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Dahlberg-Quartier / Wismar: BHKW sorgt für Strom und Wärme 14.11.2024, 11:15 Uhr

Contracting im Nahwärmenetz

Nahwärmenetzen wird bei kommunalen Wärmeplanungen ein großes Zukunftspotenzial zugesprochen. Als beispielhaft kann eine Anlage auf einem Neubauareal in Wismar gelten, wo zwei im Contracting bewirtschaftete BHKW eine große Altenwohnanlage und sechs umliegende Stadtvillen mit Wärme und obendrein mit Eigenstrom versorgen.

In der Alloheim Altenwohn­anlage befindet sich die Heizzentrale des Quartiers. Foto: RMB / Energie GmbH

In der Alloheim Altenwohn­anlage befindet sich die Heizzentrale des Quartiers.

Foto: RMB / Energie GmbH

Das „Quartier Wohnen am Dahlberg“ liegt unweit des Stadtzentrums im Südosten der Unesco Weltkulturerbe-Stadt Wismar. Auf einem Parkgrundstück an der Dr.-Unruh-Straße wurde in ruhiger Lage eine Wohnanlage mit sechs Stadtvillen für generationsübergreifendes und altersgerechtes Wohnen errichtet, umgeben von einer großen Altenwohnanlage – dem Alloheim. Diese deckt mit Langzeit- und Kurzzeit- sowie Verhinderungs- und Demenzpflege in 132 Einzelzimmern verschiedene Anforderungen einer seniorengerechten Vollversorgung für Menschen mit höherem Pflegebedarf ab. Jede der dreietagigen Stadtvillen besteht aus 15 Wohneinheiten mit unterschiedlichen Wohnungsgrößen. Die insgesamt 90 barrierefreien Eigentumswohnungen verfügen über große Balkone oder Dachterrassen sowie über Fenster mit Dreifachverglasung und elektrischen Rollläden, die Kälte sowie die Hintergrundgeräusche der Stadt außen vor halten und gleichzeitig im Inneren für Wärme und Behaglichkeit sorgen.

Zentrale Wärme- und Stromversorgung

Eine der sechs Stadtvillen. Jede verfügt über 15 Eigentumswohnungen.

Foto: RMB / Energie GmbH

Die ganzheitliche Neubauplanung des Quartiers bot die Chance, ein einheitliches Energiekonzept mit zentraler Wärmeerzeugung und -verteilung über ein Nahwärmenetz auszuarbeiten. Die Planung erfolgte durch die Stadtwerke Wismar in Kooperation mit den vor Ort ansässigen Ingenieurbüros Edgar Pech und dem Ingenieurbüro TGE – Technische Gebäudeausrüstung und Energietechnik. Dabei kristallisierte sich unter Investitionskostengesichtspunkten eine über Contracting bewirtschaftete Heizzentrale als vorteilhafteste Lösung heraus. So konnte die Finanzierung der Haustechnik auf die Stadtwerke Wismar als Contractinggeber und weitere Partner ausgelagert werden. Dadurch frei gewordene Mittel investierte der Bauträger für eine noch höherwertige Ausstattung der schlüsselfertig errichteten Stadtvillen. Die gesamte Heiztechnik wurde im Keller der Seniorenresidenz untergebracht.

Hoher Eigennutzungsgrad durch kaskadierte BHKW

Auch wenn alle auf dem Areal errichteten Neubauten aktuelle energetische Standards erfüllen, ist bei dieser Anzahl an Wohneinheiten und Nutzenden ein nicht zu unterschätzender Wärmebedarf gegeben. Zur Zeit der Anlagenplanung gab es das Gebäudeenergiegesetz noch nicht. Trotzdem waren die Stadtwerke Wismar als Betreiber natürlich an einem zukunftsweisenden Energiekonzept interessiert, das über viele Jahre Bestand haben kann. Hier bot es sich an, mittels Kraft-Wärme-Kopplung nicht nur Heizwärme, sondern auch Strom zu erzeugen. Ziel war es, auch im Bereich Elektrizität einen hohen Eigennutzungsgrad zu erreichen.

Die Blockheizkraftwerke decken die Grundlast bei Wärme und Strom (Im Hintergrund die Warmwasserspeicher).

Foto: RMB / Energie GmbH

Tragende Säule des Energiekonzepts sollten zwei kaskadierte Blockheizkraftwerke sein, die mit jeweils 30 kW elektrischer und 63,1 kW thermischer Leistung die Grundlast aller Gebäude abdecken. Die ausgewählten, kompakten Geräte sind dank einer ausgefeilten Schallentkoppelung auch im unmittelbaren Wohnumfeld einsetzbar. Die BHKW sind mit Gasmotoren des japanischen Konzerns Yanmar ausgestattet, die durch besonders lange Wartungsintervalle dauerhaft niedrige Betriebskosten gewährleisten.

Durch die Möglichkeit, die Geräte auch mit Biomethan oder Bio-LPG sowie mit H2-Beimischungen bis zu 40 Prozent nutzen zu können, erfüllen sie die künftige Anforderung im Gebäudeenergiegesetz zur Nutzung von 65 Prozent erneuerbarer Energie. Für die Spitzenlast an Heizwärme wurden zusätzlich zwei Gas-Brennwertkessel mit je 300 kW Leistung installiert. Auch diese sind als Kaskade verbunden. Die Verteilung der Wärmeversorgung auf damit insgesamt vier einzelne Wärmeerzeuger bietet den Vorzug besonderer Flexibilität. Unter Berücksichtigung der Modulationsspanne kann durch Hinzuschalten oder Abschalten einzelner Wärmeerzeuger ein quasi stufenloser Wärmebedarf zwischen 40,9 kW (mit einem BHKW) und maximal 726,2 kW bedient werden. Letzterer Wert gilt für den Volllastbetrieb aller vier Wärmeerzeuger.

Einbringung der Wärme- und Speichertechnik

Für die Installation der Anlage war die Stover Wärme- und Sanitärtechnik GmbH mit Sitz in Stove verantwortlich. Eine aus Platzgründen „sportliche Herausforderung“ war die Einbringung und der Anschluss der beiden Pufferspeicher mit je 1 250 Liter Fassungsvermögen sowie des Wärmeverteilzentrums mit 2 061 Liter Volumen. Dieser zugleich als hydraulische Weiche fungierende Speicher bietet beliebig viele Temperaturstufen und Gleitschichträume für Heizung oder Kühlung – eine weltweit patentierte Lösung für das Sammeln, Verteilen und Puffern von unterschiedlichen Volumen mit unterschiedlichen Temperaturen. Damit wird die hydraulische Funktionssicherheit erfüllt und die Laufzeit von unterschiedlichen Wärmeerzeugern optimiert. Der Leistungsbereich reicht von 10 kW bis beliebig.

Die Einbringung des Multi-PG Wärmeverteil­zentrums war eine Herausforderung.

Foto: RMB / Energie GmbH

Fazit

Durch das im Contracting betriebene Nahwärmenetz, mit kaskadiertem BHKW und zwei Gas-Brennwertkesseln, werden alle 90 Eigentumswohnungen sowie die Alloheim Altenpflegeeinrichtung des „Quartier Wohnen am Dahlberg“ effizient und zugleich kostengünstig beheizt. Die bis zu 60 kW elektrischer Energie, welche die Blockheizkraftwerke erzeugen, sorgen für einen hohen Autarkiegrad – auch bei diesem Energieträger.

Von Marc Daniel Schmelzer / RMB / Energie