Messung nano- und mikroskaliger faserförmiger Materialien (Teil 1)
Zusammenfassung Ein erster Schritt zur Erarbeitung eines neuen Messverfahrens für die Ermittlung der Exposition gegenüber nano- und mikroskaligen faserförmigen Materialien ist getan. Dabei wurde in einer ersten Konvention der nanoskalige Faserdurchmesserbereich bis hinab zu 0,02 µm gesondert betrachtet. Es zeigt sich, dass bei der Faserzählung von der in der Richtlinie VDI 3492 bzw. der DGUV Information 213-546 vorgeschriebenen auszuwertenden Filterfläche von 0,5 mm² abgewichen werden muss. Die Probenahmedauer und das Probenahmevolumen müssen so gewählt werden, dass ein großes Luftvolumen ausgewertet werden kann und damit die analytische Nachweisgrenze erreicht wird. Im vorliegenden ersten Teil des Artikels werden die o. g. Kriterien der Probenahme dargelegt sowie die Parameter der rasterelektronenmikroskopischen Analyse mit hochauflösenden Geräten und die Auswertung der digitalisierten Bilder beschrieben.
1 Einleitung
1.1 Abschätzung der Exposition gegenüber partikelförmigen Nanomaterialien
Für die Beurteilung der Notwendigkeit und Wirksamkeit von Maßnahmen zum Schutz vor Expositionen gegenüber partikelförmigen Nanomaterialien an Arbeitsplätzen wurde der sogenannte Gestufte Messansatz (Tiered Approach) entwickelt [1]. Er besteht aus einem Satz detaillierter Standardarbeitsanweisungen (Standard Operation Procedures, SOP) für konkrete Messsituationen.
Zunächst erfolgt in der ersten Stufe dieses Messansatzes eine Informationserhebung zur Verwendung von Nanomaterialien an dem betrachteten Arbeitsplatz. Bei Hinweisen auf eine solche Verwendung werden in einer zweiten Stufe Screening-Messungen durchgeführt. Dafür kommen einfach zu bedienende direkt anzeigende Nanopartikelzähler zum Einsatz. Sie erlauben es, partikelförmige Expositionen im ultrafeinen Bereich deutlich sensitiver zu erfassen als gravimetrische Verfahren.
Sofern eine signifikante Überschreitung der Hintergrundkonzentration festgestellt wird oder wenn aufgrund hoher und stark variierender Hintergrundkonzentrationen keine Aussagen möglich sind, werden in einer dritten Stufe Intensivmessungen mit aufwendigeren Verfahren initiiert, die es erlauben, detaillierte Informationen über die Expositionsart, -höhe und -dauer zu ermitteln. Diese umfassen zur Aufklärung von Zusammensetzung und Ursprung einer Exposition in der Regel auch morphologische und chemische Charakterisierungen gesammelter Partikel.
Die Zählgenauigkeit kommerziell verfügbarer direkt anzeigender Nanopartikelzähler wurde in Vergleichsstudien evaluiert. Sie beträgt, sofern der spezifizierte Messbereich eingehalten wird, typischerweise 30 % und besser [2].
Das gestufte Verfahren ist allerdings nur dann anzuwenden, wenn für das Nanomaterial noch keine Beurteilungsmaßstäbe festgelegt wurden oder für einen ersten orientierenden Überblick. Der Ausschuss für Gefahrstoffe hat in seiner Bekanntmachung zu Gefahrstoffen (BekGS) 527 „Hergestellte Nanomaterialien“ für die Gruppe der nanoskaligen granulären biobeständigen Stäube (GBS) einen Beurteilungsmaßstab von 0,5 mg/m³ veröffentlicht. Er dient der Bewertung des Expositionsniveaus an einem Arbeitsplatz und zielt auf einen Schutz der Beschäftigten ab, ist jedoch kein gesundheitsbasierter Wert und entfaltet keine Vermutungswirkung hinsichtlich der Wirksamkeit des Schutzes der Beschäftigten [3]. Damit sind Expositionen für nanoskalige granuläre biobeständige Stäube nicht über Partikelzahlen und den Gestuften Messansatz, sondern gravimetrisch zu ermitteln. Die für eine solche gravimetrische Messung erforderlichen Vorschriften zur Bestimmung der A-Staub-Expositionen (A-Staub: alveolengängiger Staub) für eine Beurteilung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen an Arbeitsplätzen existieren seit Langem in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 402 [4].
