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Serie 04.05.2021, 15:52 Uhr

Stadtentwicklung im Klimawandel – Planung der städtischen Belüftung

Städte modifizieren das übergeordnete Klima durch Oberflächenversiegelung, hohe Bebauungsdichte und Freisetzung von Abwärme und luftfremden Stoffen. Niedrige Windgeschwindigkeit reduziert zudem den Abtransport von Wärme und Luftverunreinigungen. Der vierte Teil unserer Serie Städte im Klimawandel (Richtlinie VDI 3787 Blatt 8) beschreibt den planerischen Umgang mit der städtischen Belüftung als dynamische Komponente.

Dreidimensionale Detailauswertung der Um-, Über- und Durchströmung der innengelegenen Höfe und Verbindungswege. Bild: Fa. INKEK GmbH & Fa. Lenné3D GmbH

Dreidimensionale Detailauswertung der Um-, Über- und Durchströmung der innengelegenen Höfe und Verbindungswege. Bild: Fa. INKEK GmbH & Fa. Lenné3D GmbH

Das Phänomen der städtischen Wärmeinsel ist durch eine im Vergleich zum Umland erhöhte mittlere Lufttemperatur mit geringeren Windgeschwindigkeiten charakterisiert. Die Reduktion der Windgeschwindigkeit, bzw. die Abnahme der Belüftungsintensität in der Stadtbebauung hat zur Folge, dass Luftschadstoffe oder Wärme/Hitze langsamer abtransportiert werden.

Belüftung als dynamische Komponente

Deshalb wird der Belüftung als dynamische Komponente des Stadtklimas in der Richtlinie VDI 3787 Blatt 8 „Umweltmeteorologie; Stadtentwicklung im Klimawandel“ neben der Begrünung oder dem Wassermanagement als Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel, eine besondere Bedeutung zugewiesen.

Ziel sollte es sein, das bestehende Belüftungssystem einer Stadt oder eines Ballungsraums zu analysieren und lokal angepasste Erkenntnisse in die Planung zu überführen. So kann sichergestellt werden, dass sowohl für potenzielle Neubauflächen als auch für die angrenzenden Bereiche keine Nachteile entstehen.

Wirksamkeit von Kaltluftströmen

Besonderes Augenmerk fällt dabei auf die Versorgung städtischer Räume mit bodennaher Kaltluft, deren Wirksamkeit aufgrund der physikalischen Voraussetzungen als äußerst sensibel eingestuft wird. Schon kleinere Hindernisse können zu einer Verzögerung des Kaltluftabflusses oder gar zur Behinderung führen. Um dieses natürliche Phänomen der kühleren Luftmassen während der Nachtstunden effizient zu nutzen, muss es, – neben der Analyse der Entstehung und der Strömungsrichtung – in die planerische Auseinandersetzung einbezogen werden. Der Grund, warum ein möglichst ungestörter und weit in die Bebauung vordringender Kaltluftabfluss schon heute wichtig ist und im Rahmen der projizierten Klimaveränderung in Zukunft an Bedeutung weiter zunehmen wird, ist die nächtliche Abkühlung für die Erholung und Regeneration der Bewohner/-innen während der Nachtstunden (insbesondere in sogenannten Tropennächten).

Gesamtstädtische Klimaanalyse

Der Umgang mit der Thematik „nächtlicher Kaltlufteintrag“ soll am Beispiel der Entwicklungsfläche „Messplatz“ in der Wissenschaftsstadt Darmstadt, nördlich der Innenstadt, am Bürgerpark gelegen, vorgestellt werden. Bekannt aus der gesamtstädtischen Erhebung der Klimatope und stadtklimatischen Wechselwirkungen, die im Rahmen der gesamtstädtischen Klimaanalyse erhoben wurden, ist die nächtliche Kaltluftproduktion und der darauffolgende Kaltluftabfluss der höher gelegenen östlichen Freiflächen prägend. Dabei verläuft eine Kaltluftabflussbahn über den erwähnten Bürgerpark und Messplatz hinweg (Bild 1).

Bild 1 Eine Kaltluftabflussbahn verläuft über den Bürgerpark und Messplatz hinweg. Bild: Fa. INKEK GmbH & Fa. Lenné3D GmbH

Nachdem die Freifläche des Platzes überströmt ist, wird die Kaltluft rasch durch eine bestehende Gewerbebebauung aufgehalten. Im weiteren Verlauf sind Nutzungen zu finden, die als tolerant hinsichtlich der Belüftungsintensität einzustufen sind. Folglich ist eine Entwicklung des Areals aus Sicht der Kaltluftversorgung der Stadt zuzustimmen, wenn die bekannte Anströmung aufgenommen wird und möglichst effizient durch das Plangebiet geleitet wird.

Gebäudeplanung zur Nutzung von Kaltluftströmen

Für die Planung ergab sich somit die Aufgabe, die Wirkung des beschriebenen Kaltluftabflusses während sommerlicher Wetterlagen, bewusst zu nutzen, um den bestmöglichen Effekt zu erzielen. Neben der angepassten Gebäudestruktur mit ungleichmäßigen Gebäudekanten, kombiniert mit Höhenversprüngen und einer Durchquerbarkeit des Quartiers wurden die Baublöcke mit Durchlässen an den entscheidenden Stellen versehen. Durch Simulationen mit der Software ENVImet (envimet.com) konnten die optimalen Größenverhältnisse und Positionen der Öffnungen bestimmt werden, so dass die Luft nicht nur entlang der Straßen und Quartiersplätze, sondern auch durch die Baublöcke strömen kann (Bild 2).

Bild 2 Überblick über das Gesamtgebiet, in dem die Luft durch die Baublöcke strömen kann. Bild: Fa. INKEK GmbH & Fa. Lenné3D GmbH

Die dreidimensionalen Detailauswertungen (Bild oben und Bild 3) zeigen die Um-, Über- und vor allem Durchströmung auch der innengelegenen Höfe und kleinen Verbindungswege, die bei einer herkömmlichen Blockrandstruktur nur schlecht belüftet werden können. Die abgestimmte Planung, ausgelegt auf die besondere lokalklimatische Ausgangslage, konnte somit zu einer guten Lösung hinsichtlich der Belüftung des Quartiers und der direkt angrenzenden Nachbarschaft führen.

Bild 3 Dreidimensionale Detailauswertung der Um-, Über- und Durchströmung der innengelegenen Höfe und Verbindungswege. Bild: Fa. INKEK GmbH & Fa. Lenné3D GmbH

DANKSAGUNG

Wir danken der bauverein AG für die Erlaubnis das Projekt vorstellen zu dürfen und dem Büro planquadrat für die Nutzung der Planunterlagen.

Dipl.-Ing. Sebastian Kupski INKEK GmbH, Lohfelden.
Dipl.-Ing. Jochen MülderLenné3D GmbH, Bielefeld.