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Baustellenbesuche in der Bundeshauptstadt 27.12.2021, 09:32 Uhr

Berlin wächst horizontal und vertikal

3,7 Millionen Einwohner auf 892 Quadratkilometer Fläche: Berlin ist die bevölkerungsreichste und zugleich flächengrößte Stadt Deutschlands. Und Berlin wächst weiter. Auf Einladung der Aufzugsbauer Kone und Schindler hatte die HLH-Redaktion die Gelegenheit sich drei exponierte Entwicklungs- und Bauprojekte genauer anzuschauen. Zu sehen gab es modernste Gebäudetechnik.

Foto: panthermedia.net/ Blaumond

Foto: panthermedia.net/ Blaumond

„Das Wasser im Blick“ ist der Slogan, mit dem der Entwickler Buwog das dreiteilige Gebäudeensemble „The View“ im Quartier 52° Nord in Berlin-Grünau beschreibt. Das Zugangssystem stammt von Kone. Direkt am Fluss Dahme mit einer quartierseigenen Wasserfläche gelegen, stand das mittlere Gebäude II des Ensembles mit seiner Architektur und Gebäudetechnik im Mittelpunkt der ersten Begehung.

Das mittlere Gebäude II des „The View“ vom Wasser aus gesehen.

Foto: Hans-Wilhelm Berghoff

Auf dem rund 100.000 Quadratmeter großen Areal wurde 2015 nach aufwendiger Aufbereitung des Bodens der erste Grundstein gesetzt. Bis 2024 sollen hier in direkter Uferlage rund 1.000 Wohnungen für rund 2.000 Menschen entstehen. Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei der Entwicklung des Quartiers eine tragende Rolle: Parkplätze mit Elektroversorgung für Pkw finden sich an mehreren Stellen auf dem Gelände. Nach dem Modell der Schwammstadt („Sponge City“) wurde eine 6.000 Quadratmeter große Wasserfläche geschaffen. Die Länge des Regenwasserrückhaltebeckens für die umliegenden Gebäude beträgt rund 180 Meter. Die Entwicklung der Gewässeranlage wird von der TU Berlin im Rahmen eines Monitorings überwacht.

„The View“ in Berlin-Grünau: Zutrittssystem und Aufzugsteuerung via App

Das Ensemble „The View“ besteht insgesamt aus drei Gebäuden. Die Planungen haben 2018 begonnen; fertiggestellt wurde das Objekt im Sommer 2021. Das Büro von Architekt Christopher Pätzold hat den Häusern I und III eine Trapezform gegeben, mit individuell gestalteten Balkonen. Haus II von Love architecture + urbanism aus Graz zeichnet sich durch schräge Stützsäulen und schwebende Stege aus, die Wohnungen und Balkone verbinden. Bodentiefe Fenster und Glasfaltwände sorgen für einen optimalen Lichteinfall. Wärme und Strom für das Quartier werden im quartierseigenen, von Techem Solutions betriebenen Blockheizkraftwerk mit Primärenergiefaktor Null produziert und von dort in die einzelnen Gebäude verteilt. Nicht benötigter Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. Das Kraftwerk nutzt zu rund 65 % Biomethan. In Haus II kommt eine Fußbodenheizung mit Einzelraumregelung zum Einsatz. Zur Isolation wurde ein Aluminiumprofil der Fassade vorgehängt. Der Sonnenschutz wird durch außenliegende Textilrollos realisiert. Die Frischluftzufuhr erfolgt über Fenster und/oder Türen. Blitzschutzleiter verbinden jede einzelne Stahlplatte der Fassade miteinander. Eine große Zahl der Stellplätze in der Tiefgarage ist für Elektrofahrzeuge vorgerüstet, die ebenfalls über den Hausstrom mitversorgt werden. Die Garage wird nur über Gitter mit Außenluft versorgt. Vor dem Aufgang zu den Gebäuden ist eine zentrale Paketstation eingerichtet. Die Lieferanten werden per SMS oder Mail von den Nutzern ermächtigt eine zufällig vergebene Box zu nutzen. Für das Abholen braucht man dann eine PIN. Von der Tiefgarage und von den Eingangstüren bis in die Wohnetagen ist ein barrierearmer Zugang via Aufzug möglich. Verbaut wurden drei Aufzüge von Kone, Typ MonoSpace 500 DX in Zusammenspiel mit dem Zugangssystem Kone Residential Flow. Haustürklingel, Schließtechnik (inklusive Garage) und Aufzug sind Bestandteile des Zutrittssystems, auf das die Bewohnenden via App auf ihren Smartphones zugreifen. Über die Videogegensprechanlage auf dem Mobilgerät kann auch die Tür geöffnet und der Aufzug nach unten geschickt werden. Auch die Bedienung des Aufzugs erfolgt (coronakonform berührungslos) via App. Teil des Kone-Systems ist ein digitales „Schwarzes Brett“ im Aufzug, dessen Inhalte auf ein Display im Hausflur und auf das Smartphone gespielt werden.