1.2 Ermittlung der Exposition gegenüber faserförmiger Nanomaterialien
Auch für Tätigkeiten mit nanoskaligen biobeständigen Fasern, die den Faserkriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) [5] entsprechen, ist in der BekGS 527 ein Beurteilungsmaßstab benannt. Er beläuft sich auf eine Einzelfaserkonzentration in der Luft von unter 10 000 Fasern/m³. Allerdings können dafür derzeit noch keine validierten Sammel- und Messmethoden benannt werden.
Der Gestufte Messansatz zur Expositionsabschätzung gegenüber Nanomaterialien umfasst keine Standardarbeitsanweisungen für die Ermittlung der Exposition gegenüber nanoskaligen Fasern und ist für die Ermittlung von Faseranzahlkonzentrationen, die insbesondere die Berücksichtigung der Fasermorphologie erfordert, auch in Bezug zum Beurteilungsmaßstab der BekGS 527 nicht geeignet.
Die Bestimmung von Innenraumkonzentrationen luftgetragener faserförmiger anorganischer Partikel mit Abmessungen in Anlehnung an die WHO-Faserdefinition erfolgt in Deutschland nach der Richtlinie VDI 3492 [6]. An Arbeitsplätzen hat sie gemäß der DGUV Information 213–546 „Verfahren zur getrennten Bestimmung der Konzentrationen von lungengängigen anorganischen Fasern in Arbeitsbereichen – Rasterelektronenmikroskopisches Verfahren“ [7] zu erfolgen. Beide Verfahren und auch weitere international zur Anwendung kommende Verfahren zur Bestimmung der Luftkonzentration von Fasern, z. B. NIOSH Method 7402 [8], zählen lediglich solche Fasern, deren mittlerer Durchmesser 0,2 μm übersteigt – eine formell auf die Phasenkontrastmikroskopie zurückgehende „Sichtbarkeitsgrenze“ von Fasern. Europäische Richtlinien fordern eine Vergleichbarkeit von Messergebnissen mit Bezug auf die Phasenkontrastmikroskopie als Standardverfahren. Darum sind sie nicht geeignet, Faserkonzentrationen luftgetragener Nanofasern zu bestimmen.
Auch direkt anzeigende Messverfahren zur Ermittlung der Partikelanzahlkonzentration von Nanomaterialien, wie die im Gestuften Messansatz empfohlenen Nanopartikelzähler, sind verfahrensbedingt nicht in der Lage, Aussagen zur Partikelmorphologie und damit zum Vorhandensein toxikologisch möglicherweise als kritisch zu bewertenden Fasermorphologien zu generieren. Zudem sind sie aufgrund ihrer Nachweisgrenze von etwa 10 Partikeln/cm³ für eine Überprüfung des für Nanofasern in der BekGS 527 vorgeschlagenen Bewertungsmaßstabes von 0,01 Fasern/cm³ um etwa drei Größenordnungen zu unempfindlich.
Allerdings werden aufgrund der für einige Nanofasern im Tiermodell gefundenen hohen toxikologischen Relevanz Expositionsmessungen von nanoskaligen faserförmigen Materialien, z. B. Kohlenstoffnanoröhren (Carbon Nanotubes, CNT) und anorganischen Nanofasern, als Datengrundlage für epidemiologische Studien zum beruflichen Umgang mit solchen Materialien dringend erwartet [9 bis 12].
Nach Initiierung erster Vergleichsmessungen zur Nachweisbarkeit und Quantifizierbarkeit von CNT mit direkt anzeigenden Geräten im Rahmen des Forschungsprojekts nanoIndEx sowie mit sammelnden Verfahren im Projekt nanoGRAVUR hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) deshalb gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) und der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) die Grundlagen für ein neues Mess- und Auswerteverfahren für nanoskalige faserförmige Materialien gelegt. Insbesondere wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, neben dem für WHO-Fasern bisher nach unten auf 0,2 µm begrenzten Zählbereich der Richtlinie VDI 3492 und DGUV Information 213-546 für nanoskalige Fasern ein erweitertes Verfahren mindestens bis hinab zu einem mittleren Faserdurchmesser von 0,02 µm zu entwickeln, um den Anzeichen einer hohen toxikologischen Relevanz starrer nanoskaliger biobeständiger Fasern gerecht zu werden.
