Neue Chance für den Smart Meter
Mit einem Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster endete im März 2021 jäh die flächendeckende Einführung intelligenter Messsysteme zur Erfassung des Stromverbrauchs. Jetzt hat die Politik nachgebessert.
Was sind die größten Stromfresser im eigenen Haushalt? Wann benötigt die Wärmepumpe am meisten Energie? In Ermangelung passender Erfassungssysteme bleiben Fragen wie diese häufig unbeantwortet. Transparenz sollte die flächendeckende Einführung von intelligenten Stromzählern (Smart Metern) schaffen. In einem Eilbeschluss jedoch entschied das Oberverwaltungsgericht Münster am 4. März 2021, dass die bis dahin verfügbaren Smart Meter nicht über die nach dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende vorgesehenen Mindestfunktionen verfügen. Der Smart Meter-Rollout wurde gestoppt. Jetzt hat die Politik nachgebessert und einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt – mit ehrgeizigen Zielen: Bereits bis 2030 soll die digitale Infrastruktur zur Erfassung der Stromverbräuche umfassend ausgebaut sein und durch mehr Transparenz bei Stromverbrauch und -bedarf einen wichtigen Beitrag für klimaneutrale Energiesysteme liefern. Am 11. Januar hat der Bundestag einem Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) zugestimmt. Das Gesetz, dass auch einen flächendeckenden Smart Meter-Rollout ermöglicht, soll bereits im Frühjahr 2023 in Kraft treten.
„Der Kabinettsbeschluss ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem digitalisierten Energiesystem“, kommentierte Klimaschutzminister Robert Habeck. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der stärkere Einsatz von Elektroautos im Verkehrsbereich und Wärmepumpen in Gebäuden erfordere eine intelligente Verknüpfung von Stromerzeugung und -verbrauch. Das zukünftige Energiesystem werde wesentlich flexibler und damit auch komplexer werden und dafür brauche man Smart Meter und eine Digitalisierung der Energiewende. „Wir sorgen mit dem Gesetzentwurf für einen gesetzlich klar festgelegten Rollout-Fahrplan. Der Rollout wird systematisiert, beschleunigt und entbürokratisiert. Die jährlichen Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher werden bewusst gedeckelt und zugleich auch die Einführung dynamischer Tarife beschleunigt, damit der Einsatz auch wirtschaftlich attraktiver wird“, erläutert Habeck.
Was steht Neues im Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende?
Die zentralen Inhalte des Gesetzentwurfs können in sechs Punkten zusammengefasst werden:
- Zeitplan: Die neue Rollout-Frist ist auf das Jahr 2030 ausgerichtet. Die bislang erforderliche BSI-Marktanalyse für die Umsetzung ist kein Kriterium mehr.
- „Agiler Rollout“ ersetzt Rollout-Freigabe durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Der Rollout mit bereits zertifizierten Geräten kann – selbst wenn noch nicht alle Funktionen freigeschaltet sind – sofort starten (bei Verbrauchern bis 100.000 Kilowattstunden/ optional weniger als 6.000 Kilowattstunden sowie bei Erzeugern bis 25 Kilowatt/ optional 1 bis 7 Kilowatt).
- Zertifizierung: Die sogenannte „Drei-Hersteller-Regel“ des alten Messstellenbetriebsgesetzes entfällt. Bisher musste für jede Entwicklungsstufe der Smart Meter-Gateways eine Zertifizierung von drei voneinander unabhängigen Herstellern vorliegen. Damit wollte man das Marktangebot steigern. Mittlerweile sind aber zahlreiche Smart Meter-Gateways verschiedener Firmen verfügbar.
- Kostentransparenz: Privathaushalten und Kleinanlagenbetreibern dürfen für ein intelligentes Messsystem zukünftig maximal 20 Euro pro Jahr in Rechnung gestellt werden. Dafür werden die Netzbetreiber stärker an den Kosten beteiligt.
- Dynamische Tarife: Alle Stromversorger müssen ab 2025 unabhängig von der Kundenzahl verpflichtend dynamische Tarife anbieten. Dadurch soll es Verbrauchenden ermöglicht werden, den Strombezug in kostengünstigere Zeiten mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien zu verlagern.
- Steuerbarer Netzanschluss: Zukünftig sollen verstärkt Smart Meter-Gateways als sichere Kommunikationsplattform des Smart Meters am Netzanschlusspunkt zum Einsatz kommen. Über geeignete Schnittstellen können durch die Gateways mehrere Verbraucher/ Ladeeinrichtungen an einem Netzanschluss gebündelt werden.
Warum wurde der Smart Meter-Rollout 2021 gestoppt?
Laut des Eilbeschlusses des Oberverwaltungsgerichts entsprächen die am Markt verfügbaren intelligenten Messsysteme nicht den gesetzlichen Anforderungen des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) und der relevanten Technischen Richtlinien hinsichtlich der Interoperabilität der Zähler. Entsprechend könnten Betreiber von Stromerzeugungsanlagen, die nach dem Gesetz mit intelligenten Messsystemen auszurüsten seien, nicht ausgestattet werden; die durch das BSI beschlossene Markterklärung vom 31. Januar 2020 sei dementsprechend rechtswidrig. Bereits installierte intelligente Messsysteme müssten jedoch nicht ausgebaut werden. Ursprünglich hätte mit der Erteilung der Markterklärung der Smart Meter-Rollout, zunächst bei großen Verbrauchern mit einem Stromverbrauch von 6.000 bis 100.000 Kilowattstunden pro Jahr, beginnen sollen.
Interesse an Smart Metern wächst
Mehr als die Hälfte der Deutschen interessiert sich übrigens für Smart Meter (57 %). 20 % können sich die Nutzung auf jeden Fall vorstellen, weitere 37 % können sich dies eher vorstellen. Das hat eine Umfrage des Branchenverbandes Bitkom mit mehr als 1.000 Teilnehmenden im Frühjahr 2022 ergeben. Zu Beginn der Markteinführung der Smart Meter im Januar 2020 hatten sich lediglich 36 % der Menschen in Deutschland offen gegenüber der neuen Technologie gezeigt.