„Future Living Berlin“ in Berlin-Adlershof : Test KI-gestützter Smart Living-Methoden

Unter den Aspekten „Barrierefreiheit“ und „Mehr-Generationen-Wohnen“ wurde das Quartier „Future Living Berlin“ im Auftrag der Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg mbH (GSW), einer Tochter des Sozialverband VdK Baden-Württemberg, entwickelt. Der Plan: Durch eine konsequente Datenvernetzung soll nahtloser Komfort, eine höhere Sicherheit und ein Zeitgewinn für die Bewohnenden geschaffen werden. Das Zugangssystem stammt von Schindler. Das Quartier erhielt den Dekra Award Sicherheit 2019 sowie den Zukunftspreis der Deutschen Immobilienwirtschaft 2021.

Ansicht des „Future Living“-Quartiers von der Hauptstraße.

Foto: Hans-Wilhelm Berghoff

Bis Herbst 2019 entstanden im Berliner Südosten auf rund 8.000 Quadratmeter Nutzfläche 90 Mietwohnungen und zwölf Gewerbeeinheiten. Im Vorfeld wurden die Vorkenntnisse und Erwartungen der Bewohnenden zum Thema „Smart Home“ abgefragt. Beim Einzug erwartet sie dann eine „Wohnungsbibel“ mit einer Beschreibung zur technischen Ausstattung. Auf dem Gelände wurden 15 Gebäude im KfW40-Standard aus Stahlbeton mit Dämmung errichtet. Alle Haus- und Wohnungseingänge plus Tiefgarage sind an das digitale Schindler-Zugangssystem Port angeschlossen. Die Dachflächen der kleineren Häuser sind begrünt; es wird kein Oberflächenwasser in die Kanalisation eingeleitet. Eine öffentliche Waschstation von Bosch WeWash kann per App reserviert, im Betrieb überwacht und abgerechnet werden. In der Tiefgarage befinden sich sechs Ladepunkte für Elektrofahrzeuge, fünf davon für die fünf Smarts der FleetSharing-Flotte von Mercedes. Im gleichen Untergeschoß liegen auch die beiden Serverräume, die mit Panasonic-Kühlboxen in der Garage temperiert werden. Die Schindler-Datenbank verbirgt sich in einem rund 30 mal 50 mal 15 Zentimeter großen Kasten an der Wand; zur Ausfallsicherung befinden sich weitere redundante Datenbanken in den einzelnen Gebäuden. Die Serverschränke zur Vernetzung aller digitalen Lösungen im Gebäude stehen in einem zweiten Raum. Auf den dem Sonnenlauf folgenden Pultdächern sind Photovoltaik-Anlagen von Panasonic installiert. Die 600 Panele liefern 195 Kilowatt Leistung. In der Technikzentrale gegenüber vom Veranstaltungstrakt steht der Samsung SDI Batteriespeicher Sungrow. Aus rechtlichen Gründen sind auch große Batteriespeicher bislang nicht als USV nutzbar. Das bedeutet zum Beispiel, dass kein Notbetrieb für Aufzüge für Rollstuhlfahrer existiert. Strom, der nicht vor Ort produziert wird, stammt vom Ökostrom-Anbieter Polarstern. In den Wohnungen ist eine große Anzahl Stromanschlüsse mit Mehrfachsteckern zu sehen.