2 Vorschlag für ein Verfahren zur Bestimmung der Konzentration nano- und mikroskaliger faserförmiger Materialien
Ein erster Schritt bei der Erarbeitung eines neuen Messverfahrens für nanoskalige Fasermaterialien bestand darin, Untersuchungen zu den Einflussparametern auf die zu ermittelnden Konzentrationen durchzuführen. Zu den für eine Konzentrationsbestimmung als relevant erachteten Parametern gehören
- die Sammelbedingungen und die gewählte Mess- strategie am Arbeitsplatz,
- die Abscheideeffizienzen von Fasern in Sammel- geräten unter Beachtung ihrer Nanoskaligkeit,
- die Wiederfindungswahrscheinlichkeit von nanos- kaligen Fasern in einem Feinstaubhintergrund,
- die Wiederfindungswahrscheinlichkeit von nanos- kaligen Fasern in Abhängigkeit von den elektronen- mikroskopischen Auswertebedingungen,
- die Wahl der Kategorisierungskonzepte für Faser- und Faseragglomeratmorphologien mit dem Ziel der Festlegung von Auswertekriterien.
Diese Parameter beeinflussen die Nachweisgrenze des neuen Messverfahrens in Abhängigkeit vom mittleren Faserdurchmesser. Bedeutend für die Verlässlichkeit der Methode sind aber auch mögliche systematische Fehler bei der Probenahme und beim Kategorisieren der zu zählenden Objekte sowie die Art des statistischen Ansatzes.
2.1 Sammeleffizienzen und Messstrategien vor Ort
2.1.1 Filtermaterialien und Sammeleffizienzen
Die gute Reproduzierbarkeit von Sammelexperimenten luftgetragener Fasern gemäß DGUV Information 213–546 [7] hat gezeigt, dass Polycarbonat-Kernporenfilter für solche Materialien prinzipiell gut geeignet sind. Für alveolengängige Fasern mit Durchmessern größer als 0,2 µm werden typischerweise Kernporenfilter mit Porengrößen von 0,8 µm verwendet.
Für erste Messungen nanoskaliger Fasern wurden Kernporenfilter mit 0,2 µm Porengrößen eingesetzt, um bei ausreichend kleinen Poren auch noch einen akzeptablen Filterwiderstand zu gewähren. Eine Analyse des Aerosols hinter einem solchen Filter mittels elektrostatischer Abscheidung hat gezeigt, dass diese Kernporenfilter für nanoskalige Fasern sehr hohe Sammeleffizienzen von mehr als 98 % erreichen. Deshalb sollten – solange die Abscheideeffizienzen für nanoskalige Fasern von Kernporenfiltern mit eventuell größeren Poren nicht bestimmt sind – spezifizierte Filter mit 0,2 µm Porendurchmesser verwendet werden. Für die rasterelektronenmikroskopische Analyse werden die Kernporenfilter vor oder nach der Probenahme zur Reduzierung elektrostatischer Aufladung typischerweise mit einigen 10 nm Gold bedampft.
Aufgrund der gemäß DGUV Information 213–546 [7] festgeschriebenen auszuwertenden Filterfläche von 0,5 mm² erscheint die Verwendung von Filtern mit 37 mm Durchmesser im PGP-Sammelsystem (PGP: personengetragenes Probenahmesystem), die mit 707 mm² ein 1 400-Faches dieser Fläche bereitstellen, nicht als zwingend. Da für Fasern nicht gravimetrisch vorgegangen wird, sollte auf kleinere Filterdurchmesser von z. B. 25 mm oder 13 mm übergegangen werden, die mit etwa 350 mm² bzw. 79 mm² ausreichend viel analysierbare Fläche aufweisen. Damit kann bei gleichem Auswertevolumen und gleichem Auswerteaufwand eine bessere Nachweisgrenze erreicht werden.
