Europaweit größtes energieneutrales Verwaltungsgebäude steht in Freiburg
Es war ein ambitioniertes Bauvorhaben: Der Freiburger Rathausneubau im Stühlinger sollte die komplette für das Gebäude benötigte Energie selbst zur Verfügung stellen. Drei Jahre nach Fertigstellung präsentierte das Fraunhofer ISE nun die Ergebnisse des bisherigen Monitorings.
Nach Fertigstellung des „Rathaus im Stühlinger“ im Jahr 2017 hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) das Gebäude mit 22.000 m² Nutzfläche in den ersten Betriebsjahren detailliert vermessen und analysiert. Das Ergebnis: die Zielwerte aus der Planung und die tatsächlichen Verbrauchsdaten stimmen weitgehend überein. Das Gebäude generiert primärenergetisch in der Jahressumme selbst so viel Energie wie es benötigt. Bemessungsgrundlage ist die zum Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung gültige Energieeinsparverordnung (EnEV), die den Energiebedarf für Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Kühlung und Trinkwassererwärmung definiert. Ein nutzungsabhängiger Bedarf, etwa für Arbeitsgeräte, EDV und Kantine wurde in der Bilanzierung nicht berücksichtigt.
Weltweit erstes öffentliches Gebäude mit Nullenergie-Vorgabe
Auf dem gesamten Kontinent gibt es nach Angaben der Freiburger bis dato kein Verwaltungsgebäude in dieser Größenordnung mit einer vergleichbaren Energiebilanz. Als die Bauarbeiten für das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) über den Projektträger Jülich unterstützte Förderprojekt im Jahr 2014 begannen, galt das „Rathaus im Stühlinger“ sogar als weltweit erstes öffentliches Gebäude mit Nullenergie-Vorgabe überhaupt. Das Gebäude ist der erste von drei geplanten Bauabschnitten für ein Projekt, bei dem die Stadt Freiburg verschiedene über das Stadtgebiet verteilte Dienststellen in einem Verwaltungszentrum konzentrieren möchte. Im Sommer 2017 zogen 840 Mitarbeitende in den Neubau ein, im November des gleichen Jahres wurde er für den Publikumsverkehr geöffnet.
Gesamte Gebäudehülle wird zur Energiegewinnung genutzt
Um eine ausgeglichene energetische Jahresenergiebilanz zu erzielen, bestand die größte Herausforderung darin, dass die am Gebäude zur Verfügung stehenden Flächen zur Energiegewinnung im Verhältnis zur Nutzfläche zu klein sind. Daher wurde beim „Rathaus im Stühlinger“ nahezu die gesamte Gebäudehülle zur Energiegewinnung genutzt. Dabei kommt hauptsächlich Photovoltaik – sowohl auf dem Dach wie fassadenintegriert – zum Einsatz. Die Trinkwarmwasserbereitung erfolgt über Hybridkollektoren (PVT), die durch einen Gasbrennwertkessel unterstützt werden. Die Wärmeversorgung basiert auf einem Niedertemperatur-Konzept. Dabei kommen grundwassergekoppelte Wärmepumpen zum Einsatz. Heizung und Kühlung erfolgen über Flächensysteme in Form einer Betonkernaktivierung in Kombination mit Deckensegeln. Die Kühlung wird nahezu vollständig mit Umweltenergie über einen Grundwasserbrunnen realisiert. Die Deckung von Hochtemperatur-Wärme zur Trinkwassererwärmung – für Kantine und sanitäre Anlagen – erfolgt über einen solarthermisch unterstützten Gaskessel.
Über die Jahre stimmt die Primärenergiebilanz
Das Fraunhofer ISE hat das Gebäude im Rahmen eines Forschungsprojekts intensiv begleitet, von der Planungsphase über die Umsetzung bis hin zu den ersten Betriebsjahren. Das Monitoring ergibt insgesamt ein positives Ergebnis: Die meisten ermittelten Kennzahlen stimmen mit den Zielwerten der Planung überein, was bei neuen Gebäuden mit einer vergleichbar komplexen Anlagentechnik keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist. Die Ziele wurden beim Heizwärmeverbrauch, trotz bereits niedriger Verbrauchswerte, allerdings nicht vollständig erreicht. Auch die Beiträge aus der solarthermischen Anlage liegen unter den Erwartungen. In Summe aber geht die Primärenergiebilanz nahezu vollständig auf. „In den Jahren 2018 und 2019 wurde zwar knapp fünf Prozent mehr Primärenergie verbraucht als lokal erzeugt, dennoch ist das Ergebnis als großer Erfolg zu werten, denn das „Rathaus im Stühlinger“ stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass ein Gebäude dieser Größenordnung die Anforderungen an Klimaneutralität erfüllen kann“, so Dr. Peter Engelmann, Gruppenleiter Gebäudesystemtechnik am Fraunhofer ISE.
Das könnte Sie auch interessieren:
Nur acht Prozent der Deutschen nutzen smarte Heizungsthermostate
Klimaschutzziele: Forschungskonsortium fordert schnelles Handeln