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BHKW und Hackschnitzelheizung 05.03.2025, 09:21 Uhr

Wie eine Hybridlösung die Energiekosten der Burg Wittlage senkt

Burgherr und Nutzer eines denkmalgeschützten mittelalterlichen Ensembles zu sein, klingt zunächst traumhaft. Albtraumhaft kann es jedoch sein, wenn man die energetische Seite betrachtet, denn der Heizwärmebedarf ist enorm. Da heißt es, klug die beste verfügbare Technik zu nutzen.

Das historische Ensemble von Burg Wittlage aus der Vogelperspektive. Foto: RMB / Energie GmbH

Das historische Ensemble von Burg Wittlage aus der Vogelperspektive.

Foto: RMB / Energie GmbH

Als Geschäftsführer eines bunten Konglomerats sozialer Einrichtungen muss man rechnen und haushalten können. Das trifft auch auf Tim Ellmer als Mitgeschäftsführer des VSD – Verbund sozialer Dienste gGmbH zu. Der VSD umfasst vom Kindergarten bis zur Jugend- und Familienhilfe zahlreiche Angebote unter einem Dach. Ellmer ist ein Zahlenmensch und das schließt den Haustechnik- und Energiebereich der bewirtschafteten Gebäude wie der imposanten Burg Wittlage ausdrücklich mit ein. Zum diversifizierten Gebäudebestand des VSD gehört auch das einige Kilometer entfernte „Haus Sonnenwinkel“. Dabei handelt es sich um einen weiteren, wenngleich jüngeren Altbau-Gebäudekomplex. Er diente in den vergangenen Jahren als soziale Familienferienstätte sowie zur Unterbringung junger Menschen, die sich im Europäischen Freiwilligendienst engagieren. Aktuell wird das Hauptgebäude saniert und zu einer Erzieherfachschule umgebaut. Seit rund sechs Jahren wird dieses Haus erfolgreich mit einer Kombination aus einem Blockheizkraftwerk und zwei Gasbrennwertkesseln beheizt. „Das BHKW im Sonnenwinkel läuft besser, als es prognostiziert war – nach fünf Jahren im Betrieb. Die Anlage war auf zehn Jahre gerechnet, wird sich aber deutlich früher amortisieren“, berichtet Ellmer.

Hybrid-Kombination

Die guten Erfahrungen mit dem BHKW im Haus Sonnenwinkel haben Ellmer bewogen, ein ähnliches Konzept auch für die Burg Wittlage kalkulieren zu lassen. Daher findet sich dort inzwischen ein überwiegend regenerativ betriebenes Nahwärmenetz mit einem BHKW und einem Holz-Hackschnitzelkessel. Sie ersetzten die vier alten Gasheizkessel, die jedes der vier Gebäude im Burg-Ensemble separat beheizten. Die neuen Wärmeerzeuger sind in einem unscheinbaren Flachdachbau auf dem Gelände untergebracht. Er dient zudem als Garage, Werkstatt und Unterstellraum für Gartengeräte.

Garagenraum mit Hackschnitzel-Heizkessel: Vorne links sind die Leitungen zum Nahwärmenetz zu sehen.

Foto: RMB / Energie GmbH

Zur installierten Heiztechnik merkt Tim Ellmer an: „Wir sind ein gemeinnütziger Kinder- und Jugendhilfeträger. Daraus erwächst für uns nicht nur die Verpflichtung, wirtschaftlich zu arbeiten, sondern auch bestmögliche Nachhaltigkeit zu erreichen. Zudem war uns eine hohe energetische Autarkie wichtig. Das BHKW mit Eigenstromerzeugung und die Hackschnitzelheizung erfüllen da beide Voraussetzungen. Künftig ist geplant, auf Burg Wittlage zusätzlich Photovoltaik zu nutzen. Wir haben einen hohen Energieverbrauch und damit entsprechende Kosten. Ab diesem Jahr produzieren wir übrigens auch die Hackschnitzel aus eigenem Waldbestand selbst. Dafür wird ausschließlich Totholz genutzt.“

