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Entwicklungsbedarf 01.08.2018, 00:00 Uhr

Messverfahren für Arbeitsplatzmessungen

Mitteilungen aus dem Arbeitskreis „Messtechnik/Messstrategie“ des Unterausschusses I beim Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS)

Quelle: PantherMedia/Randolf Berold

Quelle: PantherMedia/Randolf Berold

Grenzwerte zur Beurteilung der inhalativen Belastung durch Gefahrstoffe an Arbeitsplätzen werden überwiegend auf der Basis toxikologischer und epidemiologischer Daten gesundheitsbasiert abgeleitet. Dabei wird in der Regel zunächst nicht berücksichtigt, ob für einen Stoff ein zur Überwachung der Luft am Arbeitsplatz geeignetes Messverfahren verfügbar ist. Die Entwicklung, Validierung und Prüfung der Messverfahren für Arbeitsplatzmessungen erfolgt in Deutschland durch spezialisierte Arbeitsgruppen bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Arbeitsgruppe Luftanalysen, und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Arbeitsgruppe Analytik. Darüber hinaus sind die in der IFA-Arbeitsmappe veröffentlichten Verfahren als geeignet anerkannt. Bei allen dort publizierten Verfahren kann man davon ausgehen, dass sie den Anforderungen an Messverfahren gemäß den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 402 [1] sowie den einschlägigen internationalen Normen DIN EN 482 bzw. ISO 20581 [2; 3]*, DIN EN 1076 bzw. DIN EN ISO 22065 (Entwurf) [4; 5]*, DIN EN 13890 bzw. ISO/DIS 21832 [6; 7]*, DIN EN 838 [8] und DIN EN 13936 [9] für Schichtmittel- und Kurzzeitwerte genügen. Soll eine dieser Methoden von einer Messstelle übernommen werden, so ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Verfahrenskenndaten unter den konkreten Laborbedingungen bestätigt werden und somit die Übertragung dieser Methode möglich ist.

Auch die in inner- und außerbetrieblichen Messstellen erarbeiteten Verfahren können eingesetzt werden, sofern sie den genannten Anforderungen entsprechen. Dazu ist eine vollständige Validierung gemäß den o. g. Vorgaben erforderlich und zu dokumentieren.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Gefahrstoffen mit einem Beurteilungsmaßstab (Arbeitsplatzgrenzwert, Maximale Arbeitsplatzkonzentration, Akzeptanz-/Toleranzkonzentration …), für die kein geeignetes Messverfahren publiziert ist [10]. Dies ist auf die eingeschränkten personellen, technischen und finanziellen Kapazitäten der Arbeitsgruppen zurückzuführen. Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren leider noch verschärft, da zusätzlich zu der stetig steigenden Zahl von Arbeitsplatzgrenzwerten (AGW) nach TRGS 900 [11] weitere Beurteilungsmaßstäbe abgeleitet wurden. Insbesondere mit Veröffentlichung der TRGS 910 [12] und der dort aufgeführten Akzeptanzkonzentrationen (AK) und Toleranzkonzentrationen (TK) für krebserzeugende Stoffe wurde der Fokus der Methodenentwicklung in den vergangenen Jahren auf diese Stoffe gelegt. Dies wurde erforderlich, weil die zugrundeliegenden Exposition-Risiko-Beziehungen (ERB) zu sehr niedrigen Konzentrationen geführt haben. Für viele dieser Stoffe ist der Anwendungsbereich etablierter Methoden zu deutlich niedrigeren Konzentrationsbereichen zu erweitern oder es sind neue Messverfahren zu entwickeln. Für einige dieser Stoffe, z. B. Benzol und Benzo[a]pyren, ist dies bereits erfolgt, aber noch sind bei Weitem nicht für alle dieser Stoffe geeignete Messverfahren verfügbar.

