Agri-PV: Stromerträge höher als erwartet
Im Rahmen des Forschungsprojekts „Modellregion Agri-Photovoltaik für Baden-Württemberg“ baut und beforscht ein Konsortium aus 13 Projektpartnern unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE mehrere Agri-Photovoltaik-Pilotanlagen. Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass nicht nur die unter den Anlagen gebauten Kulturen von der teilweisen Verschattung profitieren: Dank der Kühlung durch die Pflanzen produzieren die PV-Module auch mehr Strom als zunächst angenommen.
Mitte April eröffnete Dr. Andre Baumann, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, die fünfte Anlage des Forschungsprojekts. Auf dem Obsthof Vollmer in Oberkirch-Nussbach steht die Kombination von Kern- und Beerenobst mit unterschiedlich nachgeführten PV-Modulen im Fokus der Forschenden. „Zuletzt konnten wir Rekordzahlen beim Ausbau von Photovoltaik in Baden-Württemberg verzeichnen“, berichtet der Staatssekretär. Um die Energiewende erfolgreich zu meistern, müssten die Zahlen für Freiflächen-PV allerdings weiter gesteigert werden. „Der große Vorteil von Agri-PV ist, dass wir Raum doppelt nutzen können. Das bringt den Solar-Ausbau und somit die Energiewende weiter voran“, so Baumann. Und das vielleicht ertragsreicher, als zunächst erwartet.
Einsparungen bei den Obstkulturen, Zuwächse beim Stromertrag
Bei der ersten Agri-PV-Anlage des Projekts über Apfelbäumen in Kressbronn am Bodensee konnten im Rahmen des Projekts bereits zwei Jahre lang Messungen durchgeführt werden. Dabei stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest: Der Obsthof konnte auf der Fläche unter der Agri-PV-Anlage 70 Prozent der Pflanzenschutzmittel einsparen. Der Bewässerungsbedarf konnte um 50 Prozent reduziert werden. Der sich durch den Klimawandel verstärkenden Tendenz von zu viel Sonne und zu wenig Wasser für die Apfelbäume wird entgegengewirkt. Und: Die Agri-PV-Anlage produziert über 20 Prozent mehr Strom, als das Konsortium auf Basis der Simulationen prognostiziert hatte. Die genauen Gründe hierfür werden derzeit noch untersucht, aber das Forschungsteam vermutet, dass eine Kombination aus Verdunstungskühlung und Hinterlüftung maßgeblich für die erhöhten Stromerträge ist.
Obsthof Vollmer: Verschiedene Systeme in der Erprobung
Die am 12. April eingeweihte Agri-PV-Anlage in Oberkirch-Nussbach besteht aus mehreren Bereichen: Neben dem Stromertrag aus fest montierten PV-Modulen über Kiwi, Birnen, Äpfeln und Zwetschgen mit vollverschattenden Modulen und einem an Folientunnel angelehnten System im Beerenbau mit semitransparenten Modulen, ist das Kernstück des Projekts ein nachgeführtes System mit vollverschattenden Modulen.
„Das Besondere an der nachgeführten PV-Anlage ist die Halbierung der 140 Meter langen Reihen“, erklärt Landwirt und Unternehmer Dr. Hansjörg Vollmer. Die eine Hälfte der Reihen wird unter Einbezug von pflanzenphysiologischen Gesichtspunkten nachgeführt, die andere Hälfte rein nach sonnenoptimierten Parametern gesteuert. Die hierfür am Fraunhofer ISE entwickelten Nachführalgorithmen werden ab Mitte 2024 im Anlagensystem des Projektpartners Intech Clean Energy erprobt. Die agrarwissenschaftliche Begleitforschung übernimmt das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg.
Forschungsprojekt: Technologische Vielfalt
Übergeordnetes Ziel des Forschungsprojekts ist, offene Fragen zur dualen Nutzung von Flächen für Landwirtschaft und Solarstromerzeugung zu beantworten. Mit der Entwicklung und dem Bau von maßgeschneiderten Pilotanlagen an neun unterschiedlichen Standorten mit verschiedenen Obst- und Beeren-Kulturen werden die Machbarkeit verschiedener vielversprechender Anwendungsbereiche und Technologien untersucht und Auslegungsvarianten erforscht. Gefördert wird das bis Ende 2024 laufende Forschungsvorhaben von den Landesministerien für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sowie für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.
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