Die Stromleitung in der Wohnung wird auch zur Nachrichtenübermittlung über Powerline genutzt, hier über das Produkt digitalStrom. Jede Wohnung verfügt über einen digitalStrom-Server im Schaltkasten im Eingangsbereich, der die Steuerung innerhalb der Wohnung organisiert, aber auch den Zugriff über App zulässt. Generell verfügt das Gelände über einen zehn Gigabit-Glasfaser-Anschluss; in den Wohnungen stehen jeweils 50 Megabit für Up-/Download als Bestandteil der Miete zur Verfügung. Eine Aufstockung bis zu 250 MB ist möglich. Luft/Wasser-Wärmepumpen von Panasonic sorgen für die Heizungswärme. In der Wohnung selbst gibt es eine Fußbodenheizung mit Zusatzheizkörper im Bad. Schindler lieferte für das Projekt acht Aufzüge vom Typ Schindler 3300. Zu ihrer schnellen Installation kam das Robotersystem RISE zum Einsatz. Das Schindler Transit Management System Port und die digitale Mobilitätslösung myPort mit offenen Schnittstellen verbinden Aufzüge, Haupteingang- und Appartementtüren. Via fester Infoterminals in den Wohnungen und über die myPort-App auf dem Handy ermöglicht das System den Bewohnenden eine komfortable Bedienung inklusive zusätzlicher Services. Das Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie „ForeSight: Plattform für kontextsensitive, intelligente und vorausschauende Smart Living-Service“ (https://future-living-berlin.com/foresight) mit einem Konsortium unter Leitung der Forschungsvereinigung Elektrotechnik beim ZVEI unterhält auf dem Gelände eine Wohnung, in der KI-gestützte Smart Living-Methoden getestet werden. Schindler begleitet das installierte Transit Management System auch in der Betriebsphase. Zur weiteren Entwicklung dieser Technik auf Basis der Erfahrungen der Anwendenden wurde die Wirtschaftsinitiative „Digitaler Türzugang“ gegründet.

Blick in die Zukunft: „The Edge“ nach Fertigstellung.

Foto: Edge

„The Edge“ in Friedrichshain-Kreuzberg: Erste Doppeldecker-Aufzüge in Deutschland

Der Versandriese Amazon wird in den Büroturm „Edge East Side Berlin“ ziehen, der aktuell in Friedrichshain direkt am S-Bahnhof Warschauer Straße gebaut wird. Für das weiterhin aufstrebende Szeneviertel hat das dänische Architekturbüro Bjarke Ingels eine offene Architektur mit einer Vorhangfassade ab der siebten Etage vorgesehen. Projektentwickler ist Edge, ein Tochterunternehmen der holländischen OVG Real Estate. Als Generalunternehmer für das 140 Meter hohe, smarte Bürohochhaus wurde Ed. Züblin AG/Strabag verpflichtet. Im Oktober 2020 wurde mit dem Ausheben der Baugrube begonnen, im Januar 2021 der Grundstein gelegt. Sechs Monate später waren die zwei Untergeschosse, die Plattform und das untere Foyer mit Zugang zu den Parkgaragen wettersicher gemacht; das obere Foyer/ Erdgeschoss befand sich im Bau. 2023 soll das Gebäude fertiggestellt sein.

Die Grundfläche des ab der siebten Etage je nach Richtung 1,5 Meter bis fünf Meter auskragenden Turmes beträgt nur 40 mal 60 Meter. Wegen der benachbarten Warschauer Brücke sind nur zwei Untergeschosse geplant. Die Geschossfläche beträgt 80.500 Quadratmeter, davon rund 65.000 Quadratmeter Bürofläche auf 36 Obergeschossen. Die ersten beiden Etagen und auch eine Dachterrasse mit Gastronomie werden öffentlich zugänglich sein. Der Hauptzugang erfolgt von der Warschauer Brücke über eine neu errichtete Plattform. Ein besonderes Augenmerk wurde von den Entwicklern auf die Gesundheit der künftig Nutzenden gelegt: Für das Gebäude ist eine Kreislaufwirtschaft angestrebt, wo möglich, wurde auf Materialien ohne organische Verbindungen gesetzt, wurden grüne Bereiche im Gebäude geschaffen. Dafür wird die Zertifizierung Well v2 Core & Shell Gold des International Well Building Institute angestrebt. Die Nachhaltigkeit wurde mit dem Platin-Vorzertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) bestätigt. Im Lagerbereich der Baustelle war je eine Musterfassade vom Podium und von den zweistöckigen Büroetagen unten aus Drei-Millimeter-Blech, oben aus Rohstahl mit Aluminium ausgestellt. Die Prallscheibe ist außenluftdurchspült und zum Sonnenschutz mit einer von innen regelbaren Jalousie ausgestattet. In den Büroräumen werden Heiz-/Kühldecken mit mäanderndem Warm- beziehungsweise Kaltwasser, darunter Akustiksegel aus gelochtem Alublech, eingesetzt. Die Beheizung erfolgt per Fernwärme; der Strom kommt aus dem Netz.

Die Hausanschlüsse inklusive Trafostation liegen im Erdgeschoss, das heißt auf Höhe der unteren Lobby. Kälte und Frischluft wird zur Hälfte von oben und von unten beschickt, Wasser, Strom und Wärme nur von unten. Das erste Untergeschoß ist das Technikgeschoß mit den entsprechenden Technikzentralen. Die Lüftungszentrale ist hier der größte Raum. Oben, auf 2,5-facher Geschoßhöhe befindet sich die Einbringöffnung. Im zweiten Untergeschoß mit 1,5-facher Geschoßhöhe sind Lager für Mieter und das Facility Management untergebracht. Dort finden sich später auch die Sprinkleranlage mit Tank, Zentrale und Pumpen. Auch ein Regenrückhaltebecken ist vorhanden. Der Technikschacht endet – bis auf einige Leitungen – aber bereits im ersten Untergeschoß.

Zwei Aufzugskabinen übereinander: Technik des Kone-Doppeldeckers.

Foto: Kone

Um die Baulogistik zu beschleunigen, wird hier zum zweiten Mal in Deutschland der Kone Hochleistungs-Bauaufzug JumpLift eingesetzt. Kone installiert ab Ende 2021 im „East Side“-Tower 14 Aufzüge und drei Fahrtreppen, darunter ein Feuerwehraufzug, ein Eventlift und die ersten acht Doppeldecker-Aufzüge in Deutschland. Diese Hochleistungsaufzüge können in ihren zweistöckigen Kabinen doppelt so viele Personen befördern. Dabei hält ein Doppeldecker immer in zwei übereinander liegenden Etagen, in denen Fahrgäste gleichzeitig in die Kabine einsteigen. Zugleich wird weniger wertvolle Gebäudefläche für die Aufzugschächte benötigt. Eine Fahrtreppe und eine Treppe bringen Besuchende vom Erdgeschoss in die Lobby des ersten Obergeschosses sowie über eine Rampe ins Mezzanin zum unteren Ende des Doppeldecker-Aufzugs.

 

 

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Von Text: Dipl.-Ing. (TU) Undine Stricker-Berghoff, CEng MEI VDI, ProEconomy, Travemünde