Für eine softwareunterstützte Auswertung von REM-Aufnahmen (REM: Rasterelektronenmikroskopie) von Kernporenfiltern (siehe Abschn. 2.3) besteht weiterer Anpassungsbedarf des Filtermaterials bezüglich seiner Porosität und Porenverteilung sowie der Vor- und Nachbehandlung, da Kanteneffekte an den Rändern von Einzelporen und Porengruppen die Fehlerrate bei der Erkennung von Nanofasern erhöhen können.
2.1.2 Andere Sammelverfahren
Die für eine Sammlung von Nanomaterialien eingesetzten elektrostatischen Präzipitatoren sind für eine auf morphologische Eigenschaften basierende Quantifizierung von Einzelfasern aus mehreren Gründen derzeit wenig geeignet. Zum einen ist das Aufladungsverhalten nanoskaliger Einzelfasern und ihrer Agglomerate nicht ausreichend gut untersucht, um elektrostatische Abscheidewahrscheinlichkeiten von Nanofasern verlässlich abschätzen zu können. Zudem hat sich gezeigt, dass aufgrund der Ausrichtung von geladenen Fasern im elektrischen Feld diese auf einem elektrisch leitfähigen Substrat stehend abgeschieden werden, wie die Seitenansicht in Bild 1 zeigt.
2.1.3 Staubbelastungen in Arbeitsbereichen
Messungen in der Praxis werden zeigen, in welcher Weise die Probenahmeparameter an die vor Ort gegebenen Bedingungen anzupassen sind, insbesondere hinsichtlich der vorherrschenden Staubbelastungen und der damit verbundenen Vermeidung einer Filterüberbelegung. Ziel ist es, möglichst bei Kenntnis der Staubbelastung im Arbeitsbereich die Sammelbedingungen so auszuwählen, dass eine an die Messaufgabe angepasste Probenahmezeit über ein großes, auf die Filterfläche bezogenes spezifisches Luftvolumen eine niedrige Nachweisgrenze sichert. So können Freimessungen und die Bestimmung von Schichtmittelwerten oder Expositionsspitzen während eines Arbeitsschrittes der zulässigen Sammeldauer unterschiedliche zeitliche Grenzen setzen.
Da, wie im Folgenden dargestellt wird, für Nanofasern nicht in jedem Fall die typischerweise für WHO-Fasern auszuwertende Filterfläche von 0,5 mm² tatsächlich ausgewertet werden kann, muss das spezifische Luftvolumen unter Berücksichtigung der am Arbeitsplatz vorherrschenden Staubkonzentrationen und des resultierenden Auswerteaufwands so gewählt werden, dass die analytische Nachweisgrenze 10 000 WHO-Fasern/m³ mit einem noch vertretbaren Auswerteaufwand erreicht werden kann.
2.2 Rasterelektronenmikroskopische Analyse mit hochauflösenden Geräten
Die rasterelektronenmikroskopische Analyse der aus Arbeitsplatz- oder Labormessungen erhaltenen Sammelpräparate zur Bestimmung nano- und mikroskaliger faserförmiger Materialien bildet das Kernstück des hier vorgeschlagenen neuen Messverfahrens und stellt für nanoskalige Objekte, neben der Fasererkennung, eine der beiden großen Herausforderungen dar. Für die Konzentrationsermittlung von Fasern ist es unabdingbar, dass die Arbeitsbedingungen am Elektronenmikroskop eine Erkennung nanoskaliger Fasern sicher gewährleisten [13].
Im Folgenden wird die Möglichkeit der REM-Analyse mit einem hochauflösenden Gerät beschrieben, im Abschn. 2.3 die sich daran anschließende Auswertung der rasterelektronenmikroskopisch erzeugten digitalisierten Bilder. In einem folgenden Beitrag, der auf den aktuellen aufbaut, wird Bezug genommen zu der traditionellen Analytik und den sich daraus ergebenden grundlegenden Anforderungen an die REM-Analytik zur Analyse von nanoskaligen Fasermaterialien.
