Neuer Test zur Bewertung der Umweltverträglichkeit von Chemikalien
Um Umweltchemikalien zuverlässiger bewerten zu können, wurde ein neuer Test an Mücken entwickelt, der Veränderungen im Erbgut überprüfen kann.
Um Umweltchemikalien zuverlässiger bewerten zu können, haben das Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und das LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik einen neuen Test entwickelt: Dieser prüft an Mücken, ob chemische Substanzen vererbbare Veränderungen hervorrufen – und zeigt erstaunliche Ergebnisse.
Eingesetzt wurde unter anderem Cadmium, das in Düngemitteln oder Batterien vorkommt und im Umweltmonitoring negativ durch Gewässerbelastung auffällt. Das Forscherteam hat überprüft, ob der Stoff Keimbahnmutationen in einer Konzentration verursacht, die als ökologisch realistisch eingestuft wird. Solche Veränderungen im genetischen Material von Zellen haben langfristige Folgen mit großer Reichweite, da sie an nachfolgende Generationen vererbt werden. Als Stellvertreter für mehrzellige Organismen wurden Zuckmücken der Art Chironomus riparius über mehrere Generationen einer niedrigen, aber umweltrelevanten Cadmiumkonzentration ausgesetzt. Überraschenderweise zeigte die Analyse, dass die gewählte Konzentration keine Keimbahnmutationen bei Zuckmücken verursacht. In den bisher gültigen Regularien gilt diese Cadmiumkonzentration jedoch als mutagen. Das Ergebnis steht also ziemlich genau im Gegensatz zu dem, was bisher angenommen wird.
Bisherige Tests sind unzuverlässig
Umweltverträglichkeitstests sind vor der Zulassung von Substanzen vorgeschrieben und testen auch deren Potenzial, Mutationen hervorzurufen. Dieser Mutagenitäts-Test wird bisher allerdings nur an Bakterien oder im Labor generierten Zellkulturen durchgeführt. Ein großer Teil der biologischen Vielfalt besteht aber aus mehrzelligen Organismen, deren Komplexität diese Tests nicht gerecht werden. Beispielsweise besitzen die Zellen von Mehrzellern andere Reparaturmechanismen, sodass Schadstoffe auch andere Ansatzpunkte haben. Die Studie zeigt daher, dass die heutigen Mutagenitäts-Tests unzuverlässig sind. Der neue Test soll dieses Problem lösen, da er das gesamte Erbgut mehrzelliger Organismen in den Fokus nimmt.
Zu viele Chemikalien in der Umwelt
Jedes Jahr werden in der Europäischen Union etwa 50 000 bis 100 000 chemische Substanzen registriert, die nur den bisherigen Mutagenitäts-Test durchlaufen. Damit werden Substanzen in die Umwelt eingebracht, deren ökologische Auswirkungen nicht hinreichend erfasst werden. Langfristig soll der neue Test daher als Standard etabliert werden, sodass das Gefahrenpotenzial neuer Umweltchemikalien umfassend eingeschätzt werden kann und Konzentrationen genehmigt werden, die in der Natur bei allen Organismen – ob einzellig oder mehrzellig – weder giftig noch mutagen wirken.