Luftreinhaltung: Optische Fernmessverfahren und Standardisierung
„Fernmessverfahren haben vielfältige Anwendungsmöglichkeiten; insbesondere dort, wo der Zugang erschwert, Gefahrenpotenzial vorhanden oder ein ausgedehntes Areal in kurzer Zeit zu vermessen ist, bzw. wo die spezielle Messaufgabe durch punktförmig messende Verfahren nicht in adäquater Form oder nur durch hohen Aufwand bewältigt werden kann.“
Diese Sätze stammen aus dem Manuskript eines Vortrags, den Konradin Weber im Mai 1990 auf dem von der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) – Normenausschuss veranstalteten Traditionskolloquium „Aktuelle Aufgaben der Messtechnik in der Luftreinhaltung“ in Heidelberg hielt. Sie galten damals und sie gelten 30 Jahre später natürlich noch in gleicher Weise. Das Bemerkenswerte an diesem Vortrag ist, dass er als eine Art Initialzündung gesehen werden kann, die im wissenschaftlichen Bereich schon lange bewährten und vielfältig eingesetzten optischen Fernmessverfahren auch in den gesetzlich geregelten Bereich der Luftreinhaltung einzubinden und für entsprechende Emissions- und Immissionsmessungen von mit Grenzwerten belegten Luftschadstoffen zu etablieren. Voraussetzung dafür war ihre Standardisierung, d. h. die Festlegung der Messmethodik und der notwendigen Qualitätssicherungsmaßnahmen in VDI-Richtlinien bzw. nationalen oder internationalen Normen.
Erste technische Regeln für Fernmessverfahren
Als erste technische Regeln dieser Art wurden 1999 und 2000 schließlich VDI-Richtlinien zu aktiven Fernmessverfahren basierend auf DAS-LIDAR (VDI 4210 Blatt 1) bzw. FTIR (VDI 4211 Blatt 1) publiziert. Im Jahre 2008 folgte dann die Richtlinie VDI 4212 Blatt 1 zum aktiven DOAS-Fernmessverfahren. Die Blattnummerierungen brachten den Optimismus hinsichtlich einer möglichen Erweiterung der Richtlinienreihen zum Ausdruck. Gleichzeitig wurden auch VDI-Richtlinien erarbeitet, in denen Mindestanforderungen und Prüfverfahren als Grundlage für die Eignungsprüfung von optischen Fernmesssystemen festgelegt wurden – ein notwendiges Werkzeug, um die Äquivalenz zu den punktförmig messenden automatischen Messeinrichtungen nachweisen zu können. (Bild 1)
Im nächsten Schritt erfolgte die „Internationalisierung“ der beiden FTIR- und DOAS-Richtlinien durch nahezu vollständige Übernahme ihrer Inhalte in die Europäischen Normen EN 15483 „Luftqualität – Messungen in der bodennahen Atmosphäre mit FTIR-Spektroskopie“ (2008) bzw. EN 16253 „Luftqualität – Messungen in der bodennahen Atmosphäre mit der aktiven Differentiellen Optischen Absorptionsspektroskopie (DOAS) – Immissionsmessungen und Messungen von diffusen Emissionen“ (2013). Konsequenterweise wurden die beiden zugrunde liegenden VDI-Richtlinien dann zurückgezogen.
Auch eine Studie des Joint Research Centre (JRC) stellte 1997 fest: „Among the array of promising techniques available for continuously monitoring air pollutants, DOAS is one of the most advanced. It offers a genuine alternative to conventional monitoring systems for a wide range of pollutants.“ Durchsetzen konnten sich derartige Systeme gegen die konventionelle Messtechnik im gesetzlich geregelten Bereich letztendlich nicht, auch wenn ihre Äquivalenz in Eignungsprüfungen belegt war. Die Domäne dieser Verfahren ist und bleibt der wissenschaftliche Bereich.
Von aktiven zu passiven Fernmessverfahren
Ein Kriterium sind sicherlich die Kosten für die Anschaffung derartiger Systeme. Diese relativieren sich dann aber deutlich, wenn man von aktiven zu passiven Verfahren übergeht; Verfahren also, die keine eigene Strahlungsquelle benötigen, sondern mit der natürlichen Strahlung arbeiten. Auch hierfür stehen inzwischen VDI-Richtlinien zur Verfügung: die 2018 veröffentliche Richtlinie VDI 4211 zum Passiv-FTIR-Verfahren und die 2019 veröffentlichte Richtlinie VDI 4212 zum Passiv-DOAS-Verfahren. Der Einsatzbereich dieser flexiblen Systeme vergrößert sich deutlich – auch durch die Verwendung mobiler (erdgebundener oder luftgetragener) Plattformen bis hin zu Satelliten, wobei letztere natürlich außerhalb der KRdL-Normung liegen.
Eine neue normative Bedeutung bekamen ausgewählte optische Fernmessverfahren durch den Durchführungsbeschluss der Kommission vom 9. Oktober 2014 über Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen in Bezug auf das Raffinieren von Mineralöl und Gas. Hierin ist festgehalten, dass sich bei der Überwachung diffuser VOC-Emissionen von Raffinerien ein umfassendes Screening und die Quantifizierung der Emissionen mit einer geeigneten Kombination einander ergänzender Verfahren erzielen lassen, z. B. durch Messkampagnen mit Solar Occultation Flux (SOF) oder DIAL (differenzielles Absorptions-LIDAR, ein synonymes Akronym zum oben genannten DAS-LIDAR). (Bild 2)
Diese Empfehlung mündete in die seitens der EU bei CEN in Auftrag gegebene und mit nicht unerheblichen finanziellen Mitteln geförderten Europäischen Norm EN 17628 „Fugitive and diffuse emissions of common concern to industry sectors – Standard method to determine diffuse emissions of volatile organic compounds into the atmosphere“, die neben der Anwendung von DIAL und SOF auch Optical Gas Imaging (OGI) in Form der IR-Kamera zum Aufspüren von diffusen Emissionen vorstellt. Diese Norm wird Mitte dieses Jahres in ihrer ratifizierten Form veröffentlicht.
In den folgenden Teilen dieser Artikelserie werden konkrete Beispiele zur Anwendung optischer Fernmessverfahren in Wissenschaft und Praxis vorgestellt, wie etwa bei der Messung von vulkanischen Emissionen (Titelbild), von Triebwerksabgasen (Bild 1), von diffusen Emissionen aus Industriekomplexen (Bild 2) oder bei der Leckortung (Bild 3).
Dr. Norbert HöfertKRdL im VDI und DIN, Düsseldorf.