Traditionell wird in der Mikroskopie mit dem Begriff der Vergrößerungsstufe M gearbeitet. Die Vergrößerungsangabe bezieht sich auf die Größe eines Polaroidfotos von 127 mm Breite (127 000 000 nm), auf die Mikroskopiebilder früher ausbelichtet wurden. Sobald jedoch, wie heute vielfach üblich, Mikroskopieaufnahmen mit unterschiedlichen Bildpunktzahlen aufgenommen werden und an unterschiedlichen Sichtgeräten mit unterschiedlichen Zoomgrößen betrachtet werden, ist es schwierig, aus der Angabe einer Vergrößerungsstufe M die aufzulösenden Strukturgrößen vorherzusagen. Darum plädieren wir dafür, für Fragen der mikroskopischen Erkennbarkeit von Strukturen mit dem Begriff der Punktauflösung s oder Pixelgröße, genauer Bildpunktkantenlänge, zu arbeiten, als Grundlage für die im Nachgang auszuwertenden digitalisierten REM-Bilder. Für ein Mikroskopiebild mit Nx · Ny-Bildpunkten berechnet sich die Pixelgröße s in Nanometern als
Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Fasern, deren Durchmesser der Punktauflösung des REM-Bildes entspricht und die ein großes Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis aufweisen, bei visueller Auswertung sicher zu erkennen sind. Mit höherer Punktauflösung nimmt die Verlässlichkeit der Fasererkennung zu. Für das Vermessen von Faserdurchmessern und eine verlässliche softwareunterstützte Fasererkennung sind hingegen höhere Punktauflösungen erforderlich, sodass sich der Faserdurchmesser mehr als zwei, vorzugsweise mindestens vier Bildpunkte erstreckt.
Bei der Wahl der Punktauflösung gilt es, zwischen der Verlässlichkeit der Erkennung von Nanofasern und dem für die geforderte Nachweisgrenze zu leistenden Aufwand für die elektronenmikroskopische Bildnahme abzuwägen. Das Problem eines in vielen Fällen praktisch nicht zu bewältigenden Auswerteaufwands ist in der Tabelle verdeutlicht, wobei hier die in der DGUV Information 213–546 vorgeschriebene Auswertefläche von 0,5 mm² als Grundlage für die Berechnung der notwendigen elektronenmikroskopischen Bilder gewählt wurde.
So müsste gemäß der Tabelle z. B. bei einer REM-Bildgröße von 1,2 MPixel und einer Pixelgröße von 10 nm die enorme Zahl von 4 133 Bildern für die Auswertung von 0,5 mm² Bildfläche aufgenommen und analysiert werden. Dies entspräche für die Analyse einem nicht vertretbaren Zeitaufwand von mindestens einer Woche allein am REM. Mit den am REM der BAuA möglichen 20 MPixel großen Bildern reduzierte sich diese Zahl auf immerhin noch 258 Bilder.
Die hier vorgeschlagene Möglichkeit zur Minimierung der Zahl der aufzunehmenden REM-Bilder besteht darin, von der in der DGUV Information festgeschriebenen Forderungen nach einer ausgewerteten Filterfläche von entweder 0,5 mm² oder 0,25 mm², sofern 50 Fasern gezählt wurden, abzuweichen. Aufgrund der für die Grenzwertüberprüfung von Nanofasern notwendigen großen Zahl von Bildfeldern erscheint es vielmehr notwendig, einen Ansatz zu wählen, mit dem im Regelfall keine Nanofasern gefunden und gezählt werden. Bei diesem Ansatz erfordert die für den Nicht-Nachweis einer Faser geforderte statistische Konfidenz von 95 % (3 s) gemäß Poisson-Statistik ein dreifach1) überbestimmtes Luftvolumen. Dieses setzt die Randbedingungen für Probenahme und Auswertung. Für den Beurteilungsmaßstab von 10 000 luftgetragenen WHO-Fasern/m³ bedeutet dies konkret, dass mindestens eine Filterfläche auszuwerten ist, die drei oder mehr solcher Fasern enthalten könnte. Dies erfordert, ein Probenahmevolumen von 0,333 l so abzuscheiden, dass die darin enthaltenen WHO-Fasern quasi vollständig auf der Filteroberfläche zurückgehalten werden.