Die Anlagentechnik im Detail

Um die Grundlast des kontinuierlich hohen Energiebedarfs in der alten Burganlage zu decken, wurde ein BHKW neoTower 20.0 gewählt. Das Gerät stammt aus dem mittleren Leistungsspektrum des Lieferprogramms von RMB/Energie. Der norddeutsche Hersteller, seit 2015 Teil des weltweit operierenden Yanmar-Konzerns, bietet mit 15 Blockheizkraftwerken von 2,0 bis 150,0 kW (elektrisch) eine hohe Geräte-Bandbreite. Damit lässt sich für jeden Anwendungsfall eine quasi maßgeschneiderte Lösung umsetzen, denn: Die optimale Dimensionierung ist ein wesentlicher Faktor für eine schnelle Amortisierung.

Das Blockheizkraftwerk deckt die Grundlast bei Wärme und Strom.

Foto: RMB / Energie GmbH

Für die Burg Wittlage wurde ein BHKW mit bis zu 20 kW elektrischer Leistung gewählt, was einer thermischen Leistung von bis zu 45,8 kW entspricht – „bis zu“, weil das BHKW von 10,7 kW elektrisch (29,1 kW thermisch) bis zur angegebenen Höchstleistung gleitend moduliert. Zurzeit wird es mit Erdgas betrieben, allerdings ist das BHKW auch für den Betrieb mit Flüssiggas sowie alternativen Gassorten wie Biogas (Methan oder Bio-LPG) und für eine Wasserstoffbeimischung bis zu 40 Prozent vorbereitet.

Der in das Anlagenkonzept integrierte Hackgut-Heizkessel firematic 100 der Firma Herz liefert eine modulierende Heizleistung zwischen 23,2 und 99 kW und arbeitet, wie erwähnt, ab der nächsten Heizsaison mit eigenem Hackgut. Zusätzlich gibt es für den Sonderfall noch einen kleinen wandhängenden Gasbrennwertkessel mit einer Heizleistung von bis zu 35 kW, der als unterstützender Spitzenlastkessel fungiert. Alle drei Wärmeerzeuger speisen in drei 1 000 Liter fassende Pufferspeicher ein, von wo aus die Wärme über das Nahwärmenetz in die einzelnen Häuser geliefert wird.

In einem Nebenraum der Garage befinden sich die drei Pufferspeicher.

Foto: RMB / Energie GmbH

Bis es so weit war, waren bauseits einige Herausforderungen zu stemmen, was in diesem Fall durchaus wörtlich zu sehen ist. Das gilt insbesondere für das mittelalterliche Hauptgebäude der Burg, in dem die Verwaltung untergebracht ist. Hier musste die bis zu drei Meter starke Außenwand durchbohrt werden, um die Leitung ins Haus zu bekommen. Auf dem Weg von der Heizzentrale zu den Gebäuden wachten Archäologen mit Argusaugen über die Baggerarbeiten. Das dabei gefundene historische Mauerwerk und Straßenpflaster wurde sorgsam kartiert, hinderte letztlich aber nicht die Durchführung der Maßnahme.

Fazit

Besonders energieintensive Immobilien wie die historische mittelalterliche Burg Wittlage mit ihren Nebengebäuden sind prädestiniert für eine kombinierte Wärme- und Stromerzeugung mit einem Blockheizkraftwerk (plus Spitzenlast-Wärmeerzeuger). In diesem Fall entschied sich der Bauherr aufgrund positiver wirtschaftlicher Zahlen aus einem anderen Gebäudekomplex für eine BHKW-Lösung. Sie wurde mit einem Hackschnitzel-Heizkessel zu einem besonders klimaschonenden Energiekonzept verbunden. Während Tim Ellmer mit der zukunftsweisenden und nachhaltigen Technik sehr zufrieden ist, kann er sich eine Spitze in Richtung der Politik am Ende doch nicht verkneifen: „Die Inanspruchnahme der vom Bund vollmundig versprochenen Fördermittel erweist sich in der Praxis aus Verbrauchersicht als unwürdiger und zeitraubender Ritt durch den Bürokratiedschungel – es ist schlichtweg eine Katastrophe mit dringendem Nachbesserungsbedarf. Die Stromabnahme durch den Energieversorger ist dagegen völlig unproblematisch.“

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Von RMB/Energie / Marc Daniel Schmelzer