Wasserstoff: Hohe Abhängigkeit vom Ausland
Deutschland werde zukünftig weltweit zu den größten Wasserstoffimporteuren überhaupt zählen, so die Bundesregierung am 1. August in einer Unterrichtung an den Deutschen Bundestag. Perspektivisch könnte auch die Bedeutung für die Heizenergieerzeugung wachsen.
Ein Großteil des deutschen Wasserstoffbedarfs wird mittel- und langfristig durch Importe aus dem Ausland abgedeckt werden müssen. Das konstatierte die Bundesregierung in ihrer Unterrichtung zur „Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate“. Denn: Eine resiliente – das heißt nachhaltige, stabile, sichere und diversifizierte – Versorgung mit ausreichend Wasserstoff und Wasserstoffderivaten sei im strategischen Interesse Deutschlands. Ziel der Bundesregierung sei es daher „eine zuverlässige Versorgung mit grünem, auf Dauer nachhaltigem Wasserstoff und seinen Derivaten zu gewährleisten“. Derivate in diesem Zusammenhang sind molekulare Verbindungen des H2 mit anderen Molekülen (Ammoniak, Methanol und mehr)
Einsatz für Heizenergieerzeugung moderat
Der Importbedarf entstehe in erster Linie durch den Ersatz fossiler Energieträger in der Stahlindustrie (Kokereien), in der Grundstoff- und Petrochemie, im Schiffs-, Flug- und Schwerlastverkehr sowie in Spitzen- und Mittellastkraftwerken und Blockheizkraftwerken. Die Bundesregierung erwartet im Jahr 2030 für Deutschland einen Bedarf an Wasserstoff und Derivaten in Höhe von 95 bis 130 Terawattstunden, bei einem Importanteil von 50 bis 70 Prozent. Die Nachfrage werde im Zuge der volkswirtschaftlichen Transformation hin zu Klimaneutralität weiter ansteigen: bis 2045 auf etwa 360 bis 500 Terawattstunden für Wasserstoff sowie 200 Terawattstunden für Wasserstoffderivate.
Nach derzeitigen Erkenntnissen sei der Einsatz in der zentralen und dezentralen Heizenergieerzeugung für Wohn- und Nichtwohngebäude bis 2030 eher moderat. Für eine perspektivische Nutzung habe man jedoch mit dem Wärmeplanungsgesetz und der letzten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen. „Kommunen können sich im Rahmen der Wärmeplanung für die Ausweisung von Wasserstoffnetzgebieten oder die Nutzung von synthetischem Methan entscheiden. Dies schließt auch die Option der Verwendung von Wasserstoff bei der Fernwärme mit ein“, so die Bundesregierung in der Unterrichtung.
Planung und Pipelines
TGA-Betriebe und Planungsbüros sind auch an der Erstellung der Infrastruktur für die Wärmeversorgung der Industrie beteiligt. Doch sei „derzeit noch nicht absehbar, zu welchem Anteil sich Wasserstoff (anstelle von Elektrifizierung oder Biomassenutzung) zur CO2-neutralen Erzeugung von Prozesswärme durchsetzen wird. Neben Anwendungen in der Stahlindustrie und (petro-)chemischen Industrie ist die Bereitstellung von Prozesswärme in der Grundstoffindustrie (Zement, Kalk, Glas und Papier), Umformtechnik, Härterei- und Galvanotechnik sowie in der Gießerei-, Aluminium-, Kupfer-, Keramik- und Ziegelindustrie relevant.“
Weiter heißt es: „Pipelinegebundene Wasserstoffinfrastruktur ermöglicht ohne Umwandlungsverluste einen kosteneffizienten Transport von molekularem Wasserstoff aus Europa und Anrainerstaaten nach Deutschland. Neben dem Neubau kann die Umwidmung von Erdgaspipelines, sofern technisch und unter Beachtung der Gasversorgungssicherheit möglich, diverse Vorteile wie zum Beispiel geringere Kosten, Ressourcenschonung etc. haben. Der Aufbau von Pipeline-Infrastruktur stellt die künftigen Wasserstoffnetzbetreiber, insbesondere in einer Anfangsphase mit wenigen Netznutzern, vor große Finanzierungsherausforderungen. Daher priorisiert die Bundesregierung die Finanzierung und den zügigen Aufbau von Wasserstoffpipelines sowie die Umnutzung von Erdgasfernleitungen. In einem ersten Schritt wird ein Wasserstoff-Kernnetz in Deutschland geplant. Aufgrund der Kosten- und Effizienzvorteile wird dabei von Anfang an eine enge Anbindung des Kernnetzes an das transeuropäische Wasserstoffnetz vorgesehen. Physische Voraussetzung für den Aufbau eines transeuropäischen Wasserstoffpipelinenetzes sind sogenannte Interkonnektoren, Grenzübergangspunkte zwischen benachbarten Netzen.“
Einlagerung in Kavernenspeichern und Derivaten
„Neben dem Ausbau von Pipelines sind Speicher für Wasserstoff und Wasserstoffderivate Teil des nationalen Wasserstoffnetzausbaus. In Zeiten geringer Wasserstoffproduktion sowie bei schwankenden Importmengen oder Preisen ermöglicht die Ein- und Ausspeicherung von Wasserstoff die konstante Versorgung. Neben der Speicherung in Untergrund- und Kavernenspeichern lässt sich Wasserstoff auch in Form von Derivaten einlagern.“
Stichwort Kavernenspeicher: Sie sind nach verschiedenen Studien, unter anderem des DVGW, aufgrund ihrer großen Hohlräume besonders gut geeignet. Unter Kavernen versteht man unterirdische Hohlräume oder Höhlen, die oft in Gesteinsschichten oder Salzformationen vorkommen. Sie können also natürlichen Ursprungs sein oder künstlich geschaffen werden. Sie bieten generell eine sichere und effiziente Möglichkeit, große Mengen an Gasen über längere Zeiträume zu lagern.
Porenspeicher, die zweite Art vom Untertage-Gasspeichern, kommen ebenfalls infrage, aber mit Einschränkung. Bei diesem Typ handelt es sich um natürliche Lagerstätten in porösem Gestein, in dem das hineingepresste Gas ähnlich einem Schwamm festgehalten wird. Je nach Mineralogie und Bakteriologie besteht hier indes die Gefahr der Versottung der Poren.