Für das hier vorgeschlagene neue Messverfahren sollte nicht eine abzurasternde Filterfläche festgelegt werden, sondern ein auszuwertendes Raumluftvolumen von mindestens 0,333 l. Dieses Volumen muss unter Abwägung der für die Erkennung der Fasern notwendigen Mindestpixelgröße des REM und der am Arbeitsplatz vorherrschenden oder erwarteten Hintergrundstaubkonzentration auf eine mehr oder weniger große Filterfläche gesammelt werden. In diesem Zusammenhang wird der Begriff des spezifischen Luftvolumens, also Luftvolumen pro Filterfläche verwendet: das Produkt der Probenahmeparameter Sammeldauer und Volumenstrom pro Filterfläche.
Für nanoskalige Fasern sollten für zeiteffiziente REM-Analysen hohe spezifische Luftvolumina angestrebt werden. Bei erhöhten Hintergrundstaubkonzentrationen am Arbeitsplatz könnten hingegen geringere spezifische Luftvolumina notwendig werden, um eine Überbelegung des Filters zu vermeiden. Dabei unterliegt die Sammeldauer in der Praxis Randbedingungen wie der Zeitauflösung, die für die Erfassung einzelner Arbeitsprozesse notwendig ist, sowie der maximal zur Verfügung stehenden Messzeit, beispielsweise der Dauer einer Schicht. Auch der spezifische Volumenstrom ist nur in einem durch die minimal und maximal zulässige Filteranströmgeschwindigkeit gesetzten Rahmen wählbar und könnte durch den Strömungswiderstand des verwendeten Filtertyps und die zur Verfügung stehende Pumpleistung nach oben begrenzt sein.
Die Bildaufnahmepositionen im REM werden an der BAuA mit der Tischnavigations-Software TiNa, die in Zusammenarbeit mit der Fa. m2c an der BAuA entwickelt wurde, automatisch angefahren. Dazu werden die Messpositionen auf dem zu analysierenden Filterbereich von der Software statistisch zufällig, regelmäßig oder mäanderförmig etc. ausgewählt. Dadurch können nutzerbedingte Einflüsse auf die statistische Repräsentativität des analysierten Filterbereichs reduziert werden.
Mit einem hochauflösenden REM und einer vollautomatischen Bildaufnahme erscheint es möglich, mit vertretbarem Aufwand REM-Bildzahlen zu generieren, die eine Überprüfung der Einhaltung des Bewertungsmaßstabes von 10 000 F/m³ mit einer Punktauflösung von 10 nm ermöglichen. Die dabei resultierenden großen Bildfeldzahlen erfordern perspektivisch eine computerunterstützte Bildauswertung. Um mit dieser eine verlässliche Fasererkennung zu erreichen, erscheinen mindestens zwei Bildpunkte pro Faserdurchmesser als notwendig. Aus diesem Grund schlagen wir für den aktuellen Stand der REM- und Auswertetechnik eine untere Sichtbarkeitsgrenze für Nanofasern von 20 nm vor. Diese untere Sichtbarkeitsgrenze von 20 nm ist der zentrale Parameter der hier vorgeschlagenen neuen Messkonvention. Sie sollte auf einer Zeitskala von zehn Jahren überprüft und ggf. an den Stand der Technik angepasst werden. Speziell aus toxikologischer Sicht ist zu klären, ob Nanotubes mit einem Durchmesser von < 20 nm noch als rigide Fasern auftreten. Ein weiteres wesentliches Argument für die Wahl dieser unteren Durchmessergrenze ist die Tatsache, dass Strukturen des Analysenfilters, speziell auch der Goldbeschichtung, eine eindeutige Unterscheidung von solchen elektronenmikroskopisch erscheinenden Lineationen und Nanofasern nicht mehr erlauben.
