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Option für Versorgung mit erneuerbarer Energie: 13.05.2022, 11:29 Uhr

Großenergiespeicher an früheren Kraftwerksstandorten

Infrastruktur und Fachpersonal sind bereits vorhanden: Können ehemalige fossile Kraftwerksstandorte oder gar Atomkraftwerke helfen die Versorgungslücke mit erneuerbarem Strom zu schließen? Eine Studie des Fraunhofer ISE sieht dafür gute Chancen.

Altlast mit neuen Chancen? Eine Fraunhofer-Studie prüft die Nutzung ehemaliigen fossiler und Atomkraftwerkstandorte für die Installation von Großspeichern. Foto: panthermedia.net/ uhg1234

Altlast mit neuen Chancen? Eine Fraunhofer-Studie prüft die Nutzung ehemaliigen fossiler und Atomkraftwerkstandorte für die Installation von Großspeichern.

Foto: panthermedia.net/ uhg1234

Eine flächendeckende und lückenlose Stromversorgung mit erneuerbaren Energien kann nur mit Hilfe ausreichender Zwischenspeicher gelingen. Nach den Szenarienrechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) werden in Deutschland bis 2030 etwa 100 Gigawattstunden an elektrischer Speicherkapazität benötigt, bis 2045 sind es rund 180 Gigawattstunden.

Übersicht der benötigten stationären Stromspeicherkapazitäten für eine Systemintegration des fluktuierenden Stroms. Grafik: Fraunhofer ISE

Eine mögliche Option sich diesen Werten tatsächlich zu nähern, eröffnet nach Untersuchungen des Fraunhofer ISE die Umnutzung bereits existierender Kraftwerksstandorte. In einer Kurzstudie haben die Freiburger den systemischen und netztechnischen Nutzen von Großspeichern untersucht. Demnach sei es sinnvoll, Batteriespeicher an ehemaligen Standorten von fossilen oder Atomkraftwerken zu installieren. Bis zu 65 % des bis 2030 in Deutschland benötigten Speicherbedarfs könnte damit gedeckt werden, so das Forscherteam.

Fossile Vergangenheit als Basis für grüne Zukunft

Stationäre Großspeicher können als schnell verfügbare Kurzzeitspeicher große Mengen fluktuierender und regional verteilter Einspeisung aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen ins Stromnetz integrieren. Sie nutzen zudem durch eine zeitliche Verschiebung die Übertragungskapazitäten der Stromnetze besser aus und reduzieren damit den benötigten Netzausbau. Auf Grund ihrer hochdynamischen Regelbarkeit spielen Batteriespeicher, die mit netzbildenden Wechselrichtern ausgestattet sind, zukünftig eine zentrale Rolle bei der dynamischen Stabilisierung der Stromnetze. Großspeicher übernehmen dabei die Netzstabilisierung der Spannungs- und Frequenzregelung, die bisher von konventionellen Must-Run-Kraftwerken erbracht wurde. „Diese Großspeicher können an ehemaligen fossilen oder Atomkraftwerksstandorten installiert werden und so die dort vorhandene Anschlussleistung an das Stromnetz weiter nutzen“, erläutert Dr.-Ing. Bernhard Wille-Haussmann, Gruppenleiter Netzbetrieb und Netzplanung am Fraunhofer ISE. Weitere Vorteile seien die bereits für die Energiewirtschaft gesicherten und akzeptierten Flächen, die vorhandene hochwertige Infrastruktur und das Fachpersonal. Zudem könnte man für den Abriss geplante Kosten einsparen oder umwidmen.

Bundesweiter Vergleich: Anschlussleistungen variieren

Je nach Region über- oder unterschreiten die Anschlussleistungen der konventionellen Kraftwerke den Speicherbedarf. Grafik: Fraunhofer ISE

In der Studie wurde für jede der zehn definierten Regionen, welche sich an deutschen Bundesländern orientieren, der Bedarf an stationären Großbatteriespeichern ermittelt und der Anschlussleistung der Kraftwerke gegenübergestellt. Dabei zeigte sich, dass in einigen Bundesländern ein signifikanter Anteil der benötigten Großspeicher an Kraftwerksstandorten angeschlossen werden kann. So stehen in Baden-Württemberg 10,2 Gigawatt Anschlussleistung zur Verfügung, damit könnten alle für 2030 berechneten stationären Batteriespeicher (8,7 Gigawatt) angeschlossen werden. In Nordrhein-Westfalen ist mit 16 Gigawatt an jetzigen Kohlekraftwerksstandorten nahezu die doppelte Anschlussleistung der benötigten Speicher (9,4 Gigawatt) vorhanden. Dies ist allerdings nicht in allen Regionen der Fall: In Sachsen-Anhalt und Thüringen steht die geringste Leistung (1,1 Gigawatt) einem Speicherbedarf von 7,6 Gigawatt gegenüber. Dennoch fällt das Fazit am Fraunhofer positiv aus: „Allein die AKW-Standorte mit ihrer Gesamt-Anschlussleistung von 26,8 Gigawatt könnten bis zu einem Viertel der für die Energiewende bis 2030 benötigten Anschlussleistung für Batterien bereitstellen. Betrachtet man die verfügbare Fläche, könnten rund die Hälfte der benötigten 100 Gigawattstunden Speicherkapazität an diesen Standorten platziert werden“, so Dr.-Ing. Bernhard Wille-Haussmann. Unter Hinzunahme der Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke erhöhe sich die Anschlussleistung nochmals erheblich auf 67,6 Gigawatt. Das entspricht 65 % des bis 2030 benötigten Speicherbedarfs.

Tag-Nacht-Ausgleich für Solarenergie möglich

In der Studie modellierte das Forscherteam mit dem Energiesystemmodell REMod auch die zukünftigen Lastkurven in den zehn deutschen Regionen. Mit dem Netzmodell PyPsa wurde die Auslastung der Stromleitungen zwischen den Regionen im Jahr 2030 berechnet. Dabei wurde der Netzausbau entsprechend dem Netzentwicklungsplan einbezogen. Besonders zwischen Norden (Windstrom) und Süden (PV-Strom) sowie zwischen Osten und Westen sind danach Überlastungen der Leitungen zu erwarten. „Wenn wir nun die in den Regionen bereits vorhandenen Anschlussleistungen der konventionellen Kraftwerke für Großspeicher nutzen, kann zum einen der zunehmende Tag-Nacht-Ausgleich für Solarenergie erfolgen, zum anderen der Netzausbau reduziert werden“, ist Professor Christof Wittwer, Bereichsleiter Leistungselektronik, Netze und intelligente Systeme am Fraunhofer ISE überzeugt. Weiteren Forschungsbedarf sieht das Institut bei der Regionalisierung der Energieszenarien und der Detaillierung der Übertragungsnetzmodelle, einschließlich des Einflusses von wechselrichterdominierten Verteilnetzen. Mit der Einbeziehung dieser erweiterten Modelle könnten die zukünftigen Anschlussorte bedarfsgerechter geplant werden.

 

 

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Von Fraunhofer ISE/Marc Daniel Schmelzer