Mehr umweltgefährdende Insektizide und Herbizide
Der Einsatz von Pestiziden steigt in der Landwirtschaft wieder an: besonders einige für Bienen und Grundwasser gefährlichen Insektizide und Herbizide.
Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft bleibt weiter hoch, so die Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Nach kurzfristig rückläufigen Verkaufszahlen in den Jahren 2018/2019 aufgrund außergewöhnlicher Trockenheit fragten Landwirtschaftsbetriebe in 2020 wieder deutlich häufiger problematische Wirkstoffe nach, z. B. grundwasserkritische Herbizide und bienengefährliche Insektizide.
Unkrautbekämpfungsmittel so häufig wie nie
Nach dem allgemeinen Absatzrückgang bei Pflanzenschutzmitteln in 2018/2019 war im Jahr 2020 lediglich der Absatz von Fungiziden weiterhin rückläufig. Die Verkaufsmenge von Herbiziden stieg um 2 % wieder leicht an. Auch die Herbizide Terbuthylazin (+ 12 %) und S-Metolachlor (+ 5 %) wurden 2020 häufiger verkauft als in den Jahren zuvor. Beide Wirkstoffe und ihre Abbauprodukte werden seit vielen Jahren deutschlandweit im Grund- und Trinkwasser nachgewiesen. Trotz freiwilliger Bemühungen der Industrie und Landwirtschaft kehrt sich dieser Trend bisher nicht um. Auch weitere kritische Stoffe für Grund- und Trinkwasser wurden in 2020 vermehrt eingesetzt: Das Unkrautbekämpfungsmittel Flufenacet wird so häufig eingekauft wie nie zuvor. Sein Absatz hat sich seit 2014 verdoppelt und ist allein in 2020 um 32 % gestiegen. Flufenacet bildet das persistente Abbauprodukt Trifluoracetat, das kaum aus dem Wasser entfernt werden kann und weiträumig auch im Trinkwasser gefunden wird. Wegen seiner ungünstigen Eigenschaften für die Umwelt ist es bereits seit 2004 in der EU als Substitutionskandidat ausgewiesen und soll demnach durch weniger belastende Stoffe ersetzt werden. Eine Reduzierung des Einsatzes gelingt in Deutschland bislang jedoch nicht.
Starker Anstieg der Insektizide
Bei den Insektiziden ist in 2020 ein sehr starker Anstieg um 18 % zu verzeichnen. Die für Bienen giftigen Neonicotinoide (Imidacloprid, Thiamethoxam, Clothianidin und Thiacloprid) wurden bereits verboten. Daher stiegen nun die Verkäufe von Insektiziden, die Neonicotinoide ersetzen sollen, jedoch ebenfalls starke Nebenwirkungen auf die Umwelt haben: je nach Wirkstoffgruppe um 13 bis 80 %.
Pestizide nachhaltig reduzieren
Um in Deutschland den europäischen „Green Deal“ umzusetzen und Pestizide um 50 % zu reduzieren, schlägt das Umweltbundesamt (UBA) vor, dieses Ziel in den Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz für die nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) aufzunehmen und mit konkreten Maßnahmen zu hinterlegen. Besonders umweltschädliche Wirkstoffe sollten zudem über nationale Verordnungen verboten werden, wie es bereits in Frankreich geschieht. Damit solche Verbote rechtssicher sind, müsste allerdings eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen werden. Pestizidarme Anbaumethoden, Ökolandbau und die ambitionierte Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes sollten stärker gefördert werden. Weiter rät das UBA dazu, auf Agrarflächen sogenannte Refugialflächen zu schaffen, die nicht mit Pestiziden behandelt sind und die negativen Effekte des verbleibenden Pestizideinsatzes auf Flora und Fauna kompensieren. Zudem könnte eine zweckgebundene Pflanzenschutzmittelabgabe nach dem Vorbild Dänemarks eingeführt werden, um Anreize für eine pestizidärmere Landwirtschaft zu schaffen.
Die Absatzmengen von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in Deutschland werden jährlich vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erhoben und online veröffentlicht. Die Daten werden allerdings nicht aufgeschlüsselt nach Bundesländern sowie einzelnen Produkten erhoben.