2.3 Auswertung der REM-Bilder am Computer und Identifizierung von Fasern
Die Erfassung großer REM-Bilder von 20 MPixel erlaubt es, den Zeitbedarf für die REM-Analyse zu reduzieren, da pro Bild nur einmal fokussiert werden muss. Allerdings existieren derzeit keine Sichtgeräte, die es erlauben, Bilder von 20 MPixel Größe pixelgetreu darzustellen. Hierbei ist zu beachten, dass die Sichtbarkeit von faserförmigen Anordnungen von Einzelpixeln ausschlaggebend für das Erkennen von Fasern ist. Darum erfolgt die visuelle Auswertung derart großer REM-Bilder, wie sie mit den hochauflösenden Geräten erzeugt werden, nach ihrer Speicherung offline. Hierzu werden große Bilder, wie in Bild 2 gezeigt, in mehrere kleinere Bilder unterteilt, sodass diese eine Pixelzahl aufweisen, die zur Betrachtung pixelgetreu auf einem Monitor dargestellt werden kann.
Allerdings kann bei dieser Offline-Herangehensweise keine sofortige, eventuell notwendige stoffliche Analyse mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) zur Identifizierung von Fasern erfolgen. Zur Identifizierung auf der Basis einer detaillierten morphologischen Charakterisierung und qualitativen Untersuchung der Hauptkomponenten des faserförmigen Partikels ist ein nochmaliges Anfahren dieser Position auf der Filterprobe im REM notwendig. Hierfür ist die oben beschriebene Software TiNa oder eine vergleichbare Software erforderlich. Die Software bewegt nicht nur den Probentisch und speichert die angefahrenen Positionen, sondern erlaubt auch, frühere Messpositionen für weitergehende Analysen erneut anzufahren. Dazu wird vor Aufnahme der Bildserie die Orientierung der Filterproben anhand aufgebrachter Markierungen oder der Ecken eines Filterausschnitts kalibriert. Alle Bildnummern und Aufnahmepositionen werden zudem in einer Begleitdatei dokumentiert. Der Probentisch des REM der BAuA erreicht dabei eine Wiederpositionierungsgenauigkeit im Bereich von 1 µm. Dadurch wird mit der neuen Software das Wiederfinden einzelner nanoskaliger Objekte auf großen Probenflächen im REM, das bisher mit großem Zeitaufwand für die Suche verbunden war, einfacher und komfortabel für aktuelle und zukünftige Analyseprobleme möglich.
Eine zweifelsfreie Identifizierung des Ursprungs kohlenstoffbasierter Fasern ist allerdings mittels EDX nicht möglich, sodass für CNT neue Ansätze gesucht werden. Die Ramanspektroskopie wäre ein Alternativverfahren und stellt eine wichtige Ergänzung zur EDX-Methode am REM dar. Sie ist u.a. essenziell für die Unterscheidung verschiedener Arten von kohlenstoffbasierten Nanofasern.
3 Ausblick
In einem nachfolgenden Beitrag werden die grundlegenden Anforderungen an die REM-Analytik von nanoskaligen im Vergleich zu mikroskaligen Fasern dargestellt. Weiterhin wird er sich mit den Anforderungen durch verschiedene Objektmorphologien beschäftigen, denn neben einzelnen Fasern werden häufig auch Agglomerate und lockere Zusammenlagerungen weniger Fasern erkannt. Wie solche Faserkategorien nach einer ersten Konvention zu zählen und zu werten sind, wird ebenfalls beschrieben. Die Auswertung eines ersten Laborvergleichs, deren Ergebnisse im folgenden Artikel vorgestellt und diskutiert werden, zeigt die Probleme, die bei Expositionsmessungen gegenüber mikro- und nanoskaligen Fasern berücksichtigt werden müssen.
1) Nach Poisson-Statisitk ist für 95 % Konfidenz eine 2,996-fache Überbestimmung notwendig. Wir verwenden hier den gerundeten Wert 3.
Danksagung
Die vorgestellten Arbeiten wurden im Rahmen des BMBF-Projekts NanoGRAVUR (Förderkennzeichen 03XP0002E) gefördert.
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Dipl.-Ing. Sabine Plitzko, Dr. rer. nat. Asmus Meyer-Plath, Dipl.-Ing. (FH) Nico Dziurowitz, Barbara Simonow, M.sc. - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin.
Dr. sc. nat. Patrick Steinle - Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Luzern, Schweiz.
Dr. rer. nat. Markus Mattenklott, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin.