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Gefährliche Ablagerungen 05.10.2021, 09:00 Uhr

Hochwasser bringt Schadstoffe aus Sedimenten mit

Reißendes Hochwasser kann jahrzehntealte Schadstoffe aus den Sedimenten aufwirbeln, die dann langfristig Ackerpflanzen, Weidetiere und Menschen belasten.

Bei Hochwasser können Flüsse giftige Sedimente anschwemmen. Foto: PantherMedia /
ekina1

Bei Hochwasser können Flüsse giftige Sedimente anschwemmen.

Foto: PantherMedia / ekina1

Extreme Hochwasserereignisse, wie zuletzt im Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, bergen eine langfristige Gefahr, die häufig unterschätzt wird: Die reißenden Flüsse wirbeln Schadstoffe aus ihren Sedimenten auf, die aus Jahrzehnte oder Jahrhunderte alten Umweltverschmutzungen stammen. Die Schadstoffe können sich in den Überschwemmungsgebieten ablagern und dort Ackerpflanzen, Weidetiere und Menschen belasten. Darauf hat ein internationales Wissenschaftsteam in einer Übersicht zu Hochwasser-Untersuchungen in der ganzen Welt hingewiesen.

 Fluss-Sedimente binden Schadstoffe

Sedimente gelten als Langzeitgedächtnis eines Flusses. Sie bestehen hauptsächlich aus Partikeln, die vom Erdboden abgetragen werden und irgendwann im Flussdelta oder Meer landen. Hier können sie für verhältnismäßig lange Zeit stabil bleiben – und Schadstoffe binden, die zum Beispiel durch Bergbau- oder Industrieabwässer in die Flüsse gelangt sind. Entsprechend befinden sich in vielen Altsedimenten der Flüsse Schadstoffe, z. B. Schwermetalle oder schwer abbaubare Dioxine und dioxinähnliche Verbindungen. Flutkatastrophen wühlen durch ihre hohen Fließgeschwindigkeiten auch die Sedimente auf: Die in ihnen gebundenen Schadstoffe werden auf einen Schlag freigesetzt und kontaminieren das Überflutungsgebiet.

Landwirtschaftlich genutzte Überflutungsgebiete auf Schadstoffe untersuchen

Ein Team von Forschenden der Goethe-Universität Frankfurt, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und der kanadischen University of Saskatchewan hat nun die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen in einer Übersicht zusammengestellt. Sie zeigen beispielsweise, welche Schadstoffbelastungen infolge verschiedener Überflutungsereignisse gemessen wurden und wie sich unterschiedliche Sedimente bei hohen Fließgeschwindigkeiten verhalten. Die Gefahren für die Trinkwassergewinnung werden ebenso geschildert wie der Einfluss der Temperatur auf die Schadstoffaufnahme durch Fische und Methoden zur Bewertung der mit der Remobilisierung von Schadstoffen verbundenen ökonomischen Kosten. Das Problem der Altsediment-Schadstoffe wird nach Ansicht der Forschenden in Deutschland und Europa stark unterschätzt. Dies mag auch daran liegen, dass es bislang praktisch keine Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Folgen des Problems gibt. Notwendig wäre flächendeckend ein gutes Management der Flüsse, das nicht nur unmittelbare Gefahren für Menschen, Tiere und Bauwerke in den Blick nimmt, sondern auch die langfristigen Folgen durch die Altlasten in den Flussbetten. So müsste man z. B. unbedingt die landwirtschaftlich genutzten Überflutungsgebiete auf flussspezifische Schadstoffe untersuchen, damit diese nicht in Form von Fleisch und Milchprodukten zum Menschen gelangen.

Von Insa Brockmann, IFA, St. Augustin