Energiewende: Vertikale Solaranlagen bieten enormes Potenzial
Ost-West statt einfach nur gen Süden: Durch den vermehrten Einsatz vertikaler Solaranlagen ließen sich die Erträge aus Sonnenenergie maßgeblich steigern. Forschende der HTWK Leipzig haben ein Energiesystem für Deutschland modelliert, das die angestrebten Klimaziele wieder in erreichbare Nähe rücken lässt.
Weniger fossile Energieträger, mehr „grüner“ Strom: In dem im Juli 2022 vom Bundesrat verabschiedeten Beschleunigungspaket zum Ausbau erneuerbarer Energien hat die Bundesregierung klare Ziele benannt: Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch soll demnach innerhalb von weniger als einem Jahrzehnt verdoppelt werden. Damit dies gelingt, müssen die Erträge aus Wind- und Sonnenkraft massiv gesteigert werden. Aktuell werde, so das Ergebnis der von Forschenden der HTWK Leipzig veröffentlichten Studie „Integration of vertical solar power plants into a future German energy system“, dafür aber längst nicht das gesamte Potenzial ausgeschöpft.
Vertikale, bifaziale Solarmodule: Erhöhter Ertrag, weniger Speicher
Um einen maximalen Energieertrag zu erzielen, werden Solaranlagen derzeit meist in Südausrichtung mit einem Neigungswinkel von 20 bis 35 Grad errichtet (siehe hierzu auch den auf hlh.de erschienenen Beitrag „Hauseigentümer investieren verstärkt in Solarenergie“). Dadurch wird vorrangig im Sommer sowie mittags viel Strom erzeugt. In Zukunft sollen erneuerbare Energien fossile Brennstoffe aber vollständig ersetzen – eine große Herausforderung. Denn werden weiterhin vorwiegend Solarmodule in Südausrichtung zugebaut, bedarf es zusätzlicher Stromspeicher, um tages- und jahreszeitabhängige Schwankungen abzufangen. Sinnvoller wäre es, so die Leipziger Forschenden, zukünftig vorrangig senkrecht aufgestellte, bifaziale Solarmodule zu installieren. „Bifaziale Solarmodule können Sonnenenergie von beiden Seiten nutzen. In Ost-West-Ausrichtung installiert, wird morgens und abends der meiste Strom erzeugt. Damit ließe sich der Bedarf an Stromspeichern reduzieren und gleichzeitig der Flächenbedarf für die Stromerzeugung geringhalten“, so die Erst-Autorin der Studie Sophia Reker.
Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende
„Bifaziale Solarmodule sind zwar etwas teurer als konventionelle Solaranlagen. Aber da sie die Anzahl von Stunden mit verfügbarer Solarenergie erhöhen, werden andere Elektrizitätsbedarfe, beispielsweise in Gaskraftwerken, reduziert“, so Jens Schneider, Professor für Vernetzte Energiesysteme an der HTWK Leipzig und Ko-Autor der Studie. Senkrecht installiert, könnten die Solaranlagen gut auf landwirtschaftlich genutzten Flächen errichtet werden. Das schaffe zusätzliche Verdienstmöglichkeiten für die Landwirte und erhöhe das Flächenpotenzial für erneuerbare Energien in Deutschland so sehr, dass nur in geringem Maße zusätzlich Energie importiert werden müsse. Zudem könnten auf landwirtschaftlichen Flächen installierte Solaranlagen das Wachstum bestimmter Nutzpflanzen unterstützen, da sie die Pflanzen vor Wind und Hitze schützen.
Modelliertes Energiesystem: Einsparungen von mehr als zehn Megatonnen CO2 pro Jahr möglich
Für ihre Studie haben Sophia Reker, Jens Schneider und Christoph Gerhards mittels der Software Energyplan ein Energiesystem für Deutschland modelliert, welches entsprechend der deutschen Klimaschutzziele im Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 insgesamt 80 % weniger CO2-Ausstoß verursacht. Dafür nehmen die Forschenden einen Zubau von derzeit 64 auf 195 Gigawatt Windenergieleistung und von derzeit 58 auf 400 Gigawatt Sonnenenergieleistung an. Um diese installierte Leistung tatsächlich nutzen zu können, sind Stromspeicher nötig. Die Forschenden zeigen in ihrer Studie auf, dass der Bedarf an Stromspeichern sinkt, wenn der Großteil der zugebauten Solarleistung vertikal in Ost-West-Ausrichtung installiert wird. In einem Szenario ohne zusätzliche Stromspeicher könnten, wenn 70 bis 90 % der zugebauten Solarmodule nicht nach Süden geneigt, sondern in Ost-West-Ausrichtung vertikal installiert werden, mehr als zehn Megatonnen CO2 pro Jahr eingespart werden.
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