal/1-Nonanol lagen bei 2,4/3,5/16 µg/m3.
Aus der oben genannten Liste der sieben Stoffe mit der höchsten Intensitätseinstufung wurden zwei Stoffe für die Ermittlung von Geruchsschwellenwerten nach der Norm DIN EN 13725 [6] ausgewählt: Acetophenon und Benzaldehyd. Bei den NLGA-Vormessungen wurden für Acetophenon Konzentrationen zwischen < 1 und 4,2 µg/m3, Mittelwert: 2,3 µg/m3, bzw. für Benzaldehyd von < 1 und 4,0 µg/m3, Mittelwert: 2,6 µg/m3, ermittelt und bei einem Konzentrationsniveau > 1 µg/m3 fand sich Acetophenon und Benzaldehyd jeweils in elf der zwölf Vormessungen [1]. Bei der aktuellen NLGA-Luftmessung lagen die Konzentrationen für Acetophenon/Benzaldehyd bei 1,6/1,6 µg/m3. Anzumerken ist zudem, dass Acetophenon und Benzaldehyd häufiger bei Innenraummessungen ermittelt werden [7 bis 9].
Die Geruchsschwellenermittlung ergab für Acetophenon 2,4 µg/m3 (Unsicherheitsbereich: 1,6 bis 3,8 µg/m³) und für Benzaldehyd 18,5 µg/m3 (Unsicherheitsbereich: 15,9 bis 20,9 µg/m³).
Diskussion
Die Mittelwerte von Octanal, Decanal und 1-Nonanol bei den NLGA-Vormessungen der Raumluft [1] zeigen mit 1,8/1,7/37,4 µg/m3 eine gute Übereinstimmung mit den Konzentrationen, die in den Fußbodenemissionen ermittelt wurden (2,8/1,4/38,7 µg/m3). Bei der aktuellen NLGA-Luftmessung lag die 1-Nonanal-Konzentration mit 16 µg/m3 allerdings deutlich niedriger als in den Fußbodenemissionen sowie bei den NLGA-Vormessungen. Während sich die gemessenen Octanal- und Decanalkonzentrationen ungefähr im Bereich der Geruchsschwelle bewegten und somit einen eher geringen Beitrag zur Geruchswahrnehmung leisten, lag die 1-Nonanol-Konzentration bei allen Luftmessungen deutlich über der Geruchsschwelle.
Auch mit den bei dieser Untersuchung analytisch sehr empfindlichen Messungen unter Einbeziehung einer olfaktorischen Bewertung konnte nur ein Teil der geruchsaktiven Substanzen ermittelt werden. Lediglich bei 16 von 49 olfaktorisch ermittelten Retentionszeiten ließen sich die Substanzen identifizieren. Von diesen 16 Substanzen sind die Geruchsschwellen auch nur teilweise bekannt, sodass nicht eingeschätzt werden kann, welche Wirkung die Konzentration der einzelnen Stoffe olfaktorisch entfalten. Unter der Annahme, dass einzeln intensiv wahrnehmbare Substanzen auch einen wesentlichen Anteil an der olfaktorischen Gesamtwahrnehmung haben, wären die olfaktorisch relevanten Substanzen eingrenzbar. Mit der Ermittlung von Geruchsschwellen für zwei olfaktorisch als intensiv wahrgenommene VOC wird diese „Einschätzungslücke“ verkleinert.
Vonseiten der Raumnutzer wird mittlerweile eine leichte Abschwächung der als sehr unangenehm empfundenen Geruchsbelastung angegeben. Ob diese Wahrnehmung unter anderem mit dem 1-Nonanol-Konzentrationsrückgang auf 16 µg/m3 zusammenhängt, kann mit der vorliegenden Untersuchung nicht beantwortet werden.
Der neu ermittelte Geruchsschwellenwert für Acetophenon wurde bei den NLGA-Voruntersuchungen [1] überschritten und bei den aktuellen NLGA-Luftmessungen knapp unterschritten, während die Geruchsschwelle für Benzaldehyd nicht überschritten wurde.
1) GC: Gaschromatographie; IMS: Ionen-Mobilitäts-Spektrometrie
2) ToF-MS: Time-of-flight mass spectrometer
Literatur
- Grams, H.; Gierden, E.; Tenhaken, P.: Messungen in geruchsbelasteten Räumen zur Ermittlung der stofflichen Ursachen der Gerüche. Gefahrstoffe – Reinhalt. Luft 75 (2015) Nr. 3, S. 85-87.
- VDI 3882 Blatt 1: Olfaktometrie. Bestimmung der Geruchsintensität. Berlin: Beuth 1992.
- DIN ISO 16000-30: Innenraumluftverunreinigungen – Teil 30: Sensorische Prüfung der Innenraumluft. Berlin: Beuth 2015.
- Nagata, Y.: Measurement of odor threshold by triangle odor bag method. Odor Measurement Rev. (2003), S. 118-127.
- Gesundheitlich-hygienische Beurteilung von Geruchsstoffen in der Innenraumluft mithilfe von Geruchsleitwerten. Bekanntmachung des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. 57 (2014) Nr. 1, S. 148-153.
- DIN EN 13725: Luftbeschaffenheit – Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration mit dynamischer Olfaktometrie. Berlin: Beuth 2003.
- Vergleichswerte für flüchtige organische Verbindungen (VOC und Aldehyde) in der Innenraumluft von Haushalten in Deutschland. Ergebnisse des repräsentativen Kinder-Umwelt-Surveys (KUS) des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. 51 (2008) Nr. 1, S. 109-112.
- Ostendorp, G.; Riemer, D.; Harmel, K.; Heinzow, B.: Aktuelle Hintergrundwerte zur VOC-Belastung in Schulen und Kindergärten in Schleswig-Holstein. Umweltmed. Forsch. Prax. 14 (2009), S. 135-152.
- Bereitstellung einer Datenbank zum Vorkommen von flüchtigen organischen Verbindungen in der Raumluft. UBA- Forschungsbericht 205 61 234. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt 2008.
Dipl.-Biol. Herbert Grams, Dipl.-Chem.-Ing. (FH) Edith Gierden - Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA), Hannover.
Dipl.-Ing. Peter Tenhaken, Gesundheitsdienst für Landkreis und Stadt Osnabrück.
Dr. Heike Hauschildt, Odournet GmbH, Kiel.