Unter den gegebenen Bedingungen ist eine Besserung der Gesamtsituation nicht zu erwarten. Der Arbeitskreis Messtechnik (AK-MT) im Unterausschuss (UA) I des AGS sieht diese Entwicklung mit großer Sorge und hat daher Vorschläge dafür erarbeitet, wie die vorhandenen Lücken mittelfristig geschlossen werden könnten. Zur Identifizierung dieser Lücken wird die auf den Internetseiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) publizierte Liste der Messverfahren derzeit auf alle Stoffe mit Beurteilungsmaßstäben erweitert. Daran schließen sich an:

Zusammenstellung einer Prioritätenliste von Stoffen, für die bevorzugt geeignete Messverfahren zu entwickeln sind. Kriterien für diese Liste sind z. B. toxikologische Aspekte (CMR-Stoffe), die Anzahl der betroffenen Arbeitsplätze und Beschäftigten sowie das Freisetzungspotenzial der Stoffe (z. B. Dampfdruck, Staubungsverhalten).

Weiterentwicklung der technischen Voraussetzungen insbesondere für die Probenahme von Gefahrstoffen. Dazu gehören

  • leistungsstärkere Probenahmepumpen für die per­sonengetragene Probenahme von partikelförmigen Gefahrstoffen in der alveolengängigen und der einatembaren Staubfraktion, die höhere Volumenströme ermöglichen bzw. größere Strömungswiderstände überwinden,
  • geprüfte Probenahmeköpfe, insbesondere für die personengetragene Probenahme von partikulären Stoffen und
  • Sammelmedien mit erhöhter Kapazität, z. B. größere Filter oder Sammelröhrchen für die Probenahme von Gasen, Partikeln und Partikel-Dampf-Gemischen,

Verbesserung der Qualität der eingesetzten Hilfsmittel, z. B. Reinheit der Chemikalien, Blindwerte der Sammelmedien (Filter für die Messung von Metallen) oder

Weiterentwicklung direkt anzeigender Messgeräte, insbesondere für organische Lösemitteldämpfe, die gegenüber heute gebräuchlichen Photoionisationsdetektoren und Flammenionisationsdetektoren selektiv und spezifisch sind.

Eine Verbesserung der Koordination zwischen grenzwertsetzenden Gremien und Gremien, die Messverfahren entwickeln, ist anzustreben. Dazu ist eine frühzeitige Information des AK-MT oder der „analytischen“ Gremien über die Grenzwertentwicklung (z. B. Speziesbestimmung von Metallen und Metallverbindungen) und die Einbeziehung der gegenwärtig bestehenden Messmöglichkeiten (z. B. A-Fraktion bei Partikel-Dampf Gemischen) erforderlich.

Sollte aktuell kein Messverfahren verfügbar sein, sind Regelungen z. B. über die Höhe des Beurteilungsmaßstabes in Bezug zur Leistungsfähigkeit der Analytik notwendig. Alternative Abschätzungen entsprechend TRGS 402 sind dabei zu berücksichtigen, um ggf. Defizite aufgrund von Messverfahren durch z. B. nicht messtechnische Verfahren zu überbrücken. Für die parallele Erarbeitung eines Beurteilungsmaßstabes und die Entwicklung eines geeigneten Messverfahrens ist eine koordinierte Bereitstellung von Ressourcen erforderlich.

Es wird daher dazu aufgerufen, die von inner- und außerbetrieblichen Messstellen erarbeiteten Messverfahren in die o. g. Arbeitsgruppen einzubringen. Dort können sie nach erfolgreicher Prüfung als anerkannte Messverfahren für Arbeitsplatzmessungen veröffentlicht werden. Da die Erstellung einer Methode einen nicht zu vernachlässigenden Aufwand darstellt, werden Interessenten, die derartige Messverfahren einreichen, durch die Arbeitsgruppen Analytik der DGUV und Luftanalysen der DFG selbstverständlich unterstützt.

*Hinweis: Die ISO-Normen wurden alle auf der Basis der jeweiligen EN-Norm erarbeitet. Die grundlegenden Anforderungen an Messverfahren wurden nicht verändert. Jedoch sind Aktualisierungen erfolgt. So enthält z. B. der Normentwurf ISO/DIS 21832 aktuelle Werte zur Messunsicherheit von Probenahmesystemen für die Probenahme von Partikeln oder der Normentwurf ISO/DIS 22065 ein aktuelleres Beispiel zur Berechnung der Messunsicherheit von Messverfahren für die Bestimmung von Gasen und Dämpfen.

 

 

Literatur

[1] Technische Regel für Gefahrstoffe: Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition (TRGS 402). Ausg. 2/2010. GMBl. (2010) Nr. 12, S. 231-253; zul. geänd. GMBl. (2016) Nr. 43, S. 843-846.

[2] DIN EN 482: Exposition am Arbeitsplatz – Allgemeine Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Verfahren zur Messung chemischer Arbeitsstoffe (12/2015). Berlin: Beuth 2015.

[3] ISO 20581: Luft am Arbeitsplatz – Allgemeine Leistungsanforderungen an Verfahren zur Messung chemischer Arbeitsstoffe (11/2016). Berlin: Beuth 2016.

[4] DIN EN 1076: Exposition am Arbeitsplatz – Messung von Gasen und Dämpfen mit pumpenbetriebenen Probenahmeeinrichtungen – Anforderungen und Prüfverfahren (4/2010). Berlin: Beuth 2010.

[5] DIN EN ISO 22065 (Entwurf): Arbeitsplatzatmosphäre – Verfahren zur Messung von Gasen und Dämpfen mit pumpenbetriebenen Probenahmeeinrichtungen – Anforderungen und Prüfverfahren (5/2018). Berlin: Beuth 2018.

[6] DIN EN 13890: Exposition am Arbeitsplatz – Messung von Metallen und Metalloiden in luftgetragenen Partikeln – Anforderungen und Prüfverfahren (1/2010). Berlin: Beuth 2010.

[7] ISO/DIS 21832 (Entwurf): Luft am Arbeitsplatz – Verfahren zur Bestimmung von Metallen und Metalloiden in luftgetragenen Partikeln (1/2018). Berlin: Beuth 2018.

[8] DIN EN 838: Exposition am Arbeitsplatz – Messung von Gasen und Dämpfen mit Diffusionssammlern – Anforderungen und Prüfverfahren (5/2010). Berlin: Beuth 2010.

[9] DIN EN 13936: Exposition am Arbeitsplatz – Messung eines als Mischung aus luftgetragenen Partikeln und Dampf vorliegenden chemischen Arbeitsstoffes – Anforderungen und Prüfverfahren (4/2014). Berlin: Beuth 2014.

[10] Bewertung von Verfahren zur messtechnischen Ermittlung von Gefahrstoffen in der Luft am Arbeitsplatz. Hrsg.: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Dortmund 2017. www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-Ausschuessen/AGS/pdf/Messverfahren.pdf

[11] Technische Regel für Gefahrstoffe: Arbeitsplatzgrenzwerte (TRGS 900). Ausg. 1/2006. BArbBl. (2006) Nr. 1, S. 41-55; zul. geänd. GMBl. (2018) Nr. 15, S. 258.

[12] Technische Regel für Gefahrstoffe: Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen (TRGS 910). Ausg. 2/2014. GMBl. (2014) Nr. 12, S. 258-270; zul. geänd. GMBl. (2018) Nr. 14, S. 242.

Von D. Breuer, R. Hebisch, U. Lewin-Kretzschmar

Prof. Dr. rer. nat. Dietmar Breuer, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin.

Dr. rer. nat. Ralph Hebisch - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Dortmund.

Dr. rer. nat. Uta Lewin-Kretzschmar - Analytisches Labor Leuna der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Leuna. Arbeitskreis Messtechnik/Messstrategie des UA I:

Dr. Anita Csomor - Regierungspräsidium Kassel.

Dr. Christoph Emmel - Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft.

Dirk Fendler - Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse.

Beatrix Fischer, - Merck KgaA.

Dr. Ralph Hebisch - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Prof. Dr. Dietmar Breuer, Petra Heckmann, Thomas von der Heyden - Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA).

Dr. Wilhelm Krämer, BASF AG.

Gebhard von Kries, ANECO Institut für Umweltschutz GmbH & Co.

Dr. Uta Lewin-Kretschmar - Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie.

Udo Münkel - Aurubis AG.

Dr. Ralf Sonnenburg - Volkswagen AG.>br>
Dr. Ursula Vater (Vorsitzende des UA I) - Regierungspräsidium Kassel.

Dr. Gitta Weber